Retter der kaputten Lieblingsstücke: Tüftler kümmern sich um defekte Sachen - „Gewisser Ehrgeiz treibt uns an“
Es ist entschieden: Das Recht auf Reparatur wird kommen. In Wolfratshausen tüfteln jetzt schon Ehrenamtliche im „Reparatur und Kaffee“ an kaputten Gegenständen. Ein Werkstattbesuch.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Herbert Stoppe steht vor einer Werkbank, mit einer Taschenlampe leuchtet er in eine elektrische Kaffeemühle hinein. „Ob das noch zu reparieren ist?“, überlegt er laut. Gegenüber dreht Wolfgang Oberjatzas Schrauben in einen Rasenmäher. „Da unten kommen sie rein, oder?“ Fragend blickt der Waldramer zu Franz Lebitsch, der das Gerät festhält.
„Reparatur und Kaffee“ in Wolfratshausen: Ehrenamtliche wollen defekte Gegenstände retten
Der Wolfratshauser nickt. Jeden Donnerstag treffen sich eine Handvoll Ehrenamtliche am Obermarkt 20 zum sogenannten „Reparatur und Kaffee“, einem Angebot der „Bürger für Bürger“-Nachbarschaftshilfe. Zu den Öffnungszeiten können Bürger defekte Gegenstände vorbeibringen. Die Männer versuchen sie zu reparieren.
„Ich bringe Nachschub“ sagt Erwin Brauckmann und betritt die Werkstatt, in der Hand einen Teller voller Waffeln. „Nicht umsonst heißen wir Reparatur und Kaffee“, sagt er augenzwinkernd. Das kürzlich beschlossene Reparaturgesetz bewerten die Tüftler eher skeptisch. Das EU-Parlament hatte entschieden, dass Verbraucher künftig ein Recht auf Reparatur haben.
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Darunter fallen Haushaltsgeräte wie Staubsauger, Spülmaschinen, Kühlschränke, aber auch Smartphones. Konkret bedeutet das auch: Hersteller müssen in Zukunft ausreichend Ersatzteile bereithalten und unabhängigen Werkstätten Reparaturen erleichtern.
„An sich ist die Idee gut“, sagt Brauckmann. „Wichtig wäre aber, dass die Firmen genügend bezahlbare Ersatzteile zur Verfügung stellen.“ Genau diese zu beschaffen, stellt die Tüftler oft vor große Herausforderungen. Ein Grund ist die billige Massenproduktion vieler Gegenstände im Ausland. Nicht selten würde der Preis für Ersatzteile über dem Verkaufspreis des Geräts liegen. „Dann lohnt keine Reparatur“, bedauert Stoppe.
Recht auf Reparatur soll kommen - „An sich ist die Idee gut“
Genau solch’ einen Fall erlebt Oberjatzas gerade in Nebenzimmer. Er sitzt vor einem PC und informiert sich über einen abgegebenen Haarschneider. Sein Rechercheergebnis: Das in China produzierte Produkt kostet knapp acht Euro. „Der Preis für die Ersatzbatterie liegt bei 12,99 Euro“, sagt er. Nun liegt es am Besitzer, zu entscheiden, ob ihm die Reparatur diesen Preis wert ist. Denn die Ersatzteile müssen die Eigentümer bezahlen. Eine Reparatur erfolgt auf Spendenbasis.
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In dem Raum stapeln sich Plattenspieler, Kassettenrekorder. Kaffeemaschinen und ein orangener Spielzeugkran. Alle warten auf passende Ersatzteile. Ulrich Panick kommt dazu und schaut seinem Kollegen über die Schulter. Gemeinsam mit Braukmann rief der Wolfratshauser 2018 „Reparatur und Kaffee“ ins Leben. „Ursprünglich wollten wir Hilfe zur Selbsthilfe anbieten“, erzählt Panick. „Aber es kamen kaum Nachfragen.“ Während Corona entstand das Angebot zur Abgabe. Letztendlich setzte sich dieses System durch.
An diesem Tag haben bisher etwa fünf Leute Gegenstände vorbeigebracht. Oft sind es lieb gewonnenen Dinge, die die Fachleute versuchen vor der Mülltonne zu retten. In den vergangenen Jahren gelang ihnen das laut Panick rund 1500 Mal. Neulich konnten sie das alte Lieblingsradio einer Frau reparieren.
Uns treibt schon ein gewisser Ehrgeiz an, das was abgegeben wird, wieder hinzubekommen.
„Die war total dankbar. Solche Momente bleiben im Gedächtnis.“ Drüben in der Werkstatt ist der 69-jährige Stoppe inzwischen mit der Kaffeemühle durch. „Leider kann ich da nichts mehr machen. Der Motor ist kaputt“, sagt der gelernte Radio- und Fernsehtechniker zu Besitzer Mohamed Mosli, der wartend daneben steht. Dieser zuckt die Schultern. „Schade, aber danke fürs Nachschauen.“
Etwas mehr Erfolg hatten die Ehrenamtlichen beim Rasenmäher. Er steht abholbereit in der Ecke. „Der war nur falsch zusammengebaut“, erklärt der ehemalige Elektrotechniker Lebitsch. „Uns treibt schon ein gewisser Ehrgeiz an, das was abgegeben wird, wieder hinzubekommen“, ergänzt Brauckmann aus dem Hintergrund und grinst. Diesen Ehrgeiz können die Männer an diesem Tag hoffentlich noch öfters beweisen. kof
Infos im Internet
www.bfb-wor.de
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