Gerade noch gerettet: Ebersberger Kirchturmuhr entging knapp dem Kollaps

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Dieses neue Zahnrad mit der Gravur „2024“ tickt künftig zwischen den liebevoll geputzten Originalteilen der Uhr, die vermutlich bereits 1720 gebaut wurde und um 1784 nach Ebersberg kam. © Dürr Turmuhren & Glocken

Die Ebersberger Kirchturmuhr war zwei Millimeter vor dem Totalschaden. Dank großen persönlichen Engagements konnte sie gerettet werden. Die Restaurierung nähert sich dem Abschluss.

Ebersberg – Zwei Millimeter Metall hielten die Ebersberger Kirchturmuhr zuletzt noch zusammen. Nicht mehr als ein Stück Blech, das die großen, rotierenden Trommeln mit dem 90 Kilo schweren Uhrgewicht in der Schwebe hielt. Sonst, davon ist Robert Bauer überzeugt, wäre die halbe Mechanik der wohl 1784 eingebauten Uhr drei Stockwerke durch den Schacht im Turm von St. Sebastian nach unten gerauscht, ohne sich von ein paar Holzplanken im Weg daran hindern zu lassen. „Das wäre ein Totalschaden gewesen“, sagt Bauer.

Turmuhren-Fachmann: „Wäre sicherlich nicht mehr lange gut gegangen“

Der 66-Jährige ist im Vorstand des Ebersberger Verschönerungsvereins und, wichtiger noch, schon seit Kindesbeinen ein Fan der Kirche St. Sebastian mit ihren vielen Nischen, Schätzen und Geschichten. Bauer hat maßgeblich dafür gesorgt, dass die Ebersberger Turmuhr auf ihre dringend benötigte Kur zu einem Spezialisten im mittelfränkischen Rothenburg ob der Tauber kam – bevor sie auseinanderfallen konnte. Wie knapp es war, stellte sich erst beim genauen Hinsehen heraus. „Der Verschleiß an den Teilen ist so groß, dass es sicherlich nicht mehr lange ohne größere Schäden oder ein Unglück gut gegangen wäre“, vermutet Gernot Dürr von der gleichnamigen Fachfirma.

„Ein historisches, mechanisches Denkmal“ nennt Robert Bauer, Stadtführer und Kirchenfan, die Turmuhr.
„Ein historisches, mechanisches Denkmal“ nennt Robert Bauer, Stadtführer und Kirchenfan, die Turmuhr. © Stefan Roßmann

Ein historisches, mechanisches Denkmal

„Ein historisches, mechanisches Denkmal“, nennt Robert Bauer die Wiegebalkenuhr, die zu den ältesten noch funktionierenden Exemplaren ihrer Art zählt. Wenn er ins Erzählen kommt, merkt man dem Elektromechaniker und Servicetechniker im Ruhestand die Freude über das Schmuckstück und seinen Erhalt an. Wenn er etwa über die Hemmung spricht, die tickend den Takt des Zeigers bestimmte, rund 300 Jahre lang, zweimal die Sekunde (Die Uhr war ab ca. 1720 schon in München verbaut, vermutlich in der Residenz.). Das Teil haben die fränkischen Uhrenspezialisten ersetzen müssen, es hat seinen Dienst getan. Andere Zahnräder waren in überraschend gutem Zustand, so Bauer. Nur in Schieflage geraten.

St. Sebastian Ebersberg mit der Kirchturmuhr.
St. Sebastian Ebersberg mit der Kirchturmuhr. © Stefan Roßmann

Während die Uhr auf Kur ist, hat sich der Kirchenfan, der auch Stadtführungen gibt, durch das Ebersberger Stadtarchiv gearbeitet und eine Menge spannender Geschichten rund um die Uhr entdeckt. Etwa zu den „Technik-Freaks“ der Ebersberger Familie Birkmaier, die um 1900 die Uhr schon einmal aus dem Turm ausbauten und reparierten. Die Werkstatt befand sich übrigens an der Stelle, wo heute die Ebersberger Zeitung ihre Redaktion hat. Oder wie um 1930 der Pfarrer Guggetzer Erbarmen mit seinem betagten Mesner hatte – und den Mechanismus zum händischen Aufziehen der Uhr bis zum Fuß des Kirchturms verlängern ließ, damit sich der Kirchendiener nicht täglich die steilen Stufen hinaufschleppen musste. Und wie in den 1960ern Elektromotoren die Aufgabe ganz übernahmen, weil ein weiterer Mesner dem Job kräftemäßig nicht mehr gewachsen war.

Zum 70-jährigen Stadterhebungsjubiläum Ebersbergs soll die Uhr auf jeden Fall wieder laufen

Robert Bauer ist dabei, selber Teil der Geschichte dieser Uhr zu werden. Anfang März wird er sie besuchen, dann steht der erste Probelauf mit den neuen und überholten Zahnrädern, Walzen und Seilen an. „Die sind sehr gewissenhaft“, lobt er die Werkstatt jetzt schon. Schon im April könnte die Rückkehr des historischen Geräts an seine angestammte Wirkungsstätte anstehen. Dann hören die Ebersberger passend zur Zeigerstellung auch wieder, was die Stunde geschlagen hat. Über das Ziel, spätestens zum 70-jährigen Jubiläum der Stadterhebung Ebersbergs im Juni auch eine wieder voll funktionsfähige Kirchturmuhr feiern zu können, sagt der 66-Jährige: „Das haut sicher hin!“

Verschlissen: Nur zwei Millimeter Metall hielten dieses Lager noch zusammen.
Verschlissen: Nur zwei Millimeter Metall hielten dieses Lager noch zusammen. © Dürr Turmuhren & Glocken

Der Verschönerungsverein würde sich noch über die eine oder andere Spende freuen. Die Hälfte der benötigten 30 000 Euro sei beisammen, sagt Vorsitzender Georg Schuder. Auch die Stadt und die örtliche Kirchenstiftung würden sich freiwillig beteiligen. Und beim Einbau hoffen die „Uhrenflüsterer“ wieder auf Hilfe aus den örtlichen Vereinen, wie schon beim Ausbau. So retten die Ebersberger ihren tickenden Schatz gemeinsam.

Vortrag

Zur bewegten Vergangenheit, aktuellen Situation und Zukunft der Ebersberger Kirchturmuhr von St. Sebastian hält Stadtführer Robert Bauer am Montag, 18. März, ab 19 Uhr einen Vortrag im Klosterbauhof, Unterm First mit Film und Fotos. Die Veranstaltung des Verschönerungsvereins ist kostenlos, Spenden sind willkommen.

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