Neuer Plan von Pistorius für die Bundeswehr: Wie verweigert man den Wehrdienst?
Verteidigungsminister Pistorius bringt den Wehrdienst zurück: Wer dafür infrage kommt, wie man ihn verweigern kann und was im Kriegsfall geschieht.
Berlin – Seitdem 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, ruhte sie und war auf den Spannungs- und Verteidigungsfall beschränkt, jedoch niemals abgeschafft. SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius will den Kriegsdienst nun wieder einführen, wenn auch in abgeänderter Form in Anlehnung an das Wehrdienst-Modell von Schweden. Nach wie vor soll niemand zum Dienst an der Waffe in der Bundeswehr gezwungen werden. Wie verweigert man aber den Wehrdienst, welche Folgen gibt es und wer ist gar nicht wehrdienstfähig?
Pistorius möchte den Wehrdienst reaktivieren, weil Deutschland ihm zufolge erneut „die Fähigkeit erwerben“ müsse, „einen Krieg aushalten zu können, ihn kämpfen zu können, wenn er uns aufgezwungen wird“ – kurz: kriegstüchtig werden. Deswegen brauche man mehr Kräfte, um eine wirksame Abschreckung zu gewährleisten. Der SPIEGEL berichtete, dass vertrauliche Papiere des Verteidigungsministeriums den zusätzlichen Bedarf aufgrund aktueller Nato-Verteidigungspläne auf „weitere 75.000 Soldatinnen und Soldaten“ beziffern. Pistorius selbst sprach von 200.000 zusätzlichen Reservistinnen und Reservisten, die nötig seien.

Konzept für die Bundeswehr: Handelt es sich beim neuen Wehrdienst um eine Pflicht für alle?
Der Verteidigungsminister nennt sein neues Nachwuchs-Konzept für die Bundeswehr einen „Auswahl-Wehrdienst“. Alle jungen Männer und Frauen eines Jahrgangs sollen ab 2025 einen Fragebogen zur Erfassung von Wehrfähigen von der Bundeswehr zugesandt bekommen. Nur für die Männer ist es aber verpflichtend, ihn auszufüllen und darin Angaben zu ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zu einem Wehrdienst zu machen. Hierbei handelt es sich bisher um das einzige, sichere Pflichtelement des neuen Wehrdiensts. Auf der Grundlage ihrer Angaben werden die Interessenten dann von der Bundeswehr zur Musterung eingeladen.
Alle vorgestellten Pläne müssen vor ihrem Inkrafttreten noch in Gesetzesform gegossen werden. Im Zuge dessen wird zwischen den Ampelparteien zu klären sein, ob es auch Pflicht wird, einer Einladung zur Musterung zu folgen, nachdem der Pflichtfragebogen ausgefüllt worden ist. Schon jetzt nannte Pistorius als Sanktion für die Pflichtteile des Systems Bußgelder, ohne präzise zu werden. Von jährlich etwa 400.000 Kandidaten wolle man laut dem Verteidigungsminister ohnehin nur „die Besten und die Motiviertesten“ für die Musterung auswählen. Am Ende sollten 5000 Interessierte mindestens für eine sechsmonatige Grundausbildung eingezogen werden, denn mehr erlauben die Kapazitäten der Bundeswehr derzeit nicht.
Wer den Pflichtfragebogen ausfüllt, aber angibt, dass er nicht dazu bereit ist, Wehrdienst zu leisten, dürfte also aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht gemustert werden. Schwere Gesundheitsstörungen, deren Besserung nicht zu erwarten ist und die vorher bekannt sind oder bei der Musterung festgestellt werden, sind ebenfalls Ausschlussgründe. Neben Krankheiten wie Asthma, Diabetes oder Depressionen kann etwa starkes Über- oder Untergewicht Kandidaten disqualifizieren. Sie sind dann ebenso wie ungediente Frauen von jeglicher Wehrpflicht befreit.
Alle können den Wehrdienst unter Berufung auf das Grundgesetz verweigern
Genau wie bis 2011, als die Wehrpflicht noch aktiv war, verleiht das Grundgesetz auch heute das Recht, den Dienst an der Waffe von vorneherein aus Gewissensgründen zu verweigern. Dort steht nämlich in Artikel 4 Absatz 3: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“
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Alle männlichen Staatsbürger, die gemäß dem Wehrpflichtgesetz zum Kriegsdienst herangezogen werden könnten, dürfen ebenso wie aktive Soldatinnen und Soldaten sowie Reservistinnen und Reservisten einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen. Die rechtlichen Grundlagen für dieses Antragsverfahren sind im Gesetz über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (KDVG) und im Soldatengesetz (SG) niedergelegt.
Antrag auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen bei Bundeswehr einreichen
Der Antrag muss schriftlich beim zuständigen Karrierecenter der Bundeswehr eingereicht werden, das den Eingang bestätigt und die Unterlagen an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) weiterleitet. Das BAFzA gehört zum Bundesfamilienministerium und ist für die Entscheidung über den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zuständig.
Antragsteller müssen sich in dem Dokument auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Artikels 4 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes berufen. Es wird verlangt, dass sie einen vollständigen tabellarischen Lebenslauf und eine ausführliche persönliche Begründung für die Gewissensentscheidung beifügen oder innerhalb eines Monats beim BAFzA nachreichen.
Kriegsdienstverweigerung zieht keine Strafe nach sich
Egal ob der Antrag auf Kriegsdienstverweigerung erfolgreich ist oder nicht, es entstehen der Person, die ihn gestellt hat, keinerlei Nachteile daraus und sie muss keine Strafen fürchten. Ist er vollständig und hält das BAFzA die darin vorgebrachten Beweggründe für valide, bleibt nichts weiter zu tun.
Zweifelt das Amt an der Wahrheit der Angaben, hat die antragstellende Person die Möglichkeit, sich innerhalb eines Monats schriftlich und danach auch im Rahmen einer Anhörung mündlich dazu zu äußern. Sollte der Antrag dann wirklich abgelehnt werden, kann immer noch Widerspruch eingelegt und ultimativ vor den zuständigen Verwaltungsgerichtshof gezogen werden.
Wehrdienst-Verweigerer werden selbst im Kriegsfall nicht eingezogen
Wird Deutschland angegriffen, dann kann der Bundestag mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit einen Spannungs- oder Verteidigungsfall erklären. In diesem Fall träte automatisch die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht wieder in Kraft. Damit einher ginge die Anhebung des Maximalalters der Wehrpflichtigen von üblicherweise 45 Jahren auf 60.
Es könnten nun also alle Männer, die zwischen 18 und 60 Jahre alt sind, eingezogen werden – wenn sie nicht den Kriegsdienst verweigert haben oder dies im Moment der Einberufung tun. Zunächst wird die Bundeswehr allerdings wahrscheinlich auf ihre etwa 900.000 wehrrechtlich verfügbaren Reservisten zurückgreifen. (Michael Kister)