Bürgerversammlung mit Rekordbeteiligung: Karlsfelder verzweifeln am Grundwasser
Zwischen Kritik, Resignation und Tatendrang: 350 Interessierte kamen am Montagabend zur Bürgerversammlung ins Karlsfelder Bürgerhaus. Wichtigstes Thema war das Hochwasser im vergangenen Juni und dessen für viele Karlsfelder furchtbaren Folgen.
Karlsfeld – So voll wie am Montagabend war das Bürgerhaus Karlsfeld bei einer Bürgerversammlung in den vergangenen Jahren nie. Bei Weitem nicht. Etwa 350 Karlsfelder folgten der Einladung des Bürgermeisters. Die Gemeinde habe mit einem solchen Andrang gerechnet, wie eine Pressesprecherin sagte. Extra Stühle mussten am Ende trotzdem noch herbei gekarrt werden, damit alle einen Sitzplatz hatten. Der Grund, warum heuer das Interesse der Karlsfelder Einwohner so groß war, hatte mit einem Thema auf der Tagesordnung zu tun, das seit Anfang des Jahres, aber vor allem seit der Starkregenkatastrophe im Juni vielen Karlsfeldern Sorgen bereitet: vollgelaufene Keller, Schimmel, finanzielle Schäden in fünfstelligem Bereich. Das Grundwasser steht vielen bis zum Hals.
„Die Gemeinde kann den Stöpsel nicht ziehen, der Grundwasser absenkt“, versuchte der Leiter der Gemeindewerke Martin Eberle den Zuhörerinnen und Zuhörern klarzumachen. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Andreas Heilmann klärte er über das Kanalsystem in Karlsfeld auf, das, wie berichtet, keinen Regenwasserkanal, sondern nur einen Schmutzwasserkanal hat. Und dieser ist laut den Gemeindewerken seit Mitte September ununterbrochen überbelastet. Ebenso wie die Pumpstation in der Rothschwaige. Fast mantraartig bläuten die beiden Experten den Anwesenden ein, das Niederschlagswasser auf dem eigenen Grundstück versickern zu lassen und nicht vom Keller auf die Straße zu pumpen oder in Gully zu leiten.
Bürgermeister Stefan Kolbe betonte, die Gemeinde könne keine Pauschallösungen bieten. Vielmehr liege es in der Verantwortung der Hauseigentümer, sich zu kümmern: „Eigentum verpflichtet.“ Wichtig sei, das Gebäude entsprechend auszurüsten und den Rückstau mittels einer Hebeanlage zu sichern, wie Heilmann von den Gemeindewerken empfahl. „Das A und O ist, die Sickerschächte regelmäßig zu reinigen und zu warten“ und Gebäude abzudichten.
„Es nutzt nichts, wenn empfohlen wird, das Wasser auf dem Grundstück zu versickern und einen Teich zu bilden. Das Wasser, das man da versickert, kann man im Keller wieder begrüßen“, stellte Hans-Jürgen Reichelmeier fest. Die Gemeinde müsse sich etwas einfallen lassen! Bürgermeister Stefan Kolbe entgegnete besänftigend, ihm seien die Diskussionen und Sichtweisen der Bürger wichtig. Es gehe darum, gemeinsam Lösungen zu finden. Welche ließ er allerdings offen.
Rudolf Peschke fragte, wo das Wasser denn versickern solle. In der Neuen Mitte etwa, die früher eine große Wiese war, sei alles zugepflastert. Für ihn steht die Gemeinde in der Verantwortung, schließlich habe sie und das Landratsamt die Versiegelung genehmigt. Wie Bauamtsleiter Günter Endres erklärte, werde das Thema Niederschlagswasser bei aktuellen Bebauungsplanverfahren geprüft. Bei Bauanträgen werde das Thema von den Gemeindewerken seit zwei Jahren „sehr hoch angesetzt“. Weiter riet er, Stellplätze wasserdurchlässiger anzulegen.
Ich habe noch einen Meter Luft, dann läuft mir das Wasser ins Wohnzimmer.
Wie sich die Verlegung der Heizungsrohre des Heizkraftwerks auf den Grundwasserpegel auswirke, wollte Gerhard Grote wissen. Gemeindewerksleiter Eberle erklärte, das Fernwärmeleitungssystem habe keinen Einfluss auf das Störverhalten von Grundwasser, große Baukörper hingegen schon. Grote fragte außerdem, wie sich der Bau von Tiefgaragen auf den Grundwasserrückstau auf Nachbargebäude auswirke. Ob es da Werte gebe? Das werde nicht kontrolliert, räumte Kolbe ein. Grundwasserspeichermöglichkeiten wie in der Stadt München gibt es in Karlsfeld nicht.
„Ich habe noch einen Meter Luft, dann läuft mir das Wasser ins Wohnzimmer“, merkte Xaver Polster an, der sich dafür interessierte, warum der Grundwasserspiegel nicht mehr falle. An dieser Stelle schaltete sich Bündnis-Gemeinderat Adrian Heim ein. Wie er erklärte, hänge dies mit dem Pegel des Starnberger Sees zusammen, der wiederum an der Niederschlagsmenge hänge, die heuer doppelt so hoch sei wie in einem Durchschnittsjahr.
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Norbert Honold schlug vor, die alten Entwässerungsgräben freizuräumen und „uns nicht daran zu erfreuen, dass da Biotope entstehen“. Der Bauhof werde sich die Gräbenverbindungen ansehen, antwortete Kolbe.
Auch Erika Seidenspinner forderte die Gemeinde auf, Abflussgräben zu ertüchtigen. Dazu stellte sie sogar einen Antrag. Darin ging es auch darum, gemeinsam mit dem Wasserwirtschaftsamt Ursachen für das hohe Grundwasser zu erforschen, keine Tiefgaragen im Grundwasserbereich zuzulassen oder einen Antrag für eine gesetzliche Handhabe beim Wasserwirtschaftsamt zu treffen sowie beim Bebauungsplan des Anna-Quartiers die Folgen des Tiefgaragenbaus auf den Grundwasserstrom der Umgebung zu untersuchen. Mit großer Mehrheit beschloss die Bürgerversammlung, dass der Antrag weiterbehandelt werden soll.
Michael Fritsch, Klimaschutzreferent der Gemeinde, gab zu bedenken, dass ein Verbot von Tiefgaragen ein tiefer Eingriff in die Eigentumswerte darstellen. Eine Lösung sieht der Grünen-Fraktionsvorsitzende darin allerdings nicht. „Wer heute verspricht, durch das Ausheben eines Grabens oder sonst irgendwelchen Maßnahmen das Problem zu lösen, hat die Zusammenhänge nicht verstanden.“ Das Stauwasser kann ihm zufolge nicht beseitigt werden. „Es fehlt uns das technische Mittel, das Problem nachhaltig zu lösen“, sagte er resigniert. Es bliebe den Karlsfeldern nichts anderes übrig, als damit zu leben. „Das ist der Klimawandel. Sie würden von der Gemeinde auch nicht erwarten, einen Schutz gegen Hagelkörner zu bekommen.“
Bürgermeister Stefan Kolbe bemühte sich um Optimismus. Es wird voraussichtlich zu Beginn des kommenden Jahres einen Hochwasser-Check in Karlsfeld geben, teilte er mit. Die Gemeinde werde ein Gutachterbüro hinzuziehen und versuchen, die Datenlage zu schärfen. „Wir werden uns mit dem Thema intensiv beschäftigen müssen und nach einer Möglichkeit für eine alternative Entwässerung suchen, dafür brauche ich aber Geld und die Unterstützung vom Staat.“ Was Kolbe an diesem Abend unausgesprochen ließ: Von beidem gibt es in Karlsfeld zu wenig.
Konkrete Fragen zur eigenen Grundwasser-Situation können Bürgerinnen und Bürger per E-Mail an die Gemeindewerke unter Fremdwasser@karlsfeld.de stellen.