Bürgerversammlung in Waakirchen: Geschlossene Front gegen Asyl-Halle

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So voll besetzt war die Turnhalle bei einer Bürgerversammlung noch nie. Bürgermeister Norbert Kerkel (am Pult) stellte das Schaftlacher Modell vor. © Stefan Schweihofer

Noch nie hat eine Bürgerversammlung in Waakirchen größeren Zulauf gefunden. Es ging um die Nutzung einer Lagerhalle in Marienstein als Unterkunft für 150 Flüchtlinge. Auch der Gemeinderat lehnt das ab – und hält mit dem Schaftlacher Modell dagegen. Es wurde nun öffentlich vorgestellt.

Waakirchen –Für gewöhnlich reicht der Parkplatz vor der Turnhalle auch bei einer Bürgerversammlung gut aus. Diesmal musste die Feuerwehr den Verkehr regeln, ausnahmsweise wurde auch der Radweg als Stellplatz genutzt. Vor der Halle hatten sich zwei kleine Demo-Grüppchen postiert. Die einen kamen aus Bairawies, wo eine Groß-Unterkunft in Containern geplant ist, die anderen aus dem Umfeld der Bürgerproteste. Ihre Transparente ergänzten die Groß-Banner der jüngst gegründeten Waakirchen-Mariensteiner Bürgerinitiative „Miteinander für unser Dahoam“. Darauf ist zu lesen: „Wir schaffen das nicht.“ Die Initiative hat die Transparente mit dem Segen von Bürgermeister Norbert Kerkel im ganzen Gemeindegebiet aufgestellt. Auch die Versammlung selbst kam auf Drängen der Initiative zustande. Ihre Sprecherin Nina Hoffmann dankte Kerkel vor großem Publikum für die „wunderbare Zusammenarbeit“. Mit vereinten Kräften treten Initiative und Gemeinde der Absicht des Landratsamts entgegen, die Halle des Unternehmers Franz Haslberger in Marienstein als Unterkunft für 150 Geflüchtete zu nutzen.

Protest vor Bürgerversammlung Waakirchen
Vor der Halle hatten sich Protestler aus der Umgebung versammelt. In die Halle durften nur Gemeindebürger. © STEFAN SCHWEIHOFER

Den entsprechenden Bauantrag hat das Landratsamt zweimal eingereicht und wieder zurückgezogen, zuletzt kurz vor der schon anberaumten Bürgerversammlung (wir berichteten). Die bereits auf Flyer gedruckte Tagesordnung hatte sich damit erübrigt. Geplant war eine öffentliche Gemeinderatssitzung mit Abstimmung über den Bauantrag für die Asylhalle, anschließend eine Fragerunde für die Bürger. Nachdem der Bauantrag laut Landratsamt aber nur zurückgezogen wurde, um ihn rechtlich wasserdicht zu machen und dann erneut einzureichen, sagte Kerkel die Versammlung nicht ab. Die Vertreter des Landratsamtes folgten der Einladung dorthin aber nicht. Es sei noch zu früh für konkrete Aussagen, teilten sie mit.

Gut 400 Zuhörer in der Halle

Den Bürgern jedoch brennt das Thema schon jetzt gewaltig auf den Nägeln. Gut 400 Zuhörer drängten sich in der Turnhalle, viele stehend. Zu Konflikten kam es nicht – man war sich in der Ablehnung der Asylhalle einig. Fast der gesamte Gemeinderat und auch Vertreter der Gemeindeverwaltung hatten sich vor dem Publikum aufgereiht, Bürgermeister Kerkel stand am Pult in der Mitte. Geschlossen legten die Gemeindevertreter ihre Position dar: Die Mariensteiner Halle sei als Unterkunft wegen ihrer Lage abseits jeder Infrastruktur, an einem dunklen, eisigen Standort und nah an einem kleinen Dorf denkbar ungeeignet.

Schaftlacher Modell als Alternative

Der Aufforderung des Landkreises, eine Alternative anzubieten, sei die Gemeinde nachgekommen, berichtete Kerkel: mit dem Schaftlacher Modell. Es handelt sich um die Weiterentwicklung eines bereits 2016 umgesetzten Konzepts. Damals hatten die Waakirchner sich gegen einen Containerstandort in Schaftlach gewehrt und stattdessen zwei Gemeindehäuser in der Nähe des Schaftlacher Friedhofs errichtet. Zehn Jahre lang sind die Wohnungen zur Unterbringung von Geflüchteten vermietet, danach sollen sie an Einheimische mit kleinem Einkommen vergeben werden.

Waakirchner Kommunalunternehmen bietet Modell landkreisweit an

Ähnliches will die Gemeinde mit ihrem Kommunalunternehmen Wohnbaugesellschaft Waakirchen jetzt an der Schaftlacher Straße in Waakirchen realisieren. Vorstand Luitpold Grabmeyer habe ein durchkalkuliertes Konzept in modularer Bauweise entwickelt, erklärte Kerkel. In wenigen Monaten könnten Wohnungen entstehen, die anders als Container nach der Verwendung als Flüchtlingsunterkunft nicht einfach abgebaut werden, sondern weiter zur Verfügung stehen. „Wir brauchen auch günstigen Wohnraum für Einheimische“, erinnerte Kerkel. Sein Vorschlag: Unter der Regie des Waakirchner Kommunalunternehmens wird das Modell im ganzen Landkreis ausgerollt.

Spätere Nutzung für Einheimische

15 Jahre lang dienen die Häuser als Flüchtlingswohnungen, danach stehen sie den Kommunen als günstiger Wohnraum zur Verfügung. Funktionieren könne dies allerdings nur mit der Bereitschaft, großzügiger Baurecht zu schaffen. Das Landratsamt heiße das Konzept gut, so Kerkel, wolle die Halle in Marienstein aber trotzdem belegen. Dagegen werde sich die Gemeinde wehren, bei Bedarf auch mit einer Klage: „Wir haben zwei Rechtsanwälte engagiert.“ Von den Bürgern gab‘s viel Applaus.

Landratsamt beantwortet Fragen schriftlich

Eigentlich wollte die Bürgerinitiative ihre Fragen zur Asylhalle bei der Info-Versammlung direkt an die Vertreter des Landratsamts richten. Doch nachdem die Behörde dort nicht vertreten war, sandte die Gemeinde Waakirchen ihr schriftlich eingereichte Fragen per E-Mail zu. Die Antworten verlas Geschäftsleiter Markus Liebl – teils mit süffisantem Unterton. Zum Beispiel, als es um die Frage ging, wie hoch die Kosten für Sicherheitsdienst und Catering in der Halle sein werden. Ob Bedarf für einen Sicherheitsdienst bestehe, werde noch ermittelt, ließ das Amt wissen. Statt eines Cateringservices sei Selbstversorgung vorgesehen. „Da bin ich mal gespannt, wie sie das dort machen wollen“, merkte Liebl an.

„Das ist unsere Verhandlungsmasse gegen die Halle“

Bürgermeister Norbert Kerkel wiederum schüttelte bei einer Replik zum Thema Schaftlacher Modell den Kopf. Das Landratsamt habe dieses Modell von Anfang an sehr begrüßt, hieß es erst. Man benötige aber schnelle Lösungen zur Unterbringung vieler Menschen, die das Modell leider nicht biete. Bedauerlicherweise habe die Gemeinde den Landkreis „mit der Drohung konfrontiert“, das Modell nicht weiterzuverfolgen, wenn die Halle mit Flüchtlingen belegt werde. „Die werfen uns Erpressung vor“, kommentierte Kerkel, der den Vorwurf zurückwies. Es könne aber nicht sein, dass die Gemeinde Waakirchen eine Wohnanlage für 40 Geflüchtete hochziehe und Marienstein obendrein eine Flüchtlingshalle verkraften müsse. Auch die Realisierung des Schaftlacher Modells verlange der Gemeinde viel ab, machte Kerkel deutlich. „Aber es ist nachhaltig.“

Er zweifle im Übrigen an der Aussage des Landratsamts, die Nutzung der Halle lasse sich schneller umsetzen als den Bau der Modul-Häuser. Nach seiner Einschätzung könnten die Häuser in sechs Monaten stehen und bezogen werden. Die Gemeinde habe das Modell als Alternative entwickelt, machte Kerkel deutlich: „Das ist unsere Verhandlungsmasse gegen die Halle.“ Unterdessen betont das Landratsamt, es brauche beide Optionen, kurzfristige und langfristige, um die Unterbringung dauerhaft zu stemmen.

Sorgen um die Sicherheit

Viele Fragen drehten sich um das Thema Sicherheit. Ob es für die Kinder einen Service geben werde, der das Ein- und Aussteigen in den Bus überwache? Dafür bestehe keine Notwendigkeit, war die Antwort. Die Bewohner der Unterkunft seien Schutzsuchende und keine Kriminellen. Dies unterstrich Grünen-Gemeinderätin Evi Obermüller, Lehrerin am Gymnasium Tegernsee. Mehr als zwei Jahre lang sei die dortige Turnhalle voll belegt gewesen, ihr gegenüber liegt die Bushaltestelle der Schule. „Aber da ist wirklich nie was gewesen“, versicherte Obermüller. Auch als Mitglied des Helferkreises habe sie keine Situation erlebt, die ihr Angst gemacht hätte.

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