Matinee im Theater in Kempten: Wo sind ungarische Geschichte und Kultur in Europa zu verorten?
„Kulturlandschaft Europa – Brücken bauen zwischen Kempten und Sopron“ lautete eine geistreiche Matinee am Sonntagmorgen.
Kempten – Ganz im Zeichen der engen Freundschaft zwischen den Partnerstädten Sopron und Kempten stand die Spielzeiteröffnung 2024/25 des Stadttheaters. Den Anfang hatte am Vorabend ein Meisterkonzert des Franz Liszt Symphonieorchesters Sopron gemacht.
Wortgewandte Gäste auf der Bühne bei der Matinee am Sonntag waren Péter Kóczán (Chefdirigent des Symphonieorchesters Sopron), Gábor Tordai-Lejkó (ungarischer Generalkonsul aus München) und Réka Bátor (Studentin der Wirtschaftsuniversität Wien). „Ich freue mich sehr, dass so viele unserer Einladung an einem Sonntagmorgen gefolgt sind“, sagte Theaterdirektorin Silvia Armbruster. Sie moderierte die launige Gesprächsrunde gemeinsam mit Lajos Fischer, Redaktionsleiter des Kreisboten. Er engagiert sich mitverantwortlich im Freundschaftskreis Partnerstädte Kempten.
Oberbürgermeister Thomas Kiechle erinnert bei der Matinee zur ungarischen Kultur und Geschichte an das Paneuropäische Picknick
„Brücken bauen ist das, was wir mit unseren fünf Partnerstädten versuchen zu leben“, betonte Oberbürgermeister Thomas Kiechle in seinem Grußwort. Er erinnerte an das Paneuropäische Picknick am 19. August 1989 bei Sopron. Dieses lebt in der Erinnerungskultur als Meilenstein jener Vorgänge, die zum Ende der DDR, zur deutschen Wiedervereinigung und zum Zerbrechen des Ostblocks führten. 700 DDR-Bürgern gelang es damals, über die ungarische Grenze nach Österreich zu fliehen. „Der erste Stein, der aus der Mauer gefallen ist, stammte aus unserer Partnerstadt Sopron“, sagte Kiechle, „und das verbindet uns sehr.“
Unter dem Motto „200 Jahre Kampf für die ungarische Freiheit“ führte Dr. Attila Palancsa, Gast des Lions-Clubs Kempten Cambodunum und Dozent an der Soproner Universität, sein Publikum in die wechselvolle Historie Ungarns, angefangen mit der Revolution 1848. Ein wiederkehrendes Motiv in der ungarischen Geschichte sei der Kampf für die Freiheit und die Unabhängigkeit.
Als markanten Meilenstein zeichnete er den ungarischen Volksaufstand 1956 mit einem gewaltsamen Ende durch den Einmarsch der Sowjetarmee. Der Referent erinnerte aber auch an glanzvolle Zeiten wie die K.-u.-k-Monarchie mit Kaiser Franz Joseph I. und Sissi, der geliebten Königin der Ungarn.
Das sagt Generalkonsul Tordai-Lejkó über die Bedeutung der Städtepartnerschaften
Genau die monarchistischen Zeiten seien es, welche viele Ungarn auch heute noch ins Schwärmen geraten lassen, meinte Generalkonsul Tordai-Lejkó. Eine Sehnsucht nach der zurückliegenden sozialistischen Ära hingegen sieht er „ganz und gar nicht“. Dass der erste König Ungarns, Stephan, mit Gisela aus Bayern verheiratet war, habe schon damals die Verbindungen mit Deutschland starkgemacht. Städtepartnerschaften hält er für die guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern für sehr wichtig.
„Jede Regierung vertritt nationale Interessen“, sagte der Generalkonsul. „Die Brücken sind da – unabhängig von jeder politischen Eiszeit“, ergänzte die Studentin Réka Bátor, Gewinnerin des diesjährigen Essaywettbewerbs des Deutsch-Ungarischen Jugendwerks. Insbesondere auf der kommunalen Ebene funktioniere die deutsch-ungarische Freundschaft bestens.
Ungarn und Europa: Die Jugend geht voran
Hingegen sieht die Studentin, die in Deutschland als Tochter ungarischer Eltern geboren wurde, mit Blick auf Europa noch einigen Nachholbedarf. Doch das werde die junge Generation schaffen, zumal diese den Wert der Europäischen Union erkenne. Als gelungenes Beispiel hierfür nannte sie unter anderem das gut funktionierende Deutsch-Ungarische Jugendwerk.
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Sie kritisierte, dass die EU Erasmus-Gelder für ungarische Studierende eingefroren habe. Gesellschaftlich sei die Tendenz zur EU in Ungarn keine Frage, ergänzte Chefdirigent Péter Kóczán. In einer Umfrage hätten sich 80 Prozent der Bevölkerung dafür ausgesprochen. Die kommunale Ebene sei ein enorm wichtiger Beitrag für den pro-europäischen Kulturaustausch und müsse gepflegt werden.
Kóczán und Tristan Schulze, Dirigent des Vorabends, zeigten schließlich Beispiele politisch missbrauchter Musikstücke, angefangen bei Liszts „Les Préludes“.
Die nächste Matinee ist am 23. Februar im Stadttheater.
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