Immer mehr pflegebedürftige Senioren auf finanzielle Hilfe angewiesen - oft lange Bearbeitungszeit von Anträgen

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Immer mehr Senioren in Pflegeheimen sind auch auf finanzielle Unterstützung angewiesen. (Symbolbild) © Tom Weller/dpa

Pflegebedürftige, die Kosten für ihre Versorgung nicht selbst zahlen können, haben einen Anspruch auf die Sozialleistung „Hilfe für Pflege“. Im Landkreis steigt die Zahl der Anträge. Lange Bearbeitungszeiten stellen Pflegeheime vor Herausforderungen, weil sie das Geld vorstrecken. Oft für mehrere Monate.

Im Landkreis Weilheim-Schongau beziehen 293 Menschen „Hilfe zur Pflege“. Sie können Kosten, die etwa bei einer Unterbringung in einem Heim anfallen, nicht mehr aus eigenen Mitteln stemmen. Auch die Zahlungen der Pflegeversicherung reichen nicht. Die Zahl derjenigen, die auf finanzielle Hilfe angewiesen sind, steigt, heißt es auf Nachfrage beim Bezirk Oberbayern, der für die Antragsbearbeitung zuständig ist.

Im Zeitraum von 2020 bis 2024 sei für den Landkreis ein Zuwachs von 22,59 Prozent zu verzeichnen. Zwar sei die Zahl 2022 durch die Pflegereform geringfügig zurückgegangen, „seit 2023 nehmen die Fallzahlen wieder deutlich zu, da die Erhöhung der Pflegegradleistungen und die Einführung des Leistungszuschlages nicht den gewünschten Entlastungseffekt erzielen konnten“.

Die Entwicklung betrifft ganz Oberbayern. 2022 wurden 4859 Anträge auf stationäre Hilfe zur Pflege eingereicht, 2023 über 6000, 2024 waren es 6210. Weil heuer bereits knapp 2500 Anträge eingereicht wurden, rechnet der Bezirk damit, dass die Zahl bis Jahresende erneut übertroffen wird.

Nötige Unterlagen stehen oft aus

Bis Geld fließt, müssen Pflegebedürftige und letztlich auch die Heime geduldig sein. Die meisten Anträge (58,84 Prozent) in Oberbayern seien zwar innerhalb der ersten vier Monate abgeschlossen worden, beim Rest dauerte es im Jahr 2023 allerdings länger. Eine eigene Statistik für den Landkreis wird nicht geführt. Längere Bearbeitungsdauern waren meist Besonderheiten bei Einzelfällen geschuldet: „Manchmal gestaltet sich die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen schwierig, oder die finanziellen Verhältnisse der Antragstellenden, die vorab abschließend geprüft werden müssen, sind besonders komplex“, erläutert ein Sprecher des Bezirks und betont: „Unsere Mitarbeitenden bemühen sich um einen engen Austausch mit Angehörigen und Betreuern, damit so schnell wie möglich Klarheit darüber besteht, ob und in welchem Umfang Hilfe zur Pflege ausbezahlt werden kann.“

Christian Osterried vom Altenheim der Heiliggeist-Spital-Stiftung in Schongau nimmt das wahr. Auch, dass Sprechstunden vor Ort angeboten werden, habe die Lage verbessert. Trotzdem: Die Bearbeitung der Anträge dauere insgesamt zu lange. Im schlimmsten Falle sei ein Bewohner bereits verstorben und sein Antrag immer noch nicht bearbeitet, so Osterried. Das komme leider vor und führe in einigen Heimen zu Liquiditätsproblemen, in jedem Fall aber zu offenen Posten in der Buchhaltung. In Schongau könne man Rechnungen und Personal bezahlen, trotzdem sei eine Beschleunigung wünschenswert. Besonders schwierig werde es etwa, wenn bei einem Ehepaar nur einer ins Heim zieht. Dann müsse ermittelt werden, wie viel Vermögen bei dem bleiben dürfe, der zu Hause wohnt.

Etwa ein Fünftel, schätzt Osterried, sei auf Beihilfe angewiesen, Tendenz steigend. Kosten nehmen zu, die Renten steigen nicht im selben Maße, ebenso wenig wie die Sätze der Pflegeversicherung.

„Als Träger von rund 150 Einrichtungen kann der Verband kurzfristige Verzögerungen abfedern, fordert die Beträge jedoch – wie jeder Gläubiger – letztendlich vom entsprechenden Kostenträger ein“, sagt Lina Quadflieg von der AWO Oberbayern, die in Peiting ein Seniorenheim hat. Wie viele Bewohner Leistungen beziehen, wird aus Datenschutzgründen nicht gesagt. Nach Beobachtungen der AWO gebe es immer wieder Schwankungen, einen signifikanten Anstieg von Unterstützungsbedarf könne man nicht beobachten.

Höhere Kosten, mehr Sozialhilfeempfänger

In Penzberg betreibt die AWO München ein Seniorenheim. Die Bewilligungsdauer für finanzielle Unterstützungen sei unterschiedlich, heißt es. In dieser Zeit, oft zwischen drei und sechs Monate, gehe das Heim in Vorleistung. Wegen ausstehender Rechnungen gekündigt habe man noch keinem, betont man bei der AWO. Man achte aber darauf, wie Angehörige bzw. der gesetzliche Betreuer mitwirken und müsse in seltenen Fällen drohen. Unter anderem Tarifsteigerungen und damit höhere Personalkosten, Inflation und steigende Energiekosten führten auch in Seniorenheimen zu steigenden Preisen und mehr Sozialhilfeempfängern.

Damit müsse der Gesetzgeber über Änderungen nachdenken, meint Richard Stiehle vom Bürgerheim Weilheim. „Die Pflegeversicherung ist leider nur eine Teilkasko, keine Vollkasko“, vergleicht er. Angesichts der Liquidität des Bürgerheims sei es möglich, die Kosten vorzustrecken, auch wenn es freilich ärgerlich sei. „Es könnte schöner laufen.“

Eigenanteil und Zuschüsse

Die Kosten unterscheiden sich je nach Heim und Pflegegrad. Ohne Zuschüsse lag die Eigenbeteiligung in Bayern laut Verband der Ersatzkassen (VDEK) im Januar 2025 bei 3286 Euro.

Menschen mit Pflegegrad 1 bekommen laut Bundesministerium für Gesundheit in vollstationärer Pflege einen Zuschuss über 131 Euro monatlich. „Im Pflegegrad 2 zahlt die Pflegekasse 805 Euro, im Pflegegrad 3 1319 Euro, im Pflegegrad 4 1855 Euro und im Pflegegrad 5 2096 Euro“, heißt es auf der Internetseite des Ministeriums. Zusätzlich gewähre die Pflegeversicherung nach Verweildauer gestaffelte Zuschläge: ab dem ersten Monat 15 Prozent des Eigenanteils, nach 12 Monaten 30 Prozent, nach 24 Monaten 50 Prozent und nach 36 Monaten 75 Prozent.

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