„Der AfD hilft es, wenn alle anderen sagen, mit der Linken hat man kein Problem“
Die Fakten am Morgen
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Frankreichs Mitte-Rechts-Regierung hat gestern Abend zwar ein Misstrauensvotum der Sozialisten überstanden (sie sind unglücklich über die Rentenpolitik).
Doch das Aufatmen bleibt aus: Premier François Bayrou fehlen die Sozialisten nun – bislang haben sie seine Minderheitsregierung geduldet und ihn vor der Abhängigkeit von Marine Le Pen bewahrt.
„Ja, AfD und Linkspartei schaukeln sich gegenseitig hoch“
Schon für Herbst, bei den Haushaltsverhandlungen, wird das nächste Misstrauensvotum erwartet, diesmal von den Rechtsnationalen. Dann könnte Le Pen die Regierung stürzen, falls Bayrou die Linke nicht wieder besänftigt.
Rechtsaußen, Linksaußen, und dazwischen die politische Mitte, die wie ein Stück Käse zerrieben wird – sind wir davon so weit entfernt? Das habe ich gestern den Meinungsforscher und INSA-Gründer Hermann Binkert gefragt. Seine Einschätzung: „Ja, AfD und Linkspartei schaukeln sich gegenseitig hoch.“
Die Linke hat es leichter in der Opposition
Je stärker der rechte Rand, desto größer ist offenbar das Bedürfnis, ganz weit links gegenzusteuern. Laut Insa liegt die Linke derzeit bei 9,5 Prozent – mit dem Potenzial, gut 20 Prozent zu erreichen. Sie habe, verglichen mit den Grünen, derzeit ein klareres Profil: „Was auf der Verpackung steht, steckt auch drin. Wer links denkt, fühlt sich angesprochen.“
Die Grünen hingegen versuchten den Spagat: „Sie wollen regierungsfähig rüberkommen, aber auch die Wähler zurückholen, die sie an die Linke verloren haben.“ Das Problem: „Grüne haben eher gut und besser verdienende Wähler, da ist eine plumpe Links-Rhetorik schwierig.“
Die Linke hat es also leichter in der Opposition – und erhält sogar noch grüne Schützenhilfe. Binkert: „Die Grünen machen mit der Linkspartei das Gegenteil dessen, was sie der Union im Umgang mit der AfD empfehlen: Sie machen sie im Bund hoffähig.“
Wie robust Deutschlands politische Mitte bleibt, hängt an der CDU
Indem sie fordern, Reichinnek, van Aken und Co. einzubinden, agierten sie als PR-Manager für die politische Konkurrenz – „nach normalen taktischen Maßstäben würde man das eher nicht machen,“ so Binkert. Und der AfD helfe es natürlich, wenn alle anderen Parteien sagen, mit der Linken habe man kein Problem.
Was also trennt uns von französischen Verhältnissen? Binkert: „Der große Unterschied ist die Union. Eine vergleichbar starke und stabile Partei der Mitte gibt es in Frankreich nicht mehr.” Wie robust Deutschlands politische Mitte bleibt, hänge an CDU, CSU und ihrer Bindungskraft. Falls Sie also dachten, auf Friedrich Merz laste schon genug Erfolgsdruck – es ist noch viel mehr.
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