Lauterbach will Apotheken reformieren – und sorgt damit für Aufschrei: „Der will uns abschaffen“

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Diskutierten über die Pläne zur Apothekenreform: (v. li.) Grünen-Bundestagsabgeordneter Karl Bär, Sibylle Reuter (Grünen-Ortsverband Lenggries-Gaißach-Jachenau), Christopher Hummel, Sprecher der Apotheker im Landkreis, und Werner Hüttl (Grünen-Ortsverband Lenggries-Gaißach-Jachenau). © Arndt Pröhl

Alle 17 Stunden schließt in Deutschland eine Apotheke. Die Bundesregierung will das System nun reformieren. Doch die Pläne stoßen bei Apothekern im Landkreis auf Kritik.

Gaißach/Bad Tölz-Wolfratshausen – Als Karl Lauterbach im Dezember 2021 neuer Bundesgesundheitsminister wurde, waren viele Apotheker begeistert. „Wir haben uns einiges von ihm versprochen“, sagt Christopher Hummel. Jetzt, fast drei Jahre später, holt der Sprecher der Apotheken im Landkreis zur Generalabrechnung mit dem SPD-Politiker aus. Der Grund für seinen Ärger ist Lauterbachs Entwurf zu einer Apotheken-Reform. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Karl Bär traf sich aus diesem Anlass mit Hummel in Gaißach.

Kritiker befürchten „Apotheke light“: Pläne von Karl Lauterbach sorgen für Unverständnis

Nach den Plänen des Gesundheitsministers soll es künftig Apotheken geben, die weitgehend ohne ausgebildete Apotheker auskommen. Die pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) sollen den Pharmazeuten ersetzen. Bei Fragen sollen sie sich per Videoschalte an einen diensthabenden Apotheker wenden können. Apotheker müssen lediglich acht Stunden in der Woche persönlich anwesend sein. Sie sollen laut den Plänen im Filialverbund eine Hauptapotheke, drei Filialen und zwei Zweigapotheken betreiben dürfen.

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Gegner der Reform kritisieren, dass mit der „Apotheke light“ viele Nachteile für die Patienten drohen. Das Apothekensterben werde dadurch nur beschleunigt. „Karl Lauterbach macht uns platt, der will uns abschaffen“, schimpft Christopher Hummel. Die Reform schwebe wie ein Damoklesschwert über den kleinen Apotheken. Hummel befürchtet, dass große Supermarkt- und Drogerieketten ebenfalls kleine Abgabestellen für verschreibungspflichtige Medikamente betreiben werden. „Die haben aber keine individuelle Beratung und machen keine Notdienste“, erläutert er.

„Damit fährt er uns an die Wand“: Apotheker protestieren gegen Lauterbach-Reform

Karl Lauterbach wolle eine Grundversorgung über große Zentren einrichten. „Damit fährt er uns kleine Apotheker an die Wand“, führt Hummel weiter aus. „Der Minister gibt den Großkonzernen Feuer frei. Die sitzen wie Haie und warten nur darauf, dass das Gesetz kommt.“ Auch wenn die Fachkräfte gut ausgebildet seien. Dass pharmazeutisch-technische Assistenten allein eine Apotheke betreiben können, gelte es zu vermeiden. „Das wäre, wie wenn Sie der Lufthansa sagen: ‚Streichen Sie die Piloten und lassen Sie die Stewardessen fliegen‘“, so Hummel.

„Das wäre, wie wenn Sie der Lufthansa sagen: ‚Streichen Sie die Piloten und lassen Sie die Stewardessen fliegen.‘“

Schon jetzt schließt nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände alle 17 Stunden eine Apotheke. Die Apothekendichte liegt in Deutschland weit unter dem EU-Durchschnitt. Zwar ist der Gesamtumsatz der Apotheken in den vergangenen Jahren konstant angestiegen. Aber, so erklärt Hummel: „Die großen Versandapotheken haben daran den größten Anteil, die kleinen Apotheken haben viel weniger Umsatz.“

Christopher Hummel bemängelt vor allem fehlenden Respekt und mangelnde Kommunikation mit Experten. „Wir haben die Leute mit Masken und Tests durch Corona gebracht. Die Bevölkerung braucht uns“, sagt er. „Aber die Politik vergisst uns seit zehn Jahren.“ Dabei forderten die Apotheker nicht viel, beteuert der Sprecher. Minister Lauterbach vermeide hingegen den Dialog mit den Apothekern.

Grünen-Bundestagsabgeordnete kündigt Gespräche an

„Wir fahren das System auch an die Wand, wenn wir gar nichts machen“, entgegnet Grünen-Politiker Karl Bär. Angesichts des Fachkräftemangels und der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft sei es dringend notwendig, die Apotheken zu reformieren. „Das System muss effizienter werden“, sagt der Abgeordnete. Der Holzkirchner bemängelt aber auch Inhalte der geplanten Reform. „Videoanrufe bei einem Apotheker sparen keine Arbeitskraft ein“, so Bär. „Das kann man nicht machen, während man in einer anderen Filiale arbeitet.“

Bär kündigt abschließend an, mit Gesundheitspolitikern aus den Regierungsfraktionen im Parlament zu sprechen. Hummel hofft, dass seine Kritik in der Bundespolitik Gehör findet: „Der Minister soll ruhig Gegenwind bekommen.“ (vfi)

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