„Manche Eltern schrecken vor nichts zurück“ – Familienanwältin über Block-Prozess
„Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt“ – das nehmen einige Eltern auch als Leitsatz, wenn sie erbittert um das Sorgerecht oder Umgangsrecht kämpfen. Jedes Jahr verhandeln deutsche Familiengerichte rund 200.000 solcher Fälle.
Der Fall Block gehörte zu den bekanntesten. Beide Seiten fuhren schwere Geschütze auf und kämpften mit harten Bandagen. Am Freitag geht der Streit vor dem Strafgericht weiter. Das Wohl der Kinder? Offenbar aus dem Blick geraten. Ein Einzelfall? Sicher nicht.
Der Fall Block: Die Kinder leiden immer
Nicht jeder familiengerichtliche Fall gerät derart in die Öffentlichkeit wie der Fall Block, doch oftmals wird nicht minder hart um die Kinder gestritten. Manchmal ist das notwendig, manchmal dient es aber auch nur der Befriedigung des Machthungers eines Elternteils.
Wer aber immer leidet sind die Kinder, die in einen Strudel aus Befragungen, Loyalitätskonflikten und emotionalen Belastungen geraten. Jeder will ein Stück vom Kind haben, jeder zieht am Nachwuchs und beansprucht ihn für sich. Das ist nicht immer so, aber Alltag in hochkonflikthaften Elternauseinandersetzungen.
Das Kind steht zwischen den Eltern
Erbitterte Gerichtsverfahren um Sorgerecht oder Umgang setzen Kinder stark unter Druck. Sie bedeuten Stress – oft bis an die Grenze des Erträglichen. Nicht selten geraten die Kinder dabei in einen Loyalitätskonflikt.
Der Nachwuchs steht zwischen den Eltern, soll sich für einen Elternteil entscheiden. Wie aber soll das möglich sein, wenn das Kind beide Elternteile liebt? Wie kann das Kind mit der Angst umgehen, einen Elternteil zu verlieren?
In ihrer Not – und als Höhepunkt des Loyalitätskonflikts – wenden sich Kinder manchmal einem Elternteil zu und vom anderen ab. Doch nicht jede solche Entscheidung bedeutet automatisch einen Loyalitätskonflikt.
Über die Gastautorin
Jennifer Nadolny ist promovierte Rechtsanwältin für Familienrecht, Strafrecht und Medizinrecht und unter anderem spezialisiert auf hochkonflikthafte Elternstreitigkeiten und Gutachten. In ihrer Tätigkeit als Anwältin hat sie schon in mehr als 3000 Verfahren vor dem Familiengericht Mütter und Väter vertreten. Gerade erschienen ist ihr neues Buch „Tatort Familiengericht - wie Kinder unter Gerichtsbeschlüssen, behördlichen Missständen und rechtswidrigen Gutachten leiden“.
Beziehung zu einem Elternteil leidet
Schlechte Erfahrungen, mangelndes Vertrauen oder das Fehlen einer stabilen Bindung und Beziehung können ebenfalls dahinterstecken. Ist die Ursache allerdings ein Loyalitätskonflikt, handelt es sich um eine psychische Bewältigungsstrategie, um mit dem unglaublichen Druck umgehen zu können.
Gerichtsverfahren verschlechtern oft das Verhältnis zu einem Elternteil. Studien zeigen: Werden Kinder zum Umgang gezwungen, obwohl sie ihn ablehnen, brechen viele als Erwachsene den Kontakt zum jeweiligen Elternteil ab. Wird ihr Wille übergangen, drohen schwere psychische Folgen und ein Verlust der Selbstbestimmung.
Kind gerät in eine Verfahrensmaschinerie
Die meisten Gerichtsverfahren sind für Kinder eine enorme psychische Belastung. Wird ein Verfahren nicht von Amts wegen auf Grund einer Kindeswohlgefährdung eingeleitet, gibt meist ein Elternteil mit seinem Antrag den Anstoß.
Das Kind gerät in die Verfahrensmaschinerie, ob es will oder nicht. Es liegt aber nicht nur an den Eltern, dass derartige Verfahren zu einer Herausforderung für den Nachwuchs werden. Nicht kindgerechte Befragungen, fehlende Fachkompetenz und fragwürdige Begutachtungen stellen einen weiteren großen Belastungsfaktor dar.
Eine Studie ergab, dass jedes zweite Kind mit teils erheblichen psychischen Belastungen aus einem familiengerichtlichen Verfahren herausgeht. Das sollte zu denken geben, sowohl den Eltern als auch den übrigen Verfahrensbeteiligten.

Schwelbrand kann zum verheerenden Feuer werden
Schafft ein Elternteil Fakten – etwa durch das unberechtigte Einbehalten der Kinder – eskaliert der Konflikt. So geschehen beim Vater der Block-Kinder, der sie nach einem Besuch entgegen des Umgangsbeschlusses nicht zur Mutter nach Deutschland zurückbrachte.
Ein gekränktes Ego, alte Paarkonflikte, Bindungsintoleranz und narzisstische Persönlichkeitsstrukturen sind Katalysatoren, die aus einem Schwelbrand ein verheerendes Feuer werden lassen. Das Kind: mittendrin.
Löschmaßnahmen wie Elternberatung oder Erziehungskurse sind dann nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Gutachter soll es richten und die Lösung präsentieren, dabei ist es der Richter, der die lebensweisende Entscheidung zu treffen hat.
Manche Kindeseltern schrecken vor nichts zurück
Je mehr Institutionen und Fachkräfte mit der Sache betraut sind, desto größer wird meist der Brand und aus einem kleinen Feuer entsteht ein Flächenbrand, der jedes noch so zarte Pflänzchen einer gemeinsamen Elternschaft zum Wohle des Kindes verödet.
Es gibt einige Kindeseltern, die vor nichts mehr zurückschrecken und sich regelrecht auf dem Kriegspfad befinden. Sie haben keinen Blick mehr für das Wohlergehen des Kindes.
Da wird versucht, die Kinder zu manipulieren und für sich einzunehmen, da werden Geschenke für die Kinder gekauft, bis die Kreditkarte glüht, Streithelfer gesucht, die bezeugen können, was für eine Gefahr doch der andere Elternteil darstellt, mit emotionalen Tricks gearbeitet und dem Kind verdeutlicht, wie traurig doch Papa oder Mama ist, wenn es nicht da ist.
Ich habe schon vieles erlebt
In meiner Praxis als Familienrechtsanwältin habe ich schon fast alles erlebt. Da gab es die Kindesmutter, die mittels NLP-Techniken (Neuro-Linguistisches Programmieren, Anm. d. Red.) versuchte, den Nachwuchs zu beeinflussen. Und da gab es den Kindesvater, der in Kuscheltieren Wanzen versteckte und das Telefon der Kindesmutter abhörte.
Was das alles mit den Kindern macht und welche Traumata dadurch entstehen, die bis in das Erwachsenenalter hineinreichen, sehen viele nicht. Es gibt Fälle, in denen es das Kindeswohl gebietet, mit allen rechtlichen Mitteln dafür zu kämpfen, dass das Kind seinen zukünftigen Aufenthalt bei Mutter oder Vater pflegt. Es gibt aber auch Fälle, bei denen der Kampf ums Kind selbst zu einer Kindeswohlgefährdung wird.