Betroffene aus Hohenbrunn appelliert: „Brustkrebs betrifft jeden“
Nach dem Sieg über ihre eigenen Brustkrebserkrankung gründete Renate Haidinger 2002 in Hohenbrunn den Verein „Brustkrebs Deutschland“. Heute leistet sie wichtige Aufklärungsarbeit.
Hohenbrunn – Nach dem Sieg über ihre eigenen Brustkrebserkrankung gründete Renate Haidinger 2002 in Hohenbrunn den Verein „Brustkrebs Deutschland“. Das Hauptziel sind Prävention und Früherkennung. Daneben bereitet die Medizinjournalistin Erkenntnisse verständlich auf ihrer Internetseite auf. Die 65-Jährige ist Mitglied in Medizinverbänden und arbeitet mit Firmen zusammen. Mit ihren sechs Festangestellten und fünf Ehrenamtlichen ist sie bundesweit Anlaufstelle für Betroffene. Im Beirat sitzen darüber hinaus 41 Ärzte, die Patienten in der Telefonsprechstunde beraten.
Wie haben Sie es geschafft, ein so riesiges Netzwerk aufzubauen?
Viel gearbeitet (lacht). Meine Kommunikationsstärke hat mir geholfen. Ich habe mich bei Verbänden angemeldet und bin auf Kongresse gefahren. Dort bin ich einfach auf die Leute zugegangen. Heute sitzen in unserem Ärztebeirat hochrangige Spezialisten, die uns ehrenamtlich helfen. Im Gegenzug halte ich Vorträge. Mit den Firmen war es anfangs schwieriger. Alle haben abgeblockt, weil sie mit dem Thema Brustkrebs nichts zu tun haben wollten. Erst als Sängerin Anastasia 2003 ihre Diagnose Brustkrebs veröffentlichte, hat das Türen aufgestoßen. Plötzlich haben die Firmen erkannt, wie wichtig Prävention und Früherkennung ist.
Wie läuft so eine Zusammenarbeit ab?
Beim Modeversandhaus Bonprix ist vor acht Jahren einer der Chefs auf mich zugekommen. Nach einem Tag Ideensammlung ist die Frage entstanden: „Brustkrebs soll dich kratzen?“ Wir haben in jeden BH ein Büchlein eingenäht mit Infos zu Brustkrebs und wie man die Brust selbst abtastet. Seitdem starten jährliche Kampagnen. Damit sensibilisieren wir nicht nur Frauen. Brustkrebs betrifft jeden. Auch Männer können Brustkrebs bekommen und ab einem bestimmten Alter kennt fast jeder jemanden mit Brustkrebs. Wir haben jedes Jahr fast 70 000 Neuerkrankungen in Deutschland. Bei vielen wächst aus Betroffenheit die Motivation, etwas zu tun. Momentan haben wir drei Leihfirmen, die pink lackierte Bagger vermieten. Pro Vermietung erhalten wir einen Anteil.
Wieviele Betroffene suchen bei Ihnen Rat?
Wir beraten 8000 Frauen pro Jahr. Sie rufen an oder schicken uns ihre Befunde. Wir erklären, warum Ärzte eine Therapie empfehlen oder informieren über Nebenwirkungen. Selbst Kräuter können einen massiven Einfluss darauf haben, wie ein Medikament wirkt. Die Ärzte aus dem Beirat sind für die komplexeren Fragen zuständig. Angefangen haben wir mit einer monatlichen Telefonsprechstunde. Jetzt beraten die Ärzte wöchentlich eineinhalb Stunden, und auch da stoßen wir an Grenzen. Bald wollen wir zusätzlich Spezialsprechstunden anbieten.
Wie oft sind Sie selbst heute noch mit Ihrer Krankheit konfrontiert?
Meine news
Meine Krankheit kommt auch nach 23 Jahren immer wieder hoch. Mir ist bewusst, dass ich wieder einen Rückfall haben könnte. Ich bin immer noch Krebspatientin. Es gibt keine Heilungsgarantie, aber über die Jahre sinkt die Wahrscheinlichkeit. Wenn mir schwindlig ist, kommt kurz die Panik. Inzwischen habe ich gelernt, ein paar Tage zu warten und nicht gleich zur Kontrolle zu gehen.
Warum scheuen sich viele Frauen vor der Vorsorge?
Es ist die Angst davor, dass etwas gefunden wird. Das geht so weit, dass manche Frauen schon länger etwas spüren, aber aus Angst vor der Diagnose gehen sie nicht zum Arzt. Nach dem Motto, wenn ich nichts tue, dann passiert auch nichts. Je früher ein Brustkrebs erkannt und behandelt wird, desto größer sind auch die Überlebenschancen. Jede Frau sollte sich monatlich die Brust abtasten. Am besten unter der Dusche mit Seife. So lernt jede Frau ihren Körper kennen. Wenn dann ein Verdacht aufkommt, sollte die Frau zum Arzt gehen.
Was halten Sie von der Vorsorgeleistung?
Frauen mit familiär oder genetischer Vorbelastung erhalten spezielle Früherkennungsmaßnahmen. Ultraschall, MRT und Mammographie. Natürlich wäre es schön, wenn die jährliche Vorsorge bei allen Frauen gleich wäre. Aber häufig fehlt es an einer gesicherten Qualität oder Ärzte arbeiten mit veralteten Geräten. Eigentlich müsste es Früherkennung heißen. Vorsorge ist ein gesunder Lebensstil.
Eine Ihrer erfolgreichsten Aktionen war die Perückensammlung.
Das stimmt. Es überschwappt uns. Wir bewerben es gar nicht mehr, weil wir so viele Perücken bekommen. Die Frauen möchten nach Ende der Chemotherapie ihre Perücke loswerden und geben sie uns, um anderen Patienten zu helfen. Ehrenamtliche schicken die Perücken in Länder, in denen die Kopfbedeckung keine Kassenleistung ist. Ich war bei der ersten Übergabe in Athen dabei. Als die Patienten die Perücken entdeckt haben, sind wir alle in Tränen ausgebrochen. Es mag so nebensächlich klingen, aber wenn die Haare mit der Chemo weg sind, macht das die Krankheit offensichtlich.
Welchen Fokus verfolgt ihr Verein gerade?
Der Fokus bleibt bei der Früherkrankung. Aber unser Verein wird auch an den neuen Therapien dranbleiben. Es gibt immer mehr Medikamente für die verschiedenen Brutkrebsarten. Das richtige Medikament kann nach einer OP das Rückfallrisiko senken. Es gibt einen Test, um das herauszufinden. In Deutschland findet er noch nicht ausreichend statt.
Wir wird sich die Krankheit weiterentwickeln?
Schon heute leben Frauen dank der richtigen Therapie länger mit Krebs. Ich bin überzeugt, dass in zehn Jahren Brustkrebs eine chronische Erkrankung sein wird.
Brustkrebsinfotag am 6. März
Am Mittwoch, 6. März, veranstalten „Brustkrebs Deutschland“ und das LMU-Brustzentrum einen Informationsnachmittag im Klinikum Großhadern. Von 13.30 bis 17.30 Uhr informieren Referenten zu Standards und Neuentwicklungen in der Diagnostik und Therapie bis zur Nachsorge von Brustkrebs. Weitere Informationen unter www.brustkrebsinfotag.de.