Der Grafinger Helferkreis freut sich über den Zuspruch, den er für die geräuschlose Integration von Asylbewerbern bekommt.
Grafing – Warum hilft jemand oft unter großem persönlichen Einsatz einem wildfremden Menschen? Aus Altruismus, weil man die persönliche Not erkennt, oder einfach deswegen, weil es einem Spaß macht, man dabei etwas lernt und einem die Hilfe selbst ein gutes Gefühl vermittelt? Am Ende ist es vermutlich von allem etwas, auch wenn man sich dabei manchmal ein bisschen ärgern muss.
Ein Besuch beim Grafinger Helferkreis klärt auf über die verschiedensten Motive, etwas zu tun. Es geht dabei auch um das Containerdorf am städtischen Bauhof, gegen dessen Errichtung es anfänglich in Grafing teilweise große Bedenken gab. Von „Ghettobildung“ war die Rede. Die Vorbehalte haben sich inzwischen weitgehend aufgelöst.
Grafing ist international. Hier wohnen Menschen aus über 50 Nationen. Was bietet sich da für ein kleines Helferkreistreffen an? Die Wahl fiel auf den Asiaten am Marktplatz. Eingeladen hatte Grafings Bürgermeister Christian Bauer. „Wir wollten uns erkenntlich zeigen, dass es so gut läuft“, erklären er und Verena Schwaiger vom städtischen Ordnungsamt.
Seniorin unter den Helfern und Helferinnen ist mit 82 Jahren Uthild Schütze-Nöhmke. Sie ist selbst eine „Zugereiste“ und stamme eigentlich aus Bremen, wie sie berichtet. Nach Grafing kam sie als Lehrerin am Goethe-Institut, fand eine Wohnung in Dichau. Integrationsprobleme hatte sie selbst keine. „Ich wurde von einer Landwirtin gleich zum Putenessen eingeladen, da bin ich in den Dichauer Kreis reingekommen“, erinnert sie sich heute noch gerne. Was sie sich wünschen würde? Die Behörden sollten es öfter nicht so genau nehmen. „Manchmal machen die so ein Theater. Die sollten mehr Menschenkenntnis walten lassen.“
Bürokratie macht den Helfern schwer zu schaffen
Die Bürokratie sei schon für die Einheimischen manchmal schwer zu durchschauen, wie dann erst für Menschen, die die Sprache nicht verstehen. Deshalb helfen beim Helferkreis alle zusammen, informiert Ottilie Eberl, die für die Grünen im Stadtrat sitzt. Jeder habe im Helferkreis „seine Sache, die er macht, und alle machen es ehrenamtlich“, berichtet sie über die Aufgabenverteilung. Sie selbst engagiere sich, seit ukrainische Flüchtlinge im Landkreis angekommen seien und betreue aktuell zwei Familien. „Ich habe ihnen ein Wohnhaus organisiert“. Ein bisschen ärgern müsse sie sich auch manchmal, räumt sie freimütig ein. Etwa dann, wenn es an der Bereitschaft mangele, eine Arbeit aufzunehmen, statt Bürgergeld anzunehmen.
Hilfe kann niederschwellig sein. Dann etwa, wenn Asylbewerber nur auf die nächsten Termine der Kleidertauschzentrale aufmerksam gemacht werden müssen. „Ich sehe das nicht als Last“, sagt Gerd Berger (62) zu seinem Engagement. Er bringt Flüchtlingen aus Eritrea unter anderem Deutsch bei. „Das macht mir Spaß und fordert mich.“ Seine Schüler seien sehr ehrgeizig. „Einer wollte in jedem Fach eine Eins und das hat er auch geschafft.“
Trotzdem ist es für die Klientel manchmal schwierig, eine Arbeit zu finden. „Wir haben ganz wenig Nachfragen von Firmen nach Arbeitskräften“, bestätigt Bauer. Lilli Kajnath (68) kennt einen kuriosen Fall. Für abgelehnte Asylbewerber gebe es einen sogenannten Chancenaufenthalt. Bedingung: Deutschkenntnisse, Arbeit, eigene Wohnung und Straffreiheit. Sie betreue einen Asylbewerber, der diese Bedingungen alle erfülle und der jetzt seinen Job in Aschheim verloren habe, weil sein dortiger Arbeitgeber in die neuen Bundesländer abwandere. „Der braucht jetzt dringend einen Job“, sonst werde er abgeschoben, obwohl er sich nach Kräften integriert habe.
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Silke Schiegl (56) ist Lehrerin und spricht Französisch. Sie betreut Asylbewerber aus den ehemaligen französischen Kolonien, wo das Französische noch Amtssprache ist. Oftmals müssten ihre Klienten erst alphabetisiert werden. Kurios: Sie lernen zuerst deutsch lesen und schreiben, bevor sie das in ihrer eigenen Muttersprache können. Wenn sie nach Hause zurückkehrten, könnten sie in ihrer eigenen Sprache immer noch nicht lesen und schreiben.
Bernward Backa (63) war beruflich Pilot und findet seine Tätigkeit als Asylhelfer deswegen so interessant, weil man selbst so viel lerne. Er ist überrascht: „Die Kinder lernen ruckzuck Deutsch“, berichtet er.
Noch kein einziger Polizeieinsatz am Container-Heim
Martina Yakub (55) schreibt für den Helferkreis Projektanträge und beantragt Fördermittel. Sie ist der Kontakt zum Innenministerium und organisiert zum Beispiel Begegnungen zwischen einheimischen und ausländischen Frauen. Die Bedenken, die anfänglich gegen das Containerdorf am Bauhof bestanden, haben sich weitgehend zerstreut. Dort wohnen 80 Personen. „Keine Beschwerden“, lautet die kurze Auskunft einer Verkäuferin der gegenüberliegenden Gärtnerei. „Ich kann mich in meiner eigenen Dienstzeit tatsächlich an keinen Einsatz dort erinnern“, berichtet der diensthabende Gruppenleiter der Polizei Ebersberg auf Anfrage unserer Zeitung.
Und eine kurze Umfrage bei den Frauen, die mit ihren Kindern den Spielplatz zwischen Gärtnerei und Bauhof bevölkern, ergibt folgende Antwort: „Wir haben nicht einmal gewusst, dass dort Asylbewerber wohnen.“
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