Papier in Dachauer Schule nur noch im Schaukasten

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Rauch im Schulhaus: Dieses Übungsszenario soll nicht Wirklichkeit werden. © Johannes Dziemballa

Im Dachauer Familien- und Sozialausschuss ging es um die Frage: Wie viel Papier verträgt ein Schulhausflur? Die Antwort liefert der Brandschutz.

Den Stadträten im Familien- und Sozialausschuss war bis vergangenen Mittwoch nicht bekannt, in welcher Gefahr die Mittelschüler von Dachau-Süd in den vergangenen Jahren geschwebt sind. Die Kinder und Jugendlichen bewegten sich nämlich durch Flure, an denen Poster hingen, bunte Bilder, Fotos. Für die einen mag das hübsch gewesen sein. Für die Autoren des Artikels 3, Absatz 1 der Bayerischen Bauordnung aber war dieser Zustand eine potenzielle Todesfalle.

Papier ist gefährlich, weil es Feuer fangen kann

In genanntem Abschnitt der Bauordnung heißt es nämlich: „Bei der Anordnung, Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung, Instandhaltung und Beseitigung von Anlagen sind die Belange der Baukultur, insbesondere die anerkannten Regeln der Baukunst, so zu berücksichtigen, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden.“

Das Papier an den Gängen der Mittelschule Dachau-Süd gefährdet demnach das Leben der Kinder, da es Feuer fangen kann. Die Stadt musste daher Tausende Euro investieren, um die Schule mit Glasschaukästen auszustatten. Schließlich, so der zuständige Amtsleiter im Rathaus Markus Haberl, „sollen die Gänge ja auch weiterhin so gestaltet sein, dass die Schüler sie schön finden“. Zuvor hatte CSU-Schulreferentin Katja Graßl gefragt, wieso im Haushalt für die Schulausstattung der Mittelschule Dachau-Süd plötzlich 46 000 Euro eingestellt wurden?

Die Räte nahmen Haberls Erklärung kopfschüttelnd zur Kenntnis. Nur wenige Tage vorher hatte Oberbürgermeister Florian Hartmann, als es um die über 6 Millionen Euro teure Brandschutzsanierung der Kulturschranne ging (wir berichteten), deutsche Feuerschutz-Vorschriften kritisiert. Die Gesellschaft, so der OB müsste sich fragen: „Ist das alles notwendig? Ist absolute Sicherheit gewünscht?“

Unterschiedliche Regeln in der Bauordnung

Wenn es nach Hartmanns Bauamtsleiter Moritz Reinhold geht, ist die Antwort einfach: Ja. Wobei es in der Bauordnung durchaus verschiedene „Regelungen für Bauteile wie Wände, Decken, Dächer oder für Rettungswege über Flure, Treppen, etc. gibt sowie Regelungen für die technische Gebäudeausrüstung wie Leitungen, Lüftungs-, Aufzugs-, Blitzschutz- oder Feuerungsanlagen“.

Alle diese Regelungen, so Reinhold, seien je nach der Art und Nutzung des Gebäudes unterschiedlich streng, was häufig dazu führe, „dass manche sich darüber wundern, dass der Bau einer Schule oder eines Kindergartens vergleichsweise, also zum Beispiel bezogen auf die Grundfläche, deutlich teurer ist als das eigene Einfamilienhaus“. Für den Stadtbaumeister ist dies aber „nachvollziehbar, da beim Brand solcher Gebäude deutlich mehr Menschenleben und höhere Sachwerte gefährdet sind“.

Für Schulen, klärt der Fachmann weiter auf, gibt es eine von der Bauministerkonferenz abgestimmte „Richtlinie“. Doch dies heiße nicht, dass nun alle Schulen der Großen Kreisstadt brennbare Aushänge in Vitrinen verbannen müssten. Entscheidend für die „Gefahrenlage“ sei die Architektur. In einer sogenannten Flurschule wie Dachau-Süd liegen die Klassenräume unmittelbar am zur Flucht notwendigen Flur. In modernen Schulen wie Augustenfeld oder im künftigen Neubau in Dachau-Ost dagegen seien die Klassen in Lernhäusern, also abgeschlossenen Nutzungseinheiten, die laut Reinhold mit Rauchmeldern überwacht werden, angeordnet. „Aus den Lernhäusern gelangt man über zwei unabhängige Rettungswege über die Treppen innerhalb des Lernhauses ins Freie“, so Reinhold.

Gebrannt hat es noch nie

Während Schulamtsleiter Haberl sich hütet, die geltenden Vorschriften zu kritisieren – „Ich bin nur das letzte Glied in der Kette, ich muss das umsetzen“ – möchte der Bauamtsleiter nicht von unnützen oder übertriebenen Regeln sprechen. Er betont stattdessen: „Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, das gesellschaftlich vertretbare Schutzniveau zu definieren. Es ist Aufgabe der Behörden, die Gesetze mit Augenmaß anzuwenden.“ Doch zumindest ein wenig scheint er den OB und dessen Wunsch nach mehr Fehlertoleranz der Gesellschaft verstehen zu können. Schließlich, so Reinhold, sei es schon auch Aufgabe der Gebäudenutzer, „ihre Ansprüche zu überdenken“.

Immerhin eine Frage im komplizierten Themenkomplex Brandschutz lässt sich leicht beantworten: Wie oft hat es an der Mittelschule Dachau-Süd in den vergangenen Jahren gebrannt? Nie. Da die Schulflure nun mit Glaskästen ausgerüstet sind, dürfte dies Gott sei Dank auch so bleiben.

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