Venedig als Spielzeug: Wenn Milliardäre sich für Götter halten

Auch Superreiche, sogar Supermegagigareiche, sind nur Menschen. Die einen nehmen Drogen, die anderen schwören auf Algen-Smoothies. Manchmal haben sie Darmbeschwerden, manchmal heiraten sie. Wie wir alle. Auch wenn sie das Fest sicher opulenter gestalten. So wie Amazon-Gründer Jeff Bezos gerade.

Von heute bis Ende der Woche ist Venedig deshalb im Ausnahmezustand, denn natürlich heiratet Bezos seine zweite Frau mit deutlich mehr Spektakel als seine erste, die MacKenzie Scott heißt und 1992 Frau Bezos wurde, als ihn noch niemand kannte. Amazon hat er erst ein Jahr später gegründet.

Statt Onkel Stan kommt nun Leonardo DiCaprio

Diese Woche werden zur Hochzeit von Bezos und der Journalistin Lauren Sánchez nicht mehr Onkel Stan und Cousine Lilly erwartet, sondern 200 Gäste wie Leonardo DiCaprio, Katy Perry und Oprah Winfrey. Die Lagunenstadt als Hochsicherheitstrakt.

Bezos ist Jahrgang 1964. Wie ich. Sein aktuelles Vermögen liegt allerdings rund 230 Milliarden Dollar höher als meines. Ich blicke neidfrei und voller Respekt auf seinen unternehmerischen Erfolg. Aber so wie Alphabet (Google), Meta, Microsoft oder Apple hat Bezos‘ Imperium mittlerweile eine quasi-monopolistische Größe erreicht, gegen die die Fugger, Medicis oder Rockefellers eher Bettelmönchen ähnelten.

Sie machen nicht nur Geschäfte, sondern die Regeln

Ihre Plattformen können Meinungen befeuern oder verbieten. Sie machen nicht nur Geschäfte, sondern die Regeln. Bezos etwa hält sich die „Washington Post“ wie einen Dackel, den man domestizieren kann, wenn er störrisch ist. Erst kürzlich wies er die ehrwürdige Zeitung an, keine Kommentare mehr zu veröffentlichen, die sich gegen seine Lieblingsthemen „persönliche Freiheiten“ und „freie Märkte“ richten, was die Freiheiten seiner Redakteure doch ziemlich einschränkte. Donald Trump gefiel das aber sehr.

Apropos: Als der zum zweiten Mal US-Präsident wurde, konnte es den Digital-Giganten gar nicht schnell genug gehen, ihn servil zu umschmeicheln. Hauptsache, er lässt sie in Ruhe. Klar, dass zur Bezos-Hochzeit auch Trump-Tochter Ivanka vorbeischaut samt Gatte Jared Kushner.

Als selbst Google noch lieb sein wollte

Die empathische Nettigkeit der heutigen Tycoone war eh nur Attitüde und Accessoire ihrer Start-up-Zeit. „Don’t be evil“ gaben die Google-Gründer anfangs als Verhaltensrichtlinie aus. Sei nicht böse! Eine lächerliche Maskerade, wenn man bedenkt, wie allein dieser Konzern die Medienwelt verändert, nein: zerstört hat. 

Ihr Geld, ihre Allmacht, ihr Wissen über uns hat Leute wie Bezos, Elon Musk, Mark Zuckerberg, Steve Jobs oder Investoren wie Peter Thiel verändert. Jahrzehntelang taten manche von ihnen so, als sei es ihr oberstes Ziel, die Welt besser zu machen, bis sie das womöglich selbst glaubten. Manche von ihnen begannen, sich wie Götter zu fühlen. Götter, die sich eben auch mal dieses verrückt-analoge, old-fashioned Venedig als Kulisse für ihre Geltungssucht kaufen, wenn ihnen danach ist. 

Wie Jeff Bezos 35,6 Milliarden Dollar verlor

Der Ökonom Joseph Schumpeter definierte 1942 als „wesentliches Faktum des Kapitalismus“ dessen Drang zu „schöpferischer Zerstörung“. Das Prinzip: Bewährtes Altes wird von besserem Neuen hinweggefegt, was übrigens okay ist. Weniger okay ist, dass sich die Götter der Digital-Ära heute auf die Zerstörung konzentrieren, nachdem sie die Schöpfung irgendwann für abgeschlossen erklärt hatten. Sie sind es, die nun allein das Neue definieren, auch wenn dieses Neue nur noch eine alberne Modifikation der iPhone-Benutzeroberfläche ist. 

Ironischerweise muss es trotzdem noch einen anderen Gott geben. Und der muss seine Finger im Spiel gehabt haben, als Bezos und seine erste Frau MacKenzie sich 2019 scheiden ließen. Dadurch bekam sie Amazon-Aktien im Wert von 35,6 Milliarden Dollar, die sie seither an soziale Einrichtungen spendet. Jedes Jahr gibt sie mit vollen Händen Milliarden aus für gute Zwecke. 

Superreiche sind eben auch nur Menschen. Manchmal sogar nette.