Schönheitsdruck durch Influencer: Warum echte Aufklärung wichtiger ist denn je
Immer mehr Prominente sprechen offen über ihre Schönheitsbehandlungen. Wie bewerten Sie diesen Trend?
Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn mit dem Thema Schönheitsbehandlungen offener umgegangen wird. Viele Patientinnen und Patienten fühlen sich dadurch enttabuisiert. Sie merken: Ich bin mit meinem Wunsch nach Veränderung nicht allein.
Die Offenheit kann helfen, realistischere Erwartungen zu entwickeln und sich frühzeitig über seriöse Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Entscheidend ist jedoch, dass diese Offenheit nicht als Werbung oder vereinfachte Darstellung missverstanden wird. Eine Schönheitsbehandlung ist ein medizinischer Eingriff und kein Lifestyle-Produkt.
Dr. Afschin Fatemi, Dermatologe und Leiter der S-thetic Klinikgruppe, ist Experte für Schönheitschirurgie. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Kritiker warnen, dass gerade junge Menschen durch solche Geständnisse beeinflusst werden könnten. Wie sehen Sie das?
Das ist ein berechtigter Punkt. Wenn Prominente ihre Eingriffe ganz selbstverständlich und häufig ohne jede Einordnung auf Social Media teilen, kann das bei jungen Menschen ein falsches Bild vermitteln.
Besonders in der Phase, in der sich das Selbstwertgefühl noch entwickelt, kann der Druck steigen, einem vermeintlich „perfekten“ Schönheitsideal entsprechen zu müssen – am besten sofort und mit möglichst wenig Aufwand. Dabei wird oft vergessen: Eingriffe wie Nasenkorrekturen, Lippenaufbau oder Brustvergrößerungen sind keine harmlosen Kleinigkeiten. Sie erfordern ärztliche Aufklärung, medizinische Indikation und einen realistischen Blick auf Chancen und Risiken.
Was ist bei der Entscheidung für einen Eingriff besonders wichtig?
Eine Schönheitsbehandlung sollte niemals spontan oder aus einem Gefühl der Unzufriedenheit heraus erfolgen, das möglicherweise gar nicht aus dem Körper, sondern aus dem Umfeld oder sozialen Medien gespeist wird.
Wichtig ist eine seriöse ärztliche Beratung – idealerweise mit etwas Abstand zur Entscheidung. Dabei wird geprüft, ob der Eingriff medizinisch vertretbar ist, welche Alternativen es gibt und ob die Erwartungen realistisch sind. Auch psychologische Aspekte spielen eine Rolle: Wer dauerhaft mit sich unzufrieden ist, sollte hinterfragen, ob der Eingriff wirklich die Lösung ist.
Gibt es Menschen, bei denen besondere Vorsicht geboten ist?
Ja. Besonders vorsichtig müssen wir bei sehr jungen Menschen sein, bei Patientinnen und Patienten mit psychischen Belastungen oder stark verzerrtem Körperbild – Stichwort Body Dysmorphic Disorder. Hier ist oft nicht der Körper das Problem, sondern die Wahrnehmung. In solchen Fällen lehne ich persönlich eine Behandlung ab oder empfehle eine begleitende psychologische Betreuung. Die Verantwortung liegt hier ganz klar bei uns Ärztinnen und Ärzten.
Welche Rolle spielt Aufklärung heute, gerade in Zeiten von TikTok, Instagram und Co.?
Eine sehr große. Aufklärung bedeutet nicht nur, Risiken und Abläufe eines Eingriffs zu erklären, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. In meiner Praxis nehme ich mir viel Zeit für die individuelle Beratung. Ich erkläre, was medizinisch machbar und sinnvoll ist – und was nicht. Wer mit dem Gedanken spielt, sich behandeln zu lassen, sollte sich bewusst machen: Der richtige Eingriff zur richtigen Zeit, bei der richtigen Indikation – das ist seriöse ästhetische Medizin. Nicht jeder Wunsch kann umgesetzt werden, und ein manchen Fällen ist vielleicht sogar der Verzicht die bessere Entscheidung.