Er fällt Bäume, um das Klima zu schonen: Förster verfolgt paradoxen Plan

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Geretsried-Wolfratshausen
  4. Icking

Kommentare

Am Baumstumpf sprechen (v. li.) Florian Loher, Geschäfsführer der Wolfratshauser Waldbesitzervereinigung, Förster Robert Nörr und Forstwirt-Anwärter Malte Gietz über Fällungen und junge Bäume. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Förster Robert Nörr fällt Bäume für die Umwelt. Manche sehen darin einen Widerspruch. Bei einem Rundgang durch den Wald erklärt der Förster den Ansatz.

Icking – Der Regen prasselt und überdeckt jedes Geräusch. Sogar das Brummen des Autos von Revierförster Robert Nörr, der vormittags in Richtung des Ickinger Ortsteils Walchstadt fährt. „Über Niederschlag schimpfe ich nicht. Wir sind über jeden Tropfen dankbar“, sagt der Forstwirt und lacht beim Blick durch den Scheibenwischer. An einem umzäunten Waldstück steigen er und Forstwirt Florian Loher von der Wolfratshauser Waldbesitzervereinigung aus. Breite, fast weiß leuchtende Baumstümpfe zwischen den immergrünen Fichten und dem braunen Laub der Buchen fallen auf. Die Spuren der jüngsten Fällung von vor vier Wochen sind noch frisch – Sägespäne umringen die jetzt leeren Stellen im Wald.

Bäume fällen für die Umwelt? Förster verfolgt paradoxen Klima-Plan

Die Baumstümpfe sind dem Förster wichtig. Robert Nörr hat bei Icking für das Klima Bäume gefällt. „Es klingt paradox, ich weiß“, gesteht der Wolfratshauser. Die Pflanzen übernehmen nämlich eigentlich eine klimaschützende Funktion. Das Holz der Bäume speichert Kohlenstoffdioxid (CO2). Einfache Formel: Je mehr Bäume, desto weniger Schadstoffe in der Atmosphäre. Trotzdem hat Nörr seit 2010 etwa ein Drittel der Bäume aus dem 4000 Quadratmeter großen Areal entnommen. Viele Waldbesitzer würden nur darauf hoffen, dass die Bäume noch älter werden, wachsen und weiter CO2 binden. „Den Wald stillegen“, nennt Nörr das. Der Revierförster verfolgt eine ganz andere Strategie.

Bäume fällen für das Klima: Sie ersetzen Öl, Gas oder Beton

Er lässt aus zwei Gründen alte Bäume schlagen: Nach dem Fällen können mit Bauholz und Pellets CO2-intensive Rohstoffe wie sie Beton und Öl oder Gas ersetzt werden. Und der Baum-Nachwuchs nutzt den freien Platz: Junge Pflanzen wachsen nur, wenn sie Licht bekommen – und binden dabei Kohlenstoff. „Es nutzt der Umwelt doppelt“, sagt Nörr.

Auch das Leben von Bäumen sei endlich. Zum Ende ihres Daseins werden sie anfälliger für Krankheiten, Unwetter und Schädlinge. Das Ergebnis sehe man an einem Waldstück nebenan. „Der Borkenkäfer hat ein Loch in die Baumreihen gefressen.“ Daneben stehen 30 Meter hohe, aber nur oberschenkeldicke Fichten, die „womöglich den nächsten Sturm nicht überstehen“, schätzt Loher.

Tonnenweise CO2 gespeichert: Wald ist gut fürs Klima

Die Bäume im Teilstück des Ickinger Gemeindewalds hatten 2010 in Summe noch 156 Kubikmeter Holz. Seither wurde fast ein Drittel gefällt – der Bestand auf 102 Kubikmeter reduziert. Nörr hat mit Tannen-Setzlingen aufgeforstet. Innerhalb der 14 Jahre „hat die Baumjugend vier Kubikmeter pro Jahr an Holz zugelegt“, erklärt Nörr. Der Wald beherbergt also inzwischen mehr Holz als zuvor – insgesamt 158 Kubik – obwohl viel gefällt wurde. Ein Kubikmeter Holz bindet etwa 1,8 Tonnen CO2 – und zwar nicht nur wenn er steht, sondern auch dann, wenn er gefällt wurde.

Bäume retten das Klima - wenn man sie fällt, erklärt Revierförster

Nörrs Rechnung geht weiter. Die gefällten Bäume werden zum Beispiel als Baustoff eingesetzt. So sind sie eine Alternative zu den wenig umweltfreundlichen Baustoffen wie Beton. Oder die Bäume dienen als Energieträger und machen Gas oder Öl überflüssig. Das spart noch mehr Kohlenstoffdioxid – und erhöht die Schadstoff-Ersparnis im Walchstadter Waldstück auf über 290 Tonnen CO2. „So viel wie 81 Flüge von München nach New York verbrauchen“, sagt Nörr.

(Unser Wolfratshausen-Geretsried-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.)

Wie Waldbesitzer Loher meint, wissen noch zu wenige der rund 5000 Waldbesitzer im Landkreis von dieser Modellrechnung. Darum starteten die Forstwirte eine Aufklärungskampagne. „Wir versuchen mit Maschinen, Arbeit, Fachwissen und Schulungen, zu mobilisieren.“ Viel Wald sei sich in Privatbesitz. Loher: „Viele wissen vom Klimawandel, haben ihren Wald aber vergessen.“

Mehr News finden Sie in unserer brandneuen Merkur.de-App, jetzt im verbesserten Design mit mehr Personalisierungs-Funktionen. Direkt zum Download, mehr Informationen gibt es hier. Sie nutzen begeistert WhatsApp? Auch dort hält Sie Merkur.de ab sofort über einen neuen Whatsapp-Kanal auf dem Laufenden. Hier geht‘s direkt zum Kanal.

Auch interessant

Kommentare