Mysteriöse Bluttat im Westerwald: Um 4 Uhr morgens hört der Notruf Schreie
Es ist ein Verbrechen, das einen Ort unter Schock stellt. Wer an diesem beinahe wolkenfreien Sonntag den Weg in das 2000-Einwohner-Dorf Weitefeld im Westerwald sucht, wird schon vor dem Ortseingang martialisch empfangen: Streifenwagen blockieren die Straße, mit Maschinengewehren bewaffnete Polizeibeamte hindern jeden Unbefugten an der Weiterfahrt.
Im Ort herrscht eine Ausgangssperre. Am blauen Himmel kreiste noch am Mittag ein Polizeihubschrauber. Denn die Einsatzkräften suchen seit Stunden nach einer flüchtigen Personen, hatten Anwohner sogar aufgefordert, im Haus zu bleiben.
Polizeiaktion startete nach dramatischem Anruf
Um 03.45 Uhr am Morgen war ein dramatischer Anruf von einer schreienden Person mit einem Hinweis auf ein Verbrechen in einem Wohnhaus im Ort eingegangen. Eine Streife fuhr sofort zu dem gelben Einfamilienhaus und bemerkte eine vermutlich männliche Person, die sich von dort entfernte. Im Inneren bot sich dann ein schreckliches Bild: Drei Leichen wurden gefunden, zwei Männer, eine Frau. Bei den Opfern handle es sich um einen 47 Jahre alten Mann, eine 44 Jahre alte Frau und deren 16-jährigen Sohn, teilte die Polizei am Abend mit.
In der Nähe der Opfer seien Kabelbinder gefunden worden, berichtete die "Bild"-Zeitung ebenfalls am Abend. Die Polizei geht davon aus, dass der oder die Flüchtige die drei Opfer getötet haben könnte – und sucht dementsprechend mit vielen Einsatzkräften.
Für den Ort ist die brutale Bluttat ein Schock. Er sei tief betroffen, sagte Ortsbürgermeister Karl-Heinz Keßler (68). "Das nimmt einen mit. Man kennt ja die Menschen hier im Ort. So eine Tat hätten wir uns nie vorstellen können". Die Polizei hatte den Ortsvorsteher schon um 5 Uhr morgens aus dem Bett geholt und ihn gebeten, die örtliche Schule aufzuschließen.

Die Bevölkerung des kleinen Örtchens wurde sofort am frühen Morgen aufgefordert, die Häuser nicht zu verlassen. Daran halten sie sich auch weitgehend – noch am Mittag ist fast keine Menschenseele auf der Straße. In der Gemeinde auf den Höhen des Westerwaldes sind an vielen Häusern wegen des starken Windes auch die Seitenwände mit Ziegeln verkleidet.
Die wenigen Menschen, die zu sehen sind, wirken verschlossen. Das gelb gestrichene Haus, in dem die Tat stattfand, steht an einer Kreuzung mitten in einem Wohngebiet. Im Ort gibt es einige kleinere Gewerbebetriebe – viel los ist in dem Dorf sonst nicht. Die einstigen Gaststätten haben geschlossen.
Im Haus wohnte eine Familie
"Es ist kaum zu glauben, es ist furchtbar und schrecklich", sagte ein 43 Jahre alter Dorfbewohner, der am Vormittag mit seinem Hund unterwegs war. Ein weiterer Nachbar, der offenbar noch nichts von der schrecklichen Tat mitbekommen hat, sagt, dass bisher darin eine Familie gewohnt habe. „Die Eltern werden so um die 40 Jahre alt sein, und es gibt einen Sohn, der etwa 10 Jahre alt ist“, sagt der Mann, und zieht sich wieder in sein Haus zurück. Viele Anwohner wurden schon früh durch den Polizeihubschrauber aufgeschreckt.
Helmut Stühn, parteiloser Bürgermeister der Verbandsgemeinde Daaden/Herborn und selbst Einwohner von Weitefeld, begleitet die Pressevertreter, die unter Aufsicht von Polizeibeamten in die Nähe des Tatorts geführt werden, und macht einen sehr betroffenen Eindruck. "Etwas Vergleichbares ist hier in der Region so lange ich mich erinnern kann nicht vorgekommen. Natürlich sind die Menschen dementsprechend schockiert. Die betroffene Familie kannte ich selbst nicht", schildert er.
Bluttat in einem schnöden Einfamilienhaus
Vom Tatort in der Gartenstraße sind es nur ein paar Schritte durch ein Neubaugebiet zum Ortsrand. Wiesen, Wälder und Hecken laden hier zum Spazieren und Wandern ein. Die Einfamilienhäuser wirken gepflegt, die Menschen zurückhaltend und schockiert. Das Haus, in dem sich das Drama abgespielt hat, sieht wie ein schnöder Nachkriegsbau aus. Es wirkt unscheinbar, zumindest der Außenbereich wurde länger nicht saniert. Im Garten steht ein Baum. Spielgeräte sind aus der Distanz zu erkennen.
Jürgen Fachinger, Pressesprecher der Polizeidirektion Koblenz, bestätigt am frühen Nachmittag, dass es sich bei den Opfern um die Bewohner des Hauses handelt. Im Hintergrund sind in weiße Overalls gekleidete Mitarbeiter der Spurensicherung zu sehen. Um 13.17 Uhr werden große schwarze Säcke mit den Leichen der Opfer aus dem Haus getragen und in einen Kleinbus geladen.
Die Folgen werden spürbar bleiben
Der Landrat des Kreises Altenkirchen, Dr. Peter Enders, wurde am frühen Morgen über die Tat informiert. Auch er ist erschüttert, in 65 Jahren im Kreis habe er von nichts Vergleichbarem erfahren. Ender hofft, dass die Tat schnell aufgeklärt werden kann, und bedankt sich bei den Einsatzkräften für die professionelle Arbeit.
Die Fahndung nach dem Täter oder der Täterin läuft indes weiter. Die Erfahrungen lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass es sich bei dem Täter oder der Täterin um eine Person aus dem Umfeld der Familie handelt, heißt es aus Ermittlerkreisen. Am Nachmittag werden die Zugangsbeschränkungen für das Dorf gelockert – die Folgen dieser Tat werden im Westerwald aber sicher noch lange zu spüren sein.