Für die deutsche Nahost-Politik ist der "Ground-Zero"-Moment gekommen

Es gibt Situationen, da möchte man als Europäer im Boden versinken vor Scham. Leider auch als Deutscher – wegen der „Staatsräson“, die Israels Sicherheit angeblich seit Angela Merkels Zeiten ist.

Bei den unvergleichlichen Feiern zur Freilassung der israelischen Geiseln, bei dieser politischen Hoffnungsparty für einen neuen Nahen Osten, hat Benjamin Netanjahu diesen Satz gesagt, direkt zu Donald Trump: „Als andere uns im Stich ließen, standen Sie an unserer Seite.“ 

Was hat es eigentlich gebracht, dass die Franzosen und die Briten, wie andere schon, dieses „Palästina“ anerkannten – in einer Situation, in der die von Terroristen gekaperten Geiseln noch in deren Händen waren?

Für – war es das? - den Applaus der Pali-Sympathisanten, die nach Frankreich und Großbritannien einwanderten, und dort die Gesellschaften in Kulturkämpfe führten – mindestens das.

Amerikas Waffen für Israel

Donald Trump hat dann in der Knesset diesen Satz gesagt über die amerikanischen Waffen, die furchtbarsten der Welt, die man aber brauche, zur Abschreckung, um den Frieden bewahren zu können: „Wir haben sehr viele davon auch an Israel gegeben.“

Hätte Friedrich Merz in diesem Moment im israelischen Parlament gesessen, ein Kameraschwenk auf seine Miene wäre ein journalistischer Scoop gewesen. Des Bundeskanzlers Regierung verkündete gerade, es klang ein wenig herablassend, man könne nun die Nicht-Lieferung deutscher Waffen an Israel überprüfen. Dergleichen kam auch von der SPD.

Was hat sie gebracht, diese demonstrative Nicht-Lieferung deutscher Waffen in einer Situation, in der es nur als Stich in den Rücken Israels verstanden werden konnte? Und in der Deutschland auf israelische Waffen – den Iron Dome – mehr angewiesen wäre als Israel auf deutsche Waffen.

Der Bundeskanzler hat erst einmal angekündigt, nun flössen 29 Millionen nach Gaza. Seine Entwicklungsministerin Reem Albali-Radovan schob zweierlei nach: Schnell werde ein „dreistelliger Millionenbetrag“ fließen nach Gaza. Und: Das werde natürlich nicht reichen. Bei den Vereinten Nationen, einer verlässlichen Anti-Israel-Bastion, schätzen sie, der Wiederaufbau werde 50 Milliarden kosten.

Die Rückkehr der Scheckbuch-Diplomatie

Weder der Bundeskanzler, noch der Bundesaußenminister, noch die Entwicklungshilfeministerin mühten sich zu erklären, was genau an der annoncierten deutschen Wiederaufbauhilfe für dieses Terrornest, kaum größer als Sylt, im deutschen Interesse liegen könnte.

Die Summen wurden ins Schaufenster gestellt, ohne Vorbedingungen zu nennen. Naheliegende Vorbedingungen – wissend, dass auch deutsche Hilfe in Terror-Strukturen floss in den vergangenen Jahren. Was Merz und Wadephul und Albali-Radovan nicht aussprachen, konnte man dann von Ahmad Mansour hören:

„Welche konkreten Maßnahmen ergreifen Deutschland, die EU und die Vereinten Nationen, um sicherzustellen, dass humanitäre und Entwicklungshilfe diesmal tatsächlich Menschen in Gaza zugutekommt – und nicht erneut in Tunneln, Waffenarsenalen und Terrorstrukturen verschwindet?“

Die Europäer haben allesamt versagt, und zwar vor der eigenen Haustür, nicht irgendwo am anderen Ende der Welt. Wolfgang Ischinger, der diplomatische Altmeister, sprach das ganze Elend aus: Ein „komplettes Desaster“ sei die europäische Nahostpolitik. Europa habe noch nicht einmal versucht, in diesem Krieg „mit einer Stimme zu sprechen“. Und: „Ohne Donald Trump läuft hier gar nichts.“

"Thank you, Bibi", sagt Trump

Die beiden, mindestens einmal bei der Linken in Deutschland, unbeliebtesten politischen Führungsfiguren auf der ganzen Welt haben nun für diesen – großen, wenn auch vorläufigen – diplomatisch-militärischen Erfolg gesorgt. „Thank you, Bibi“, sagte Trump.

Michael Wolffsohn, der unorthodoxe Denker, nennt es eine „Ironie der Geschichte“. Sie besteht darin, „dass ein eigentlich durch und durch skrupelloser Politiker eine kreative Friedenspolitik auf den Weg gebracht hat.“ Und: „Das hat in Bezug auf Nahost bislang keiner außer ihm geschafft.“

Die Abraham-Abkommen mit muslimisch-arabischen Staaten, die Einbindung Indonesiens – des größten muslimischen Landes der Erde – und Pakistans in den Nahost-Friedensprozess. Die Bomben auf Irans Atomlabore. Die Vernichtung der Hizbollah. Trump listete dies alles in der Knesset auf – unterbrochen nur von den stehenden Ovationen der israelischen Abgeordneten.

Trump
Trump bei seiner Gaza-Rede. Imago

Alles, wirklich alles davon wurden von europäischen Staatenlenkern mit skeptischen Mienen und übellaunigen, besserwisserischen Kommentaren verbreitet. Nichts davon haben die Europäer selbst zustande gebracht. Der Frieden in Nahost sei im deutschen Interesse, heißt es nun. Es ist einer dieser Sonntagssätze. 

Wer sorgt für Frieden auf Deutschlands Straßen?

Umgekehrt wird nun ein Schuh daraus: Der Frieden auf deutschen Straßen wird nun in Nahost entschieden, weitgehend ohne deutsche substanzielle Mithilfe. Was heißt das eigentlich für den inneren Frieden hierzulande? Gehen diese Kalifat-Demos weitgehend unbehelligt weiter?

Was die deutsche Rolle international angeht: Friedenstruppen will der deutsche Bundeskanzler nicht schicken nach Gaza. Ergo erleben wir deshalb gerade die Rückkehr der deutschen Scheckbuchdiplomatie, bekannt aus den frühen 80er Jahren, als der deutsche Dauer-Außenminister Hans-Dietrich Genscher hieß.

Es ist, das sagte Ischinger, auch für die deutsche Nahost-Politik ein „Ground-Zero-Moment“. Alles in Terroristen-Trümmern – und wer sorgt für den Neuanfang? Dazu nur ein ordnungspolitischer Gedanke: Trump wurde für seine Vision von einer neuen Nahost-Goldküste in Gaza hierzulande mit Spott überschüttet. 

Nun – glaubt irgendjemand, der deutsche Helferstaat, gerade wochenlang ringend um jeden Cent für deutsche Bürger, wäre eher in der Lage, in Gaza für ein Wirtschaftswunder zu sorgen als an kapitalistischem Erfolg interessierte Investoren? In diesen Tag des Feierns schiebt sich noch ein bitterer Kritikpunkt, formuliert von Johannes Winkel, dem jungen CDU-Politiker.

Und die deutschen Geiseln der Hamas?

„Ein Skandal muss nachträglich aufgearbeitet werden: Warum hat sich in Deutschland kaum ein Mensch dafür interessiert, dass UNSERE Staatsbürger Geisel der Hamas waren? Weil sie Gali und Ziv statt Thomas und Christian hießen? Weil sie Juden sind?“

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, spricht von einer „regierungsamtlichen Empathie-Verweigerung“. Wolffsohn benennt ein „grundsätzliches ethisches Problem“, das mit dem Waffenstillstandsabkommen und der Geiselbefreiung einhergeht.

Nämlich: „Dass eine Terrororganisation und ein demokratischer Staat formal völkerrechtlich auf Augenhöhe einen Vertrag abschließen.“ Aber was heißt das, wenn: „Eine Terrororganisation dadurch der völkerrechtlich legitimierte Sprecher zumindest eines Teils des palästinensischen Volkes geworden ist?“

Noch gibt es in Gaza die Hamas

Johann Wadephul sagt nun, was er wieder und wieder sagt. Am Ende müsse eine Zweistaatenlösung stehen. Er formuliert es so, als ob Israel davon der Hauptgegner sei. Historisch ist das falsch, der frühere amerikanische Präsident Bill Clinton weist in diesen Tagen auf die großzügigen Angebote Israels an die Palästinenser hin, allesamt von ihnen abgelehnt.

Deutschland will nun, sagt die Bundesregierung, bei der „Reform“ der palästinensischen Autonomiebehörde helfen. Was aber heißt „Reform“ bei dieser PA, die von einem bekennenden Antisemiten wie Abbas geführt wird – und seit Jahren von Wahlen nichts wissen will?

Und was ist überhaupt mit dem Unfrieden, der im Namen dieser angeblichen palästinensischen Sache auf deutschen Straßen gestiftet wird? Der Krieg ist nicht vorbei, dass es vielleicht so kommt, ist eine große Hoffnung.

Noch gibt es in Gaza die Hamas. Zehn- bis dreißigtausend Mann unter Waffen. Und deren Ideen sind noch lange nicht erledigt. Auch nicht bei uns in Deutschland. Eins noch: Die Überlebenden Israelis – allesamt Männer. Die islamistischen Terroristen haben keine Frau am Leben gelassen.