Ampel-Wende in letzter Minute: CSU warnt vor „Sicherheitsrisiko“ – und einer „Vollkatastrophe“

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Das Selbstbestimmungsgesetz soll Transsexuellen das Leben erleichtern. Doch in letzter Sekunde fällt ein Passus – die Union warnt bei IPPEN.MEDIA vor Missbrauch.

Berlin – Schon am Freitag (12. April) will die Ampel-Koalition im Bundestag das neue Selbstbestimmungsgesetz beschließen. Im Kern soll die Reform transsexuellen Menschen ermöglichen, ohne entwürdigende psychiatrische Gutachten und hohe Kosten ihren amtlichen Geschlechtseintrag und Namen ändern zu lassen. Doch ausgerechnet eine Änderung in letzter Minute schürt nun massive Sorgen bei CDU und CSU: Denn neue Geschlechtseinträge und Namen sollen – anders als im Referentenentwurf aus dem Haus von Justizminister Marco Buschmann (FDP) vorgesehen – nicht mehr automatisch an die Sicherheitsbehörden übermittelt werden.

„Das ist natürlich ein Sicherheitsrisiko“, warnt Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) nun im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Dem Missbrauch der Regelung durch Kriminelle sei Tür und Tor geöffnet. „Wer die Identität bewusst wechseln will, um unterzutauchen oder Ähnliches, hat hier beste Möglichkeiten.“ Das gelte sowohl für Ausreiseversuche Krimineller, als auch etwa für Schuldner oder Betrüger. Abhilfe schaffen will die Ampel offenbar über einen Entschließungsantrag zum Namensrecht, der IPPEN.MEDIA vorliegt – dessen Inhalt aber vorerst nicht Bestandteil einer ebenfalls am Freitag zu beschließenden Reform des Namensrechts ist.

CSU warnt vor Fehler im Selbstbestimmungsgesetz: „Selbst wenn gefahndet wird, bekommt das keiner mit“

Zuständig für die Änderung der amtlichen Einträge seien nach der Reform die Standesämter, erklärte Lindholz. Dort sollen die Betroffenen ihr Anliegen – mit drei Monaten Vorlauf – erklären. Damit gebe es keinen Hürden für Änderungen mehr. Die Standesbeamten hätten aber weder die Kapazitäten, noch die Ausbildung, um im Zweifelsfall „Sicherheitsaspekte einzuschätzen oder gar ein Gericht anzurufen“ – und mangels einer zentralen „ID“ im deutschen Meldewesen bleibe die Änderung für andere Stellen schwer nachvollziehbar.

Unions-Fraktionsvize Andrea Lindholz kritisiert das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel scharf.
Unions-Fraktionsvize Andrea Lindholz kritisiert das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel scharf. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

„Selbst wenn nach der Person gefahndet wird, kriegt die Namens- und Geschlechtseintragsänderung niemand aktiv mit“, warnte Lindholz. „Das hat die Ampel auch selbst gesehen, denn der Gesetzentwurf enthielt entsprechende Übermittlungsvorschriften. Diese wurden jetzt aber sehenden Auges aus dem Gesetz gestrichen.“

Die veränderte Lage könne „wahnsinnig viel Verwirrung stiften“. Das gelte beispielsweise auch für die Option, unter wechselnden Namen Kredite aufzunehmen. Nach den Plänen der Ampel-Koalition sollen die Einträge zu Geschlecht und Name jeweils mit einer Sperrfrist von einem Jahr wieder geändert werden können.

Lindholz räumte zugleich ein, der ursprüngliche Plan, die Daten automatisiert an die Sicherheitsbehörden zu übermitteln, gehe „zu Lasten der wirklich Transsexuellen“. Dieses Problem habe die Ampel aber selbst geschaffen, indem sie „jedem jederzeit voraussetzungslos die Möglichkeit einräumt seine Identität zu wechseln.“ Andere Länder ruderten mittlerweile schon wieder zurück, sagte die CSU-Politikerin.

Ampel-Selbstbestimmungsgesetz ohne passendes „Paket“: „Handwerklich schlecht gestrickt“

Hintergrund der eiligen Änderungen sind nach Informationen von IPPEN.MEDIA unter anderem verfassungsrechtliche Bedenken der Koalition bei der automatischen Übermittlung der Daten an Sicherheitsbehörden. Zugleich will die Koalition offenbar eine mit anderen Namensänderungsvorgängen einheitliche Regelung schaffen.

An das Selbstbestimmungsgesetz soll nun im Bundestag ein Entschließungsantrag angedockt werden, der eine andere Lösung auf den Weg bringt. Bis Jahresende soll die Regierung einen Entwurf zum Namensrecht vorlegen, fordern die Fraktionen von SPD, Grüne und FDP darin. Dieser müsse auch „staatlichen Ordnungsinteressen in Bezug auf Namensänderungen Rechnung tragen“.

Lindholz rügte den Vorgang. Die Koalitionsfraktionen sähen zwar „Ordnungsinteressen des Staates“ – und forderten nun die Bundesregierung auf, beim Namensrecht nachzuschärfen, um die Regelung „nicht im Gesetz zu haben“. „Wenn man wirklich gewollt hättte, dann wäre es ein Leichtes gewesen, ein Paket zu schnüren“, sagte Lindholz angesichts der Abstimmungen zu beiden Gesetzen am Freitag. „Aber daran sieht man eben, dass das Gesetz handwerklich schlecht gestrickt ist.“

Selbstbestimmungsgesetz: Lindholz d‘accord mit Plänen für Erwachsene – „für Kinder eine Vollkatastrophe“

Die CSU-Politikerin betonte zugleich, bestimmte Kernbestandteile des Gesetzes seien für sie unproblematisch – etwa die Abschaffung von externen Gutachten im Prozess der Änderung der Geschlechts- und Namenseinträge. „Bei Erwachsenen habe ich damit gar kein Problem, dass sie sich nur noch zwei, drei Mal beraten lassen müssen.“ Auch der Psychotherapeutentag hatte sich für eine entsprechende Änderung ausgesprochen. Verbände kritisierten das bisherige Verfahren als demütigend.

Die Regelungen des Selbstbestimmungsgesetzes für Kinder seien hingegen „eine Vollkatastrophe“, rügte Lindholz. Eine minderjährige Person habe nach den Plänen zu erklären, dass sie beraten worden sei – Nachweise seien nicht gefordert. „Ich meine, gerade für Kinder, die so vielen Einflüssen ausgesetzt sind, ist der Schutzmechanismus überhaupt nicht mehr ausreichend.“ Das gelte gerade mit Blick auf mögliche und potenziell schädliche Medikamentengaben.

Lindholz übte auch sehr grundsätzliche Kritik an der Gesellschaftspolitik der Ampel – etwa mit Blick auf Pläne zum Abstammungsrecht, Abtreibungen oder Buschmanns geplanter „Verantwortungsgemeinschaft“. „Was die Ampel-Parteien eint, ist der Glaube, dass man hier vermeintlich moderne Regelungen beschließt. Im Grunde genommen ist das aber ein Umbau unserer Gesellschaftsstrukturen und des Wertefundaments“, warnte Lindholz: „Hier boxt man Dinge innerhalb kürzester Zeit durch und rüttelt an Fundamenten, die unsere Gesellschaft im Prinzip befriedet und zusammengehalten haben. Für eine kleine Minderheit wird das Rechtssystem zu Lasten aller auf den Kopf gestellt.“ (fn)

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