„Erinnert an die 30er Jahre“ - US-Zeitung stellt deutsche AfD-Wähler vor – dann folgt ein vernichtendes Urteil
Normalerweise kommt Deutschland nicht gerade häufig in der US-Presse vor. Nur wenige Amerikaner zeigen ein ausgeprägtes Interesse an deutscher Innenpolitik. Doch derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem US-Medien nicht über Deutschlands Wahlkampf berichten – vor allem über die AfD. Einige Blätter meinen, im Gegensatz zu anderen rechten Parteien Europas könnte die Bezeichnung „Neonazi“ hier durchaus zutreffen.
„Deutschlands rechtsextreme AfD ist wie besessen von Trump und Musk“, so der US-Sender CNN. Amerika und Deutschland hätten ähnliche Migrationsprobleme, heißt es. Die AfD wie die Republikaner würden die Schuld den liberalen Parteien zuschieben.
„New York Times“ richtete den Fokus auf Angela Merkel
Die „New York Times“ richtete den Fokus auf Angela Merkel: „Wenn es etwas gibt, das die Parteien bei diesem Wahlkampf in Deutschland vereint, dann ist es der Bruch mit der Ex-Kanzlerin, deren Erbe die Wähler ablehnen“, lautete die Schlagzeile der aktuellen Sonntagsausgabe. Keine politische Maßnahme treibe deutsche Wähler mehr an als Merkels Flüchtlingsentscheidung 2015: „Viele Politiker geben ihr die Schuld für den Aufstieg der AfD.“
Das „Wall Street Journal“ (WSJ) beschreibt die AfD als ehemals kleine Protestpartei. „Inzwischen ist sie eine große Bewegung, die bei wirtschaftlich und sozial unzufriedenen Wählern punktet, vor allem, aber nicht nur, im früheren Ostdeutschland.“
Das Wirtschaftsblatt betont: „Obwohl viele rechte Parteien in Europa oft fälschlicherweise als ‚faschistisch‘ oder ‚Neonazis‘ bezeichnet werden, gibt es gute Gründe dafür, warum das im Falle der AfD tatsächlich der Fall ist.“
„Aber andere finden, dass nicht alle SS-Männer Verbrecher waren“
Einige AfD-Politiker würden zwar „wie halbwegs normale, nationalistische Konservative klingen“, so das WSJ. „Aber andere finden, dass nicht alle SS-Männer Verbrecher waren, und ihre Rhetorik erinnert an die 30er Jahre.“ Die AfD könne oder wolle solche Stimmen nicht loswerden.
In einem weiteren, mehrseitigen Artikel stellt die Zeitung eine Reihe von AfD-Wählern vor – samt ihren Fotos und Lebensläufen. „Lernt die Wähler kennen, die die AfD gesellschaftsfähig machen“, so die Überschrift des Berichts.
„Ich habe das Wirtschaftsprogramm der AfD nicht gelesen und es ist mir auch egal“, wird etwa der schwer tätowierte 58-jährige Stefan Diete aus Gelsenkirchen zitiert. „Ich wähle sie trotzdem, wegen der Immigration.“ Deutschlands Ruhrgebiet sei mit Amerikas „Rust Belt“ vergleichbar, heißt es – also Regionen, die vom industriellen Niedergang geprägt sind, mit verlassenen, verrosteten Fabriken.
Als Nächste wird Jolanthe Zylka vorgestellt. Die 63-Jährige kam vor 41 Jahren aus Polen nach Gelsenkirchen. Sie wählt die AfD, „weil die das sagen, was ich denke. Was hier los ist, ist nicht mehr normal. Schließlich lasse ich mein Haus auch nicht für jedermann offen“, so die frühere Krankenschwester.
„Ich musste mich der Kultur anpassen“
Auch Gelsenkirchens AfD-Chefin Enxhi Seli-Zacharias kommt zu Wort. Sie kam als Kind aus Albanien nach Deutschland. „Ich musste mich der Kultur anpassen. Ich wusste, was ich tun musste, um meinen Pass zu bekommen. Es macht mich wahnsinnig, mit anzusehen, wie den jetzt Leute kriegen, die keinerlei kulturellen Bezug zu Deutschland haben.“
Die Nachrichtenagentur Bloomberg widmet dem Einfluss von Frauen in der AfD sogar einen ganzen Artikel: „Deutschland driftet nach rechts ab und Frauen beschleunigen diesen Kurs”, so die Schlagzeile.
Seit Kriegsende hätten weibliche Wähler einen mäßigenden Einfluss auf die deutsche Politik ausgeübt, heißt es – und auch dann vorwiegend für die Volksparteien gestimmt, als Männer schon anfingen, extrem rechts oder links zu wählen.
Frauen würden extreme Parteien harmloser wirken lassen
Aber: „Das ändert sich bei dieser Wahl“ – mit Sahra Wagenknecht an der BSW-Spitze und Alice Weidels Führungsposition in der AfD. Frauen würden extreme Parteien harmloser wirken lassen, heißt es. Zudem appelliere die AfD an die Ängste vieler Frauen, zitiert Bloomberg aus dem AfD-Parteiprogramm: „Frauen vermeiden bestimmte Straßen, Viertel oder Freibäder, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen.“
In Umfragen geben Frauen ihre AfD-Unterstützung ungern zu, heißt es weiter. Umso stärker könnten ihre Stimmen ausfallen: „Zweifellos wird die AfD diesmal rund 20 Prozent erhalten, fast doppelt so viel wie bei der letzten Wahl. Weil einige AfD-Mitglieder offen die Nazis loben, zögern viele Frauen, ihre Zustimmung offen zuzugeben. Wahlbeobachter wappnen sich daher für mehr Zuwachs als erwartet.“
„Yahoo News“ hingegen vermeldete leichte Entwarnung – dank neuester Umfragezahlen. „Trotz des Aufschreis ist die konservative deutsche Opposition nach wie vor stark“, so die Überschrift des Nachrichtenportals: Friedrich Merz’ umstrittener Vorstoß, Deutschlands Migrationspolitik auch mit der AfD zu ändern, habe den Unionsparteien laut Umfragen scheinbar wenig geschadet.
Merz werde wahrscheinlich so oder so gewinnen, meinte auch das WSJ, aber „um wie viel – das ist entscheidend.“ Seit Jahren würden deutsche Politiker versuchen, Wähler von der AfD wegzulocken. Wenige Wochen vor der Wahl sei „eine irre Zeit für Herrn Merz, das bislang größte Experiment zu starten“.