Mit einem Satz entblößt Wirtschaftsweise Grimm Klingbeils Arroganz bei der Rente

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) in sechs Worten eine Lektion zum Thema parlamentarische Demokratie erteilt. „Entscheidet nicht das Parlament über Gesetze?“ fragte die Ökonomie-Professorin auf der Plattform „X“.

Ökonomin erteilt Klingbeil Lektion in Parlamentarischer Demokratie 

Was wie eine harmlose Frage klingt, war in Wirklichkeit eine schallende Ohrfeige. Denn Grimms Einlassung bezog sich auf das Statement des SPD-Co-Vorsitzenden zum Rentenstreit: „Am Gesetz wird nichts mehr geändert“, hatte der verkündet.

Nun kann ein Kabinett noch so schöne Gesetzesvorlagen beschließen, wie Schwarz-Rot das beim Rentenpaket getan hat. Doch solange das Parlament nicht zugestimmt hat, folgt daraus nichts.

Renten-Revolte: Droht der Koalition die knappe Niederlage im Bundestag? 

Ob Vizekanzler Klingbeil mit seinem Machtwort dem Bundeskanzler helfen wollte? Friedrich Merz steht jedenfalls unter erheblichem Druck aus der eigenen Fraktion. Jüngere Abgeordnete haben nämlich eine Rentenrevolte angezettelt.

Mindestens 18 Abgeordnete der „Jungen Gruppe“ haben angekündigt, im Bundestag mit Nein zu stimmen. Da Schwarz-Rot nur über eine knappe Mehrheit von 12 Stimmen verfügt, bedeuteten 18 Nein-Stimmen das Aus für das Rentenpaket – und möglicherweise auch für diese Koalition.

Frau Grimm kennt offenbar, was Klingbeil bei seinem Statement wohl verdrängt hat: das „Strucksche Gesetz“. Es lautet: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es eingebracht wurde.

Das Strucksche Gesetz und die Macht der Abgeordneten

Peter Struck († 2012) war in der ersten GroKo unter Angela Merkel (CDU) Vorsitzender der SPD-Fraktion. Er legte größten Wert darauf, nicht einfach abzunicken, was das GroKo-Kabinett beschlossen hatte. Zusammen mit Volker Kauder, dem Chef der CDU/CSU-Fraktion, einigte er sich öfters auf Änderungen an den Regierungsvorlagen.

Man darf vermuten, dass Klingbeil davon schon gehört hat. Schließlich war er damals Generalsekretär der SPD. Auch würde er, wenn er nicht dem Kabinett angehörte, sich als Abgeordneter dagegen verwahren, die Rechte des Parlaments an die Regierung abzutreten.

Parteien - Trauer um SPD-Politiker Peter Struck
Der frühere Verteidigungsminister und SPD-Politiker Peter Struck. dpa / Archiv

Eigentlich müsste Klingbeil als Zuständiger für eine leere Staatskasse hoffen, dass das Rentenpaket scheitert. Denn die Vorlage von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sieht Mehraufwendungen von fast 120 Milliarden Euro zwischen 2032 und 2040 vor.

Der Grund: Bas und die SPD wollen das Rentenniveau bei 48 Prozent eines Durchschnittseinkommens bis 2040 festschreiben. Laut Koalitionsvertrag sollen die 48 Prozent nur bis 2031 gelten. Anschließend würde diese Haltelinie auf 47 Prozent fallen.

Merz in der Kritik: Eisiges Schweigen auf dem Deutschlandtag

In Berlin wird gerätselt, warum Merz und die Minister der Union dem im Kabinett zugestimmt haben. Hatten sie nicht aufgepasst? Oder wollte Merz Streit mit der SPD vermeiden?

Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union verteidigte der Bundeskanzler seine Zustimmung mit einem verqueren Argument: Die Verabschiedung des Rentenpakets bedeute nicht das Ende der Rentendiskussion, sondern gehe dann weiter.

Der CDU-Nachwuchs konnte und wollte dem nicht zustimmen. Das ließen sie ihr einstiges Idol Merz auch spüren. Seine Einlassungen zur Rente stießen auf eisiges Schweigen.

Showdown um die Rente: Zwei Szenarien für die Koalition

In der CDU steht nun der große Renten-Showdown bevor. Merz und der Fraktionschef Jens Spahn werden versuchen, die Renten-Rebellen zur Räson zu bringen.

Falls das nicht gelingt, gibt es zwei Möglichkeiten: Das Gesetz wird im Parlament abgelehnt und die Koalition in den Grundfesten erschüttert. Oder das Rentenpaket wird aufgeschnürt und von CDU/CSU und SPD im Bundestag gemeinsam neu gepackt.

Gut möglich, dass also das Strucksche Gesetz wieder einmal angewandt wird. Und Vizekanzler Klingbeil dabei lernt, dass in einer parlamentarischen Demokratie nicht Machtworte von Ministern ausschlaggebend sind, sondern die Abgeordneten das letzte Wort haben.