Warum der Bahnchef Richard Lutz endlich aufhören sollte
Die Fakten am Morgen
Das FOCUS Briefing von Tanit Koch und Thomas Tuma. Kompakt die wichtigsten Informationen aus Politik, Wirtschaft und Wissen ab jetzt werktags immer um 6 Uhr in Ihrem Postfach.
Jüngst ist in einer Fußgängerunterführung im oberfränkischen Markt Hirschaid ein Feuer ausgebrochen. Jetzt werden Sie sagen: „Aha, und in China ist ein Sack Reis umgefallen, oder was?“ Der Unterschied: Das Malheur in Hirschaid bremst aktuell den kompletten Fernverkehr zwischen Berlin und München aus. Mal wieder.
Der kleine, gekachelte Tunnel unterquert nämlich die ICE-Trasse, die jetzt aufwendig untersucht werden muss. Das kann dauern. Man ist bei der Deutschen Bahn ja viel gewohnt, aber ausnahmsweise ist Brandstiftung verantwortlich, nicht Bahnchef Richard Lutz, was trotzdem zu der Frage führt: Warum ist der Mann eigentlich immer noch im Amt?
Der Konzern hat Schulden, sein Chef ein Rekordgehalt
Mein Verdacht: Die neue Regierung hat bisher so wenig einen Plan für den Mobilitätskonzern wie Lutz selbst, der schon vor zweieinhalb Jahren mahnte: „Wir können so nicht weitermachen.“ Seither macht er so weiter – und übersieht beim Gejammer über frühere Regierungen, dass er selbst bereits seit 31 Jahren im Konzern arbeitet. Seit 15 Jahren sitzt er im Vorstand, den er seit über acht Jahren anführt. Da hätte er doch mal Laut geben können, wo’s hakt mit der Infrastruktur und allem anderen, oder?
Aber ihm persönlich geht’s ja gut. Im vergangenen Jahr schrieb die Bahn einen Verlust von 1,8 Milliarden Euro. Lutz bekam ein Rekordgehalt inklusive diverser Boni von 2,1 Millionen. Auf der Business-Plattform LinkedIn lächelt er dazu immer so nett verschmitzt: Man sieht ihn bei Spatenstichen und Gedenktagen. Er lobt die Diversity in seiner Belegschaft und die vegane Currywurst im Bordbistro. Schöne, falsche Bahnwelt!
Ein Bahnchef auf dem Abstellgleis
Bereits vor zwei Jahren habe ich ihm in einem Anfall von Größenwahn nahegelegt: „Treten Sie zurück, Herr Lutz! Nicht nur von Ihrer Bahnsteigkante.“ Ich tat das weniger aus Enttäuschung oder Notwehr, obwohl ich als treuer Bahncard-100-Kunde alle Dramen, zu denen dieser Konzern fähig ist, in vollen Zügen (teils doppelt überbucht) mehrfach genossen habe. Ich meinte es gut mit ihm. Aber er wollte ja nicht hören. Und obwohl ich Bahn-Wortspiele nicht überstrapazieren möchte: In den vergangenen Monaten ist Lutz endgültig entgleist.
Nicht nur der Bundesrechnungshof schlägt Alarm
Ursprünglich hatte er versprochen, bis 2030 die 40 meistbefahrenen Strecken der Republik zu sanieren. Das sei nicht zu schaffen, heißt es nun plötzlich. Fünf Jahre länger dauere es wohl. Also doppelt so lang. Das ganze Sanierungskonzept sei wirtschaftlich „nicht tragfähig“, schlug derweil der Bundesrechnungshof Alarm.
Die Ironie: Die jüngst verkündete Verschiebung vieler Bauprojekte soll wenigstens die Pünktlichkeit der Bahn erhöhen, die im Mai im Fernverkehr nur noch bei 62 Prozent lag. Ob ein ICE ankommt und wo, scheint mittlerweile endgültig Glückssache zu sein. Andererseits hat der Bund seiner Bahn bis 2029 107 Milliarden Euro zugesichert. Was machte Lutz? Er mahnte eine Finanzierungslücke von 17 Milliarden an, worauf der neue Verkehrsminister Patrick Schnieder „verwundert“ reagierte.
Die fünf Probleme des Bahnchefs
Aus dem Wundern kam Schnieder gar nicht mehr raus, weil Lutz zwischendurch noch die günstigen Familienreservierungen abschaffen ließ. Das mag alles Gründe haben. Aber ein weiterer Aufschrei der eigenen Kundschaft wie auch seines Arbeitgebers, der Politik, war dem Bahnchef da endgültig sicher. Er tappt nicht einfach in Fettnäpfe, sondern stellt sie sich akkurat vor die Schuhe.
Die fünf Hauptprobleme des Richard Lutz sind also: Missmanagement, ein ganz schlimmes Produkt, verzweifelte Kunden, inkompetente bis empörte Eigentümer und … Richard Lutz. Die sonst so zerstrittene Bundespolitik scheint sich – von AfD bis Linke – immerhin darauf einigen zu können, dass Lutz der falsche Mann ist.
Aber jetzt sind ja erst mal Sommerferien. Da werden auch personell keine Weichen gestellt. Typisch Bahn halt: Nicht mal Rausschmisse kriegen sie dort pünktlich hin.
Die Fakten am Morgen
Das FOCUS Briefing von Tanit Koch und Thomas Tuma. Kompakt die wichtigsten Informationen aus Politik, Wirtschaft und Wissen ab jetzt werktags immer um 6 Uhr in Ihrem Postfach.