Stealth-Jäger mit neuen Formen: China zeigt Kampfjet der sechsten Generation in der Luft

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Chinas aktuelle Speerspitze in der Luft – die Chengdu J-20 ist das erste Flugzeug chinesischer Produktion, das Tarnkappen-Eigenschaften (engl. stealth) bietet. Mit der J-35 ist bereits der Nachfolger vorgestellt worden; in der Luft sind jetzt auch zwei weitere Entwürfe, die eine Generation jünger sein sollen, also der sechsten Kampfjet-Generation angehören würden. © IMAGO / ChiWei2016

Was die USA bisher für schwer hielten, hat China jetzt vielleicht gebaut. Das Reich der Mitte schwingt sich auf zur Luftmacht über dem Indo-Pazifik.

Peking – „Man könnte sie nebeneinander stellen und zumindest sehen, woher sie unserer Meinung nach ihre Pläne haben, wenn man so will“, sagte Generalstabschef David W. Allvin. Der Oberste der US-Luftwaffe kommentierte gegenüber dem Air&Spaceforces Magazin das Erscheinungsbild des künftigen Tarnkappenjets Chinas: Xi Jinpings neuer Flieger ähnelt der US-amerikanischen F-35 wie ein Ei dem anderen und heißt auch so ähnlich: J-35. In sozialen Medien wird gemunkelt, dass das asiatische Flagschiff am Himmel auch für den Export an die Alliierten gedacht sei – beispielsweise an Wladimir Putin oder Kim Jong-un.

Was aktuell allerdings bedrohlicher erscheint, als dass China den USA am Himmel auf Augenhöhe begegnen will, scheinen Bestrebungen zu sein, gegenüber der US Air Force den Vogel abzuschießen. Möglicherweise hat China fast zeitgleich mit seinem Stealth-Jet der fünften Generation schon zwei Flieger der darauf folgenden Generation in der Luft. Jedenfalls existieren von den Flugzeugen in sozialen Medien bereits Bilder, die fast zeitgleich aufgetaucht sind. Gegenüber der J-36 und der vermeintlich als JH-XX betitelten Maschinen sehen die aktuellen Flieger der fünften Generation geradezu altbacken aus, weil die neuen Jets optisch in Richtung des US-amerikanischen B-2-Bombers gehen werden.

Schock für die USA: „Möglicher Erstflug von Chinas Flugzeug der sechsten Generation“

Als „möglichen Erstflug von Chinas Flugzeug der sechsten Generation“ hat daher auch das Fachmagazin The Aviationist die Bilder betitelt. Offenbar haben die chinesischen Rüstungsschmieden Chengdu und Shenyang fast parallel Entwürfe in die Luft gebracht. Laut dem Magazin Forbes seien das womöglich die „modernsten bemannten Kampfflugzeuge aller Zeiten“.

Die Beschreibung ‚sechste Generation‘ ist vielleicht etwas voreilig, aber ich denke, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir wirklich sagen können, dass die Chinesen uns zum ersten Mal ihre Vorstellung vom Luftkampf und von Kampfflugzeugen der neuen Generation gezeigt haben.

Evolutionär an den Maschinen erscheint die Form, die Forbes-Autor David Axe anregt zu der These, dass die Maschinen mitunter sogar unbemannt fliegen könnten, weil auf den Bildern keine Kanzel zu erkennen sei. Damit nicht genug: Beide Maschinen sind Nur-Flügler – eines lediglich mit einem angedeuteten Heck; sämtliche Steuerelemente sind demnach in einer horizontalen Ebene untergebracht. Wie Axe mutmaßt, sei die Luftwaffe der chinesischen Volksbefreiungsarmee willens, „einen extrem getarnten Kampfjet mit komplexer Flugsteuerung anzuschaffen – und sie geht dabei kein Risiko ein. Die beiden größten Kampfjet-Hersteller der Luftwaffe arbeiten beide an Entwürfen. Einer könnte dort Erfolg haben, wo der andere versagt“, wie er schreibt.

Die US-Amerikaner allerdings scheinen der Meinung zu sein, das sei zum Scheitern verurteilt, wie das Flugtestzentrum der US Air Force 2007 in einem Bericht festgehalten hatte. „Solche Fahrzeuge sind bekanntermaßen aerodynamisch komplexe Flugzeuge mit ausgeprägten flugdynamischen Eigenschaften und komplizierten Flugsteuerungsgesetzen“, lautet deren Fazit. Allein schon die vermutlich notwendige Platzierung des Piloten am hinteren Ende des Flugzeugs würde Vorteile mit Nachteilen erkaufen – Vorteile hätte die Maschine durch Verringerung des Luftwiderstands und der Verbesserung der Stabilität. Allerdings würde „die Sicht der Besatzung aus dem Cockpit aufgrund der Tarnanforderungen extrem eingeschränkt, was bedeutete, dass die Sicht des Piloten außerhalb des Cockpits größtenteils, wenn nicht sogar vollständig, künstlich erfolgen musste“, wie die Wissenschaftler schrieben.

Warnung an die Welt: „Chinesische Luftwaffe bereitet sich auf den Krieg von morgen vor“

Möglicherweise haben die Chinesen in den vergangenen fast 20 Jahren einen Weg gefunden und galoppieren den USA technisch davon: „Chinesische Luftwaffe bereitet sich mit technologischen Verbesserungen auf den Krieg von morgen vor“, titelt denn auch das Magazin Army Recognition. In den USA dagegen scheint extreme Gelassenheit zu herrschen, wie Air&Spaceforces kurz vor Weihnachten veröffentlicht hat.

Aus dem Jahresbericht des Pentagon über Chinas Militärmacht soll hervorgehen, dass die chinesische Luftwaffe der US Air Force dicht auf den Fersen sei, „aber noch kein ebenbürtiger Gegner“, wie Air&Spaceforces-Autor John A. Tirpak schreibt. Allerdings richtet sich China gerade neu aus – was den USA Sorge bereiten könnte. Oder vielleicht auch sollte. China ist die beherrschende Luftstreitmacht im Indo-Pazifik-Raum, wie Air&Spaceforces notiert, mit fast 3200 bemannten Maschinen für den Kampfeinsatz, mehr als zwei Drittel davon reine Kampfflugzeuge.

Wiederum mehr als die Hälfte davon seien Maschinen der vorletzten, also vierten Generation, denen damit Stealth-Fähigkeiten fehlten. Die anderen Maschinen sollten in den kommenden Jahren ebenfalls mindestens der vierten Generation angehören, wovon die USA, laut Air&Spaceforces, fest ausgingen. Die fünfte Generation sei lediglich mit wenigen Chengdu J-20-Kampfjets im Einsatz.

Auch das Magazin The War Zone merkt an, dass das US-Militär im jüngsten Jahresbericht an den Kongress keine Silbe über die mögliche Entwicklung eines bemannten Kampfflugzeugs der sechsten Generation verliert. Gleichzeitig wird klargestellt, dass sich die chinesischen Luftstreitkräfte von der rein territorialen Luftverteidigung wandeln wollen zur Möglichkeit von „‚offensiven und defensiven Operationen‘, die das Pentagon als Fähigkeit zur Machtprojektion weit entfernt vom Festland interpretiert“, wie Tirpak schreibt.

USA gelassen: China im Verdacht, in der Entwicklung der Luftstreitkräfte den Weg der USA zu kopieren

Bereits 2019 hatte der Flugzeugbauer Chengdu kundgetan, ihm wäre ein „innovativer Durchbruch in der Schubvektorsteuerung“ gelungen, also in der Entwicklung eines sehr signaturarmen Triebwerks, wie Wang Haifeng erklärte. Der Chefdesigner des Chengdu Aircraft Design Institute of Aviation Industry hätte damit eine überaus wichtige Komponente eines Nur-Flügel-Kampfflugzeugs der nächsten Generation entwickelt.

Zur Gelassenheit der US-Amerikaner könnte beitragen, dass sie davon ausgehen, dass China in der Entwicklung der Luftstreitkräfte den Weg der USA kopiert durch „eine exponentielle Reduzierung der Signatur, eine exponentielle Beschleunigung der Verarbeitungsleistung und der Sensorik“, wie Mark D. Kelly vor zwei Jahren öffentlich geäußert hat. Der General und Kommandant des Air Combat Command sah einen „Schlüsselfaktor in der Fähigkeit, Verbesserungen mithilfe offener Missionssysteme ‚wiederholbar‘ zu machen“, wie ihn The War Zone zitiert hat; also die Maschine so zu konstruieren, dass sie die jeweilige Situation quasi antizipiert und sich entsprechend situationsgerecht programmiert. Ihm zufolge würde China also sukzessive seine bestehende Flotte modernisieren, so Kelly.

Neuer Kampfjet unwahrscheinlich: Chinas Verteidigungshaushalt ein Drittel des US-amerikanischen

Dass die USA der chinesischen Neukonstruktion eines Kampfjets oder Bombers weder eine Silbe gewidmet haben noch jetzt widmen, mag auch begründet sein in den Zweifeln, dass China so ein Projekt finanziell stemmen könnte. Wie das Magazin War on the Rocks in diesem September berichtet hat, betrage der chinesische Verteidigungshaushalt in diesem Jahr etwas mehr als ein Drittel des US-amerikanischen. Gegenüber den verteidigungsbezogenen Ausgaben der USA für 2024 in Höhe von 1,3 Billionen US-Dollar (1,25 Billionen Euro) „schätzen wir, dass China im Jahr 2024 umgerechnet 474 Milliarden US-Dollar (454 Milliarden Euro) für Verteidigung ausgeben wird. Das ist deutlich mehr als sein offizieller Verteidigungshaushalt für 2024, der zu Marktkursen 232 Milliarden US-Dollar (222 Milliarden Euro) beträgt“, wie War on the Rocks schreibt.

David Axe will in der Vorstellung der beiden Flieger jedoch einen spektakulären Coup erkennen: „Die diesjährige Überraschung war eine der dramatischsten für die PR-Maschinerie der Volksbefreiungsarmee“, schreibt der Forbes-Autor und stellt gleichzeitig heraus, dass noch zu klären sein wird, ob China mit den Nur-Flüglern Kampfflugzeuge an den Start rollt oder sogar Bomber. Andreas Rupprecht jedoch warnt vor zu hochfliegenden Spekulationen, wie der deutsche Buchautor zu chinesischen Luftstreitkräften gegenüber The War Zone geäußert hat:

„Die Beschreibung ‚sechste Generation‘ ist vielleicht etwas voreilig, aber ich denke, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir wirklich sagen können, dass die Chinesen uns zum ersten Mal ihre Vorstellung vom Luftkampf und von Kampfflugzeugen der neuen Generation gezeigt haben.“

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