Das Ende einer Ära: Traditionsgeschäft in Kochel schließt nach 136 Jahren

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Vor 136 Jahren gründete der Urgroßvater von Brigitte Wörndl (re., im Bild mit ihrem Mann René Wörndl) eine Schneiderei in Kochel. Daraus entstand das heutige Modegeschäft. © Arndt Pröhl

Ein Traditionsunternehmen schließt im Sommer in Kochel seine Pforten: Die Firmengeschichte von „Mayer‘s Moden“ geht bis 1889 zurück. Inhaberin Brigitte Wörndl (63) geht nun in den Ruhestand.

Kochel am See - Seit vielen Jahren war „Mayer‘s Moden“ an der Mittenwalder Straße im Kochler Ortskern ein Blickfang. Es war das letzte von drei Bekleidungsgeschäften, die es in früheren Jahren in der Gemeinde gab. „Mayer‘s Moden“ hat eine lange Geschichte. Schneidermeister Anton Mayer, der Urgroßvater von Brigitte Wörndl, hatte das Geschäft 1889 gegründet, und zwar in seinem Wohnhaus am Herzogstandweg. Mayer starb allerdings schon einige Jahre später, und seine Witwe Therese musste den Laden viele Jahre über Wasser halten, bis Sohn Johann 1913 das Geschäft ebenfalls als Schneidermeister übernehmen konnte. Die beiden Weltkriege durchkreuzten seine Lebenspläne, es waren unruhige Jahrzehnte, teilweise war die Schneiderei geschlossen. Erst als dessen Sohn Anton Mayer das Geschäft übernahm, kehrten ab 1959 wieder ruhige Zeiten ein.

Weil allein die Schneiderei für den Lebensunterhalt nicht ausreichte, baute Mayer den Laden aus und bot auch Mode an, zuerst eine Herrenkonfektion, später kam auch Damenmode hinzu. Der Vater von Brigitte Wörndl starb vor fünf Jahren im Alter von 90 Jahren. „Er war noch bis zum Schluss im Laden und machte kleinere Reparaturen“, erinnert sie sich beim Blick auf eine alte, robuste Nähmaschine, die noch heute im Büro steht.

Viele Stammkunden

Wörndl hat den Laden 1996 übernommen, mit Unterstützung von ihrem Mann René. Die 63-Jährige ist eigentlich gelernte chemisch-technische Assistentin. „Doch in dem Geschäft hier bin ich aufgewachsen“, erinnert sie sich warmherzig. Dass es bis heute neben Damen- und Herrensachen, Tag- und Nachtwäsche, Wanderbekleidung und -schuhen auch Kurzwaren und Wolle gibt, sei noch ein Relikt aus der Zeit der Schneiderei.

Näharbeiten für Traditionsverein

Nach dem Krieg befand sich das Geschäft am Bahnhofsplatz, später zog es an den Schmied-von-Kochel-Platz, dann vor rund 15 Jahren an den jetzigen Standort. Zahlreiche Einheimische fanden bei „Mayer‘s Moden“ das, was sie suchten. „Insbesondere Menschen, die nicht gerne anprobieren oder Kleidung kaufen, waren bei uns gut aufgehoben, denn mit einem geschulten Blick und viel Wissen über die Vorlieben fand meine Mutter für jeden schnell das passende Outfit“, erinnert sich Tochter Olivia Wörndl. Die Beratungen hätten ihr immer großen Spaß gemacht, erzählt Brigitte Wörndl. „Ohne unsere treuen Stammkunden würde es uns schon lange nicht mehr geben.“

Wörndl hat in dem Familienbetrieb viel erlebt. Sie kann sich erinnern, Hochzeiten gerettet zu haben, wenn zum Beispiel noch eine Hose gebraucht wurde oder ein Kleidungsstück in die Reinigung musste. „Manches habe ich selbst schnell dorthin gefahren.“ Und die traditionellen Jacken, die die Kochler Gebirgsschützen tragen, stammen zu einem Großteil noch aus der väterlichen Schneiderei.

Wandel im Geschäftsleben kam schleichend

Der Wandel im Geschäftsleben kam schleichend, erzählt sie. Was dem Betrieb bereits zu schaffen machte, war die Schließung der Verdi-Bildungsstätte. „Das waren immer sehr gute Kundinnen und Kunden“, erinnert sich Wörndl. Jahrelang hoffte sie auf das geplante Hotel – es gibt es bis heute nicht. Heutzutage kaufen immer mehr Menschen auch ihre Kleidung online. In jüngster Zeit war vor allem von Touristen Wanderbekleidung gefragt, doch es sei zu wenig, um damit langfristig über die Runden zu kommen. Wörndl täglich von morgens bis abends selbst im Laden, von Montag bis Samstagmittag, unterstützt lediglich stundenweise von einer Mini-Jobberin. Sonntags fährt sie regelmäßig auf Messen, denn die Vertreter der Branche kommen schon lange nicht mehr aufs Land.

Schwieriges Winterhalbjahr

Besonders im Winterhalbjahr sei der Ladenverkauf trist, sagt Wörndl. „Das war in Kochel schon immer eine staade Zeit, aber in den letzten Jahren wirklich tote Hose.“ Sie bedauert, dass „dem Gemeinderat offensichtlich nichts an der Infrastruktur im Dorf liegt. Da muss man doch was machen“. Wenn die Generation zwischen 25 und 45 Jahren nicht mehr im Ort einkaufe, „dann stirbt bald das Geschäftsleben in ganz Kochel aus“, prophezeit sie.

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Seit dem 2. Mai ist bei „Mayer‘s Moden“ nun Räumungsverkauf. „Uns werden nicht nur die Kunden vermissen, sondern auch Senioren, die sich hinsetzen wollen, weil im Winterhalbjahr hier keine Rastbänke mehr stehen“, sagt Wörndl mit Blick auf die vielen älteren Einheimischen. Trotzdem: Die 63-Jährige freut sich auf mehr gemeinsame Zeit mit ihrem Mann René (65): Sie wollen Reisen machen, bergsteigen und den Garten genießen.

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