Nordkorea-Soldaten und ATACMS-Freigabe: Ukraine laut Ex-Oberbefehlshaber bereits im „dritten Weltkrieg“

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Die Lage im Ukraine-Krieg spitzt sich zu und Putins droht erneut mit Atomwaffen. Erster Vertreter Kiews sprechen bereits offen von einem „dritten Weltkrieg“.

Kiew – Es war wohl die ereignisreichste Woche im Ukraine-Krieg seit längerer Zeit. Am Wochenende hatte der scheidende US-Präsident Joe Biden nach monatelangem Ringen die Freigabe erteilt, US-amerikanische Waffen auch für Angriffe auf Ziele in Russlands nutzen zu dürfen. Kurze Zeit darauf flogen erstmals ATACMS-Kurzstreckenraketen über die Grenze und trafen ein Munitionslager in Brjansk. Am Mittwoch folgte dann wohl der erste Angriff mit britischen Storm-Shadow-Marschflugkörpern auf die Region Kursk. Russland reagierte auf die Entwicklungen mit atomarem Säbelrasseln. Die Sorgen von einer Ausweitung des Konflikts nehmen zu – doch nach Ansicht mancher Stimmen in Kiew ist der dritte Weltkrieg bereits im Gange.

Der frühere Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, sieht sein Land nicht erst seit der Freigabe von ATACMS-Raketen in einem „dritten Weltkrieg“. © Montage: South Korean Defence Ministry/AFP/Ukrainian Presidency/dpa

Ex-Oberbefehlshaber der Ukraine über Nordkorea-Soldaten in Kursk: „Dritter Weltkrieg“ hat bereits begonnen

„Ich glaube, dass wir im Jahr 2024 mit Sicherheit davon ausgehen können, dass der Dritte Weltkrieg begonnen hat“, sagte der ukrainische Botschafter im Vereinigten Königreich, Walerij Saluschnyj, auf einer Veranstaltung des Mediums Ukrainska Pravda. Saluschnyj begründet seine Einschätzung damit, dass die Ukraine auf den Schlachtfeldern in der Ostukraine nicht länger nur noch gegen Russland kämpfen müsste.

„Die Ukraine hat es nicht mehr mit Russland zu tun“, sagte Saluschnyj. „Die Ukraine hat es mit Soldaten aus Nordkorea zu tun. Seien wir ehrlich. Im Iran hergestellte Shaheds (Kamikaze-Drohen, Anm. d. Red.) töten ganz offen Zivilisten in der Ukraine“. Darüber hinaus kämen auch nordkoreanische Raketen und chinesische Artilleriegeschosse in der Ukraine zum Einsatz, bekräftigt der Botschafter weiter.

Saluschnyj kennt die Entwicklungen im Ukraine-Krieg aus erster Hand. Vom Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 bis zum Februar dieses Jahres, war der General Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte. Wegen seines Einsatzes gilt Saluschnyj als Volksheld und hat von Präsident Wolodymyr Selenskyj nach seiner Abberufung die Auszeichnung „Held der Ukraine“ verliehen bekommen.

Nordkorea-Soldaten in Kursk: Russland bereitet Gegenoffensive vor

Die Stationierung von über 10.000 nordkoreanischen Soldaten in der russischen Grenzregion Kursk sorgte vor allem bei den westlichen Verbündeten der Ukraine für Aufregung. Wie die Nachrichtenagentur AP vermeldet, soll der Vorgang entscheidend dazu beigetragen habe, dass Biden sich für eine Freigabe westlicher Waffen für Angriffe auf Russland entschieden habe.

Die russische Militärführung soll Berichten zufolge die Unterstützung durch Nordkorea angefordert haben, um eine großangelegte Gegenoffensive in der Region zu starten. Ukrainische Truppen waren zur Überraschung der russischen Verteidiger im August in die russische Region eingefallen und konnten rasch Gebietsgewinne verzeichnen. Mittlerweile befinden sich die ukrainischen Truppen in Kursk aber wieder in der Defensive.

Nach Freigabe von ATACMS-Raketen: Debatte über „Dritten Weltkrieg“ in der Ukraine

Mit seiner Einschätzung steht Saluschnyj derweil nicht alleine da. Auch Oleksii Makeiev, der ukrainische Botschafter in Deutschland, äußerte sich am Donnerstag im Interview mit dem Focus ähnlich. „Für uns ist dieser Krieg wie ein dritter Weltkrieg, denn unsere Welt ist zusammengebrochen“, sagte Makeiev mit Blick auf den seit 2014 andauernden Konflikt.

Aber auch aus dem Kreml wird das Raunen über einen möglichen dritten Weltkrieg lauter. Vladimir Dzhabarov, Mitglied des russischen Föderationsrats, bezeichnete die von Biden erteilte Waffenfreigabe gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Tass als einen „sehr großen Schritt in Richtung des Beginns des Dritten Weltkriegs“. Russlands Außenminister Lawrow erklärte wiederum nach den ersten ATACMS-Angriffen: „Wir werden dies als eine neue Phase des westlichen Krieges gegen Russland betrachten und entsprechend reagieren.“

Russland reagiert auf ATACMS-Angriffe – und setzt wohl erstmals Interkontinentalrakete ein

Eine erste entsprechende Reaktion folgte wohl bereits am Donnerstag, als Kiew erstmals den Einsatz einer Interkontinentalrakete für einen Angriff auf die Ukraine vermeldete. Die Rakete vom Typ RS-26 „Rubezh“ kann mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden und verfügt über eine Reichweite von knapp 6000 Kilometern. Der Angriff mit der Rakete auf die Stadt Dnipro – der mit konventionellen Sprengköpfen erfolgte – kann also auch als Drohgebärde an den Westen verstanden werden. Das atomare Säbelrasseln im Kreml wird lauter.

So passte Präsident Wladimir Putin nach der ATACMS-Freigabe kurzerhand die Atomdoktrin der Russischen Föderation an. Diese erlaubt nun den Einsatz von Atomwaffen gegen Staaten, die ihrerseits nicht über Atomwaffen verfügen – vorausgesetzt sie werden von einer Atommacht unterstützt. Das trifft auf die Ukraine, aber auch auf die Nato-Staaten zu. Lawrow warnte deshalb im Rahmen des G20-Gipfels in Brasilien in Richtung der westlichen Verbündeten der Ukraine, diese sollten die russische Nukleardoktrin „vollständig“ lesen

Diverse US-Experten rechneten trotz der jüngsten Entwicklungen jedoch nicht mit dem Ausbruch eines „Dritten Weltkriegs“. Ein Grund dafür ist die außenpolitische Lage der USA. Putin dürfte in der derzeitigen Lage erst einmal den Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident abwarten, der eine Wende in der US-amerikanischen Ukraine-Politik bedeuten könnte. Dann würden die Karten des Konflikts noch einmal neu gemischt werden. (fd)

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