Merz glänzt außen – aber am Ende zählen zwei Versprechen

Anfang Juni erinnerte die FAZ-Journalistin Mona Jaeger in einer Diskussionsrunde an die früher mal geltende 100-Tage-Schonzeit für eine neue Regierung. Und ergänzte, dass wir Journalisten sie offenbar mittlerweile abgeschafft haben.

Da ist etwas dran. Also habe ich mir das Ende der Schonfrist im Kalender markiert: 13. August. Spätestens der 14., wenn man Wahl und Vereidigung am 6. Mai nicht als ersten Arbeitstag zählt.

Halbzeit auf dem internationalen Parkett

Einer Halbzeitbilanz nach fast 50 Tagen steht das jedoch nicht im Weg: Merz macht als Außenkanzler bella figura. Im Kreis der G7-Chefs in den Rocky Mountains oder bei Treffen in London, Brüssel, Paris und Warschau wirkt er in seinem Element.

Man gewöhnt sich schnell an dieses Bild. Selbstverständlich ist es nicht. Nur zur Erinnerung: Unter Bundeskanzler Olaf Scholz wurde die Geduld von US-Präsident Joe Biden überstrapaziert und der deutsch-französische Motor abgewürgt. „Macron und Scholz reden nicht mal mehr miteinander – unerträglich“, sagte mir damals der frustrierte Botschafter eines anderen EU-Staats.

Zurück auf der Bühne – aber reicht das?

Der neue Bundeskanzler hingegen ist unübersehbar zurück auf dem internationalen Parkett. Das ist kein Wert an sich, aber klar besser als das „Was zuvor geschah“ in Staffel Scholz. Entsprechend positiv wirkt es sich auf die Umfragewerte von Merz und Union aus.

Doch der Kanzler muss darauf achten, dass sein außenpolitischer Glanz ihn innenpolitisch nicht verblassen lässt. Gewählt wurde Merz für zwei zentrale Versprechen: die Wende in Wirtschaft und Migration. Daran wird er gemessen.

Nächste Woche: Nato und EU

Je öfter Merz also in die Regierungsmaschine steigt – und das verlangt die Weltlage schon nächste Woche wieder – desto mehr kann zuhause ein Gefühl wachsen, dass die Kanzler-Prioritäten nicht in der Heimat liegen.

Sein Kabinett kann das nicht kompensieren. Wenn Lars Klingbeil die geplanten Wirtschaftshilfen nicht gegenfinanzieren kann, scheitert Merz. Falls Wirtschaftsministerin Katherina Reiche die so nötige Aufbruchstimmung nicht vermittelt bekommt, scheitert Merz. Ebenso, wenn Sozialministerin Bärbel Bas den Umbau des Bürgergelds oder die bürokratische Entlastung von Arbeitgebern verschleppt.

All dies würde Merz angelastet. Er ist der Kanzler. Und er muss mehr sein, auch schon in den ersten 100 Tagen, als ein Außenkanzler.

Sehe ich das zu eng? Schreiben Sie uns feedback@focus-briefing.de