Classix – Das Kemptener Kammermusikfestival mit Tradition und neuer Handschrift
Bach und Scarlatti in einem Konzert vereint! Dieses ebenso seltene wie aufschlussreiche Vergnügen hatte das Publikum in einem aufregenden Konzert am Sonntag im Stadttheater bei Classix Kempten.
Kempten – Aufschlussreich, weil beide Komponisten, obwohl im gleichen Jahr im achtzehnten Jahrhundert geboren in ihrem musikalischen Ausdruck so unterschiedlich auf die heutigen Zuhörerinnen und Zuhörer wirken, dass man von gänzlich unterschiedlichen Klangwelten sprechen möchte.
Und doch spannen beide Komponisten von zwei entgegengesetzten Seiten ein musikalisches Dach auf, unter dem sich so große Namen wie Händel, Vivaldi oder Purcell tummeln. Scarlattis individualistische Modernität äußert sich in vielen noten- und spieltechnischen Eigenheiten, die in der Barockmusik nicht üblich waren, und die erst in späteren Zeiten ins musikalisch-technische Ausdrucksrepertoire Aufnahme fanden.
Das Internationale Kammermusikfestival Classix Kempten: Bach und Scarlatti am Ersten Konzertabend
Bach hingegen war ein Genie des Kontrapunkts, also der typisch barocken Methode, musikalische Linien so kunstvoll übereinander zu legen, dass zu jedem Zeitpunkt die Überlagerung musikalischen Sinn und Klang ergibt. Indem Bach diese kontrapunktische Methode bis zu seinem Tod immer weiter verfeinerte, geriet er im Ansehen seiner Kunst bei seinen Zeitgenossen immer mehr ins Hintertreffen und wurde schließlich als altmodisch abgetan. Mittlerweile wissen wir, seine Kunst ist nicht altmodisch, sondern tiefschürfend und zeitlos modern.
Um dies einem heutigen Publikum nahezubringen, braucht es Musikerinnen und Musiker, die solche Musik nicht nur spielen können, sondern sie auch verstehen. Und dafür war Claire Huangci, die in Frankfurt lebende, amerikanische Pianistin mit chinesischen Wurzeln genau die Richtige. Bereits im Einführungsgespräch erahnte man bei ihrem kleinen Appetitmacher am bereitstehenden Flügel, welche Fähigkeiten in ihr stecken.
Claire Huangci zeigt ihr ganzes Können
Im folgenden Konzert gab sie dann bei acht von ihr zusammengestellten Sonaten Scarlattis ihre ganze Kunst: volle Dynamik der zehn Finger, feinste Abstufungen zwischen rechter und linker Hand und perlende, virtuose Läufe nicht nur in der rechten Hand, sondern in der linken über drei Oktaven.
Bei den Cembalo/Klavierkonzerten Bachs fand sie genau das richtige Gleichgewicht, um nicht zu stark, aber immer präsent ihre Solostimme aus dem Chor der ebenfalls hervorragenden Mitmusiker herauszuheben. Mitreißend, wie bei allen der gemeinsame, barocke Pulsschlag die Noten mit Leben füllte.
Nachdem der bisherige künstlerische Leiter des Festivals Benjamin Schmid in den fünf Jahren seiner Leitung Klassik mit hörenswerten und spannenden Ausflügen in den Jazz verbunden hatte, setzt der neue Leiter Andreas Fleck wieder auf rein klassisches Repertoire.
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Die neue Saite der Kammermusik
Dass man einer Rückbesinnung auf Kammermusik, für die dieses Festival steht, durchaus neue Seiten abgewinnen kann, zeigte sich in diesem Konzert besonders in den Bearbeitungen von Bachs Werken. Bei den Cembalokonzerten wurden die Orchesterstimmen auf eine einstimmige Kammerbesetzung reduziert, oder es wurde ein Solostück im Original auf vier Instrumente verteilt.
Vor allem mit der Oboe als ganz neuer Melodieklangfarbe entstand so in der Bearbeitung von Wolfgang Renz aus dem bekannten Italienischen Konzert ein spannendes Stück Kammermusik. (Auch Puristen wissen, dass Bach seine eigenen Stücke zum Teil mehrmals in neue Stücke mit neuen Besetzungen umgegossen hat, deswegen mag dies durchaus legitim sein).
CHAARTS in Kempten
Alle Musikerinnen und Musiker des Abends wurden aus einem 2010 in der Schweiz gegründeten Musiker-Zusammenschluss mit Namen „CHAARTS“ (für Chamber Artists) ausgewählt, dem auch Andreas Fleck angehört. Sie sind in vielen eigenen Projekten tätig, finden aber auch immer wieder innerhalb dieses Netzwerks in diversen Formationen zusammen.
Dabei sind sie so versiert und erfahren, dass sie jederzeit aus dem Gruppenzusammenspiel in die Rolle eines Solisten schlüpfen können, so wie es bei diesem Konzert mit der Bearbeitung von Bachs Violinkonzert in a-Moll für Kammerensemble passiert ist. David Castro-Balbi an der Violine, der sich zuvor und danach in den Kreis seiner Mitmusiker einordnete, meisterte glänzend den Solopart des bekannten Bachwerkes und wurde von seinen Kolleginnen und Kollegen kongenial begleitet.
Das Konzert endete mit einem begeistert applaudierenden Auditorium, das nach den Schlussworten von Andreas Fleck mangels weiterer eingeübter Stücke die Zugabe in den weiteren Konzerten des Classix Festivals finden solle.
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.
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