Weg zum Super Bowl - Ich liebe die NFL-Playoffs – doch vor dem FC Bayern-Dilemma habe ich Angst
Die NFL-Playoffs sind für mich sportlich die geilste Zeit des Jahres. In kaum einem Wettbewerb geht es so eng und unberechenbar zu wie in der Postseason der US-amerikanischen Footballliga.
Football wird nicht umsonst auch als „Game of Inches“ bezeichnet. Oft entscheiden nur Zentimeter zwischen Sieg und Niederlage. Nuancen bestimmen über Jubel oder Trauer. Minimalste Fehler können das Aus aller Träume und Hoffnungen bedeuten.
Zur neuen Spielzeit werden die Karten durch Draft und Gehaltsobergrenze schließlich neu gemischt, heutiger Erfolg ist keine Garantie für Erfolg in der nächsten Saison.
Es zählt also nur eins: Konfettiregen im Super Bowl und die silbern glänzende Vince-Lombardy in den Händen. Die Meisterschaft.
Doch bis zum ultimativen Endspiel der NFL sind noch einige K.o.-Runden zu überstehen. Am Samstag starten die Playoffs mit der Wildcard-Round. Nur die beiden besten Teams der jeweiligen Conference, Titelverteidiger Kansas City Chiefs (AFC) und die Detroit Lions (NFC) haben frei und müssen erst in der Divisional Round antreten. Für die anderen zwölf Teams geht es schon jetzt um jedes Yard.
Ich kann’s kaum erwarten und freue mich besonders über drei Dinge. Ein Szenario macht mir aber ein wenig Angst und Bange.
Josh Allen und Lamar Jackson versprechen grandioses Quarterback-Spiel
Josh Allen und Lamar Jackson: Das Duo hat sich in der Regular Season Woche für Woche ein sensationelles Fernduell um den MVP-Titel, dem wertvollsten Spieler der Saison, geliefert. Es war ein reiner Genuss den beiden Quarterbacks zuzusehen.
Sie haben Jahrzehnte alte Rekorde gebrochen und neue aufgestellt. Sie haben neue Maßstäbe gesetzt, als Passer und als Läufer. Highlights und Spektakel, für Allen und Jackson Routine.

Nun soll es für die beiden Spielmacher auch im Januar endlich funktionieren. Während Allen in der Vergangenheit mit den Buffalo Bills schon einige Playoffs-Glanzleistungen zeigte, ist Jackson hier noch einiges schuldig. Er hat zwei MVP-Titel – genauso viele Playoff-Siege kann er mit den Baltimore Ravens vorweisen. Das ist zu wenig für einen Elite-Spieler.
Beide haben noch keinen Ring am Finger geschweige denn den Einzug in den Super Bowl geschafft. Die Erklärung ist simpel: Patrick Mahomes. Der Superstar spielt mit der Übermannschaft Kansas City Chiefs in derselben Conference. Ihn gilt es in diesem Jahr zu schlagen.
Auf die Chiefs können die Bills oder Ravens erst im Conference Championship Game treffen, dem Halbfinale. Eine Runde vorher würde es zum epischen Duell der beiden besten Spieler des Jahres kommen. Gewinnen die Bills (gegen die Denver Broncos) und die Ravens (gegen die Pittsburgh Steelers) ihr Auftaktspiel, heißt es in der Divisional Round Allen gegen Jackson.
Neben dem Trio Allen, Jackson und Mahomes stehen viele weitere Quarterbacks-Stars mit ihren Teams in den Playoffs. Selten war die Leistungsdichte so groß. Einzig Superstar Joe Burrow verpasste mit seinen Cincinnati Bengals denkbar knapp die Playoffs.
Offensivfeuerwerke
Die offensive Feuerkraft der Bengals und die Coolness von Burrow wird sicherlich fehlen. Aber auch die anderen Teams kennen den Weg in die Endzone zu gut. Zehn der elf besten Offensiven nach erzielten Punkten haben es in die Playoffs geschafft. Das verspricht Spektakel!
Selbst die nach Punkten schlechteste Playoff-Offensive der Los Angeles Rams ist zu allem fähig. Das hat das Spitzenspiel gegen die Bills Anfang Dezember gezeigt. Dort konnte der Champion von 2022 überraschend einen 44:42-Shootout gewinnen.

Die wohl beste Offensive gehört den Detroit Lions um den deutsch-amerikanischen Superstar Amon-Ra St. Brown. Die Franchise aus dem US-Bundesstaat Michigan hat als erstes Team der NFL-Geschichte vier Spieler mit über 1.000 Scrimmage Yards.
Die beiden Runningbacks Jahmyr Gibbs und David Montgomery konnten überwiegend am Boden für Zerstörung sorgen. Durch die Luft waren die beiden Receiver Jameson Williams und St. Brown gefährliche Waffen für den erfahrenen Spielmacher Goff. Diese Vielseitigkeit macht die Lions zum heißesten Anwärter auf den Super Bowl.
Die erdrückende Dominanz der Chiefs
Bei aller Euphorie für die Playoffs gibt es aber auch ein nicht ganz unwahrscheinliches Szenario, vor dem es mir gehörig graut.
Die Kansas City Chiefs könnten als erstes Team in der NFL-Geschichte drei Meisterschaften in Folge feiern. 2023 und 2024 war ich live vor Ort und stand im rot-gelben Konfettiregen von Phoenix und Las Vegas. Ganz ehrlich: In New Orleans will ich endlich andere Farben sehen.
Die NFL ist auf Chancengleichheit ausgelegt. Anders als im Fußball bekommt der Meister nicht mehr Geld als alle anderen Teams. Zudem dürfen die schlechtesten Teams der Saison im NFL-Draft, der Talentziehung junger College-Spieler, als erstes auswählen. Und durch die Gehaltsobergrenze könnten die Franchises kein All-Star-Team zusammenstellen.
Umso beeindruckender sind Erfolge über einen längeren Zeitraum. Die Chiefs dominieren seit Patrick Mahomes der Starter in Missouri ist. Seit 2018 stand das Team stets im Halbfinale. Viermal zog es auch ins Endspiel ein, drei Triumphe gab es dort. Selbst die über zwei Jahrzehnte erfolgreichen New England Patriots mit Tom Brady waren nicht so erdrückend. Wir leben in einer Chiefs-Dynastie.

Auch in diesem Jahr wird der Titel nur über das Arrowhead Stadium gehen. Die Chiefs haben sich in der Regular Season den sogenannten First Seed in der AFC gesichert. Sie hatten mit 15-2 den besten Record und dadurch eine Bye-Week am Wildcard-Wochenende.
Titelverteidiger, First Seed, Mahomes – auf dem Papier ist KC in diesem Jahr erneut die Übermannschaft. Von Dominanz kann in der Regular Season aber keine Rede sein. Nie hatte ein 15-Siege-Team eine schlechtere Punktedifferenz als die 2024er Chiefs. Die Art und Weise wie der dreimalige Champion Woche für Woche als Sieger vom Platz marschierte, ließ mich an einen Pakt mit dem Teufel glauben.
Wenn sie dann aber in rund vier Wochen erneut die Vince-Lombardy-Trophy in die Höhe stemmen, interessiert sich niemand mehr für das viele Spielglück der regulären Saison. Erfolg ist eben kein Glück. Das muss selbst jeder Kritiker und Zweifler anerkennen.
Und der Weg in den Super Bowl sieht in diesem Jahr recht klar aus. Als First Seed haben sie stets Heimrecht. In der Divisional Round erwarten sie den Gewinner mit den höchsten Seed. Gelingt den Broncos (7) oder Steelers (6) eine Überraschung gegen die hochfavorisierten Bills respektive Ravens, würde es für sie ins Arrowhead gehen. Ansonsten muss der Gewinner des Auftaktduells am Samstag zwischen den Houston Texans (4) und Los Angeles Chargers (5) ran. Gegen alle vier Teams konnte KC in der Saison bereits gewinnen.
Die NFL im FC Bayern-Dilemma
Egal wie der Gegner heißt, die Chiefs wären der haushohe Favorit. Erst im Championship Game käme es zum Gipfeltreffen mit den Ravens oder Bills. Beide Teams würden mit den bösen Erinnerungen der Vorjahre anreisen. Das Team von Trainer Andy Reid hat in jedem Duell einen wichtigen psychologischen Vorteil.
Davor graut es mir. Ich will Abwechslung. Sind nicht gerade wegen der erdrückenden Dominanz und Einseitigkeit im Fußball viele Sportfans in Deutschland zum American Football gekommen? Gewinnen stets die Chiefs, steckt die NFL bald in einem FC Bayern-Dilemma.