„Die Reise hat mich herausgefordert“: Schreinerin über ihre Tour fürs Handwerk

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Fertige Bienenhotels: In 45 Städten hat Schreinerin Julia Spielvogel (r.) Schülern ihr Handwerk nähergebracht, hier an der Jena-Plan Schule in Würzburg. Unterwegs war sie mit einem ausgebauten Land Rover und einer Werkstatt. © MICHAEL MATTHES

Schreinerin Julia Spielvogel hat eine Handwerkstour durch Deutschland gemacht. Mit unserer Zeitung spricht sie über ihre Erfahrungen und berufliche Zukunftspläne.

Weyarn – Ein Jahr lang tourte Julia Spielvogel aus Weyarn für ihr Handwerk durch Deutschland. Die Schreinerin und Kunstpädagogin entschied sich gegen eine gewöhnliche Walz: Unter dem Motto „On Tour fürs Handwerk“ besuchte sie Schulen, darunter auch die Realschule Miesbach, um Schülern ihr Handwerk näherzubringen. Mit ihrem ausgebauten Land Rover „Robert“ und ihrer Werkstatt im Anhänger besuchte Spielvogel 45 Städte. Seit rund einer Woche ist die 29-Jährige wieder zu Hause. Wie sie ihre Reise erlebt hat, welche Erfahrungen sie gemacht hat und wie es beruflich weitergeht, erzählt sie im Interview.

Frau Spielvogel, wie war ihre Tour durch Deutschland?

Aufregend. Es war sehr lehrreich, freiberuflich und als Frau alleine zu reisen. Ich habe nicht nur viel über den Umgang mit Schülern gelernt, sondern auch über mich selbst. Es war eine intensive Zeit, aber unglaublich bereichernd.

Knapp 1500 Bienenhotels gebaut

Mit den Schülern haben Sie Bienenhotels gebaut. Wie viele Hotels sind entstanden?

Wir haben 1478 Bienenhotels gebaut. Die Arbeit mit den Schülern hat mir am meisten Energie gegeben. Auch den Schülern hat es Spaß gemacht und einen echten Mehrwert geboten. Sie haben durch Quizfragen viel über Wildbienen, das Schreinern und den Wald als Rohstofflieferant gelernt. Beim Bauen konnten die Schüler selbst entscheiden, welchen Schritt sie als Nächstes machen: zuschneiden, fräsen, schleifen oder lasern. Bei älteren Schüler habe ich mehr Handwerksfähigkeiten eingebaut, während ich die Abläufe in den Grundschulen etwas angepasst habe. Anfangs konnten sich viele noch wenig darunter vorstellen, aber am Ende waren sie begeistert und stolz, ihre Bienenhotels mit nach Hause zu nehmen.

Sie haben insgesamt 45 Städte besucht. Welche Station hat Ihnen am besten gefallen?

Die beste Unterstützung hatte ich im Raum Chemnitz. Dort hat mich ein Maschinenhersteller begleitet, die Workshops betreut und mich in der Stadt herumgeführt hat. Diese Unterstützung hatte ich leider nicht überall, aber in Chemnitz hat es zeitlich gut gepasst, mehr als nur die Schule zu sehen.

Wie sah ein typischer Tag während der Tour aus?

Mein Tag begann um 6 Uhr morgens und endete gegen 15 Uhr. Um 8 Uhr war ich meistens an den Schulen. Danach bin ich zu meinem Stellplatz gefahren und habe den nächsten Tag vorbereitet. Es war sehr strukturiert, aber auch intensiv.

Mischung aus Freiberuflichkeit und Anstellung

Hatten Sie auch Zeit, nach Hause zu fahren?

Ja, ich habe meine Familie etwa fünfmal besucht. Für längere Strecken bin ich mit dem Zug gefahren und habe den Land Rover sicher abgestellt. Unterwegs hat es sich ergeben, dass ich jetzt zu meinem Freund ins Saarland gezogen bin.

Was haben Sie auf der Reise gelernt?

Freiberuflich zu arbeiten hat seinen Reiz, aber eine Anstellung bietet auch viele Vorteile. Die Reise hat mich herausgefordert, und ich habe gemerkt, dass für mich eine Mischform ideal ist. Manchmal ist es gut, die Sicherheit einer Anstellung zu haben, aber auch die Freiheit, eigene Projekte zu verwirklichen.

Wie geht es beruflich für Sie weiter?

Ich werde in der Schreinerbranche bleiben. Aktuell arbeite ich für eine Firma, die CAD-Planungssoftware vertreibt. Das Tolle daran ist, dass ich weiterhin im Bereich Messe und Marketing tätig sein kann. Viele der Erfahrungen aus der Tour fließen direkt in meine neue Tätigkeit ein. Ich bin oft bei Kunden vor Ort und CAD wird auch in vielen Berufsschulen verwendet, was mich dazu bringt, mich weiterhin pädagogisch damit auseinanderzusetzen.

Projekt erlangt große Reichweite in den sozialen Medien

Was würden Sie im Nachhinein anders machen?

Ich würde mich definitiv nicht mehr nur auf mündliche Zusagen für Fördergelder verlassen. Ich bin auf einigen Kosten sitzen geblieben, was eben ein Berufsrisiko als Freiberuflerin ist. Die Fördermittel und Spenden waren notwendig, um das Material und den Ausbau des Land Rovers zu finanzieren. Rückblickend würde ich die finanziellen Angelegenheiten von Anfang an fester regeln, damit ich mich voll auf die Tour konzentrieren kann. Nebenbei habe ich noch für Firmen Videos erstellt und Social-Media-Kanäle betreut und war auf ein paar Messen unterwegs. Deshalb konnte ich nur zwei bis drei Schulen pro Woche besuchen.

Auf Instagram haben Sie über 20 000 Follower. Hätten Sie gedacht, dass ihr Projekt so viele Menschen erreicht?

Das hätte ich nie erwartet! Der Support war wirklich großartig. Ich habe auch von Menschen aus der Community Unterstützung bekommen. In Zukunft möchte ich das Thema Fachkräftemangel noch stärker auf meinen sozialen Kanälen thematisieren und hoffe, weiterhin viele Menschen damit zu erreichen. (sf)

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