Bunt und laut: Erster CSD zieht durch die Region - „Bin überwältigt“, sagt Aktivist
Der erste CSD in Wolfratshausen lockt feiernde Demonstranten an. Die Organisatoren freuen sich über 350 Gäste. Und die zeigen die ganze Vielfalt.
Wolfratshausen - Buntheit und Vielfalt an einem grauen Regentag: Der erste Christopher Street Day (CSD) in Wolfratshausen lockte am Samstagvormittag laut Schätzung der Polizei rund 150 und laut Veranstaltern über 350 Lesben, Schwule, trans- und intergeschlechtliche, bi- und asexuelle Personen sowie Sympathisanten dieser LGBTQ+-Community. „Ich bin überwältigt, dass trotz des schlechten Wetters so viele gekommen sind“, sagte Leo Köppl, queerer Mitorganisator der Parade durch die Stadt. Der Umzug unter der Leitung des SPD-Politikers Raffael Joos führte von der Loisachhalle durch die Marktstraße bis zum Bahnhof und wieder zurück.
Bunt und laut: Erster CSD zieht durch die Region - „Bin überwältigt“, sagt Aktivistin
Aus einem Lautsprecherwagen am Anfang des Korsos wummerten Techno, Deutschrap und Pop. Die Teilnehmer trugen Fahnen, Schirme und Umhänge in den Regenbogenfarben. Einige waren geschminkt, andere hatten sich Neopren-Hundemasken aufgesetzt und Halsbänder angelegt – Anhänger des bei Schwulen beliebten „Puppy Play“. Ein Dutzend Mitglieder des Wolfratshauser-Geretsrieder Bündnisses „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“ zeigte Flagge, ebenso Grünen- und SPD-Stadträte. Auch von weiter her waren die Leute angereist. Rüdiger Kolm aus Penzberg wies zusammen mit einer Gruppe Penzberger und Münchner mit Pappplakaten auf die Anliegen von Transsexuellen hin. Das Bundesinnenministerium will Daten zum früheren Geschlecht und früheren Vornamen von Trans-Personen speichern und weitergeben, wogegen sich die Betroffenen wehren.
Mit Techno-Sound durch die Altstadt
Man sah Banner und Schilder mit Aufschriften wie „Jesus hatte auch zwei Väter“, „Liebe, Digga, Liebe“ oder „Happy Pride“ sowie tanzende Menschen. Kinder verteilten Aufkleber mit der Erde in den Farben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Lila. Das alles unterstrich den friedlichen und fröhlichen Charakter des Zugs. Nur in den Reden auf dem Loisachhallen-Parkplatz vor und nach der Parade wurden auch kämpferische und kritische Töne gegenüber Politikern laut, jedoch niemals beleidigende.

Die nach eigenen Angaben non-binäre Augsburgerin Ori Wigand moderierte die Kundgebung, die bis zum frühen Nachmittag dauerte. Neben zahlreichen LGBTQ+-Vertretern sprachen zwei Politiker. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff sagte, Gewalt gegen Menschen, die nicht heteronormativen Vorstellungen von Sexualität oder von eindeutigem Geschlecht entsprächen, nehme leider zu. Als „Skandal“ bezeichnete er die jüngste Debatte im Bundestag um das Verwenden der Regenbogenfahne. Während der Bundesrat sie zum Berliner Christopher Street Day am Samstag hisste, weigerte sich der Bundestag unter Präsidentin Julia Klöckner (CDU), das zu tun. Auf sie wie auf Innenminister Alexander Dobrindt war die Community in ihren Redebeiträgen nicht gut zu sprechen. „Wenn wir uns der Interessen queerer Menschen nicht annehmen, tut‘s keiner. Dann überlassen wir das Feld der rechten Seite“, mahnte Roloff.
„Harter Kampf“ für Queere auf dem Dorf
Der homosexuelle Bürgermeister von Bad Wiessee, Robert Kühn, rief dazu auf, „weiter auf die Straße zu gehen“. Er selbst hänge vor dem Rathaus die Regenbogenfahne auf – trotz Widerstands aus dem Gemeinderat. Kühn: „Demokratie bedeutet, dass die Mehrheitsgesellschaft die Minderheitenrechte schützt.“
Die jungen Redner schilderten teils sehr persönlich ihre Erfahrungen damit, auf dem Dorf zu der von Kühn beschriebenen Minderheit zu gehören. „Ich war die einzige queere Jugendliche in meiner Klasse. Es war ein harter Kampf“, sagte Zasha, Sprecherin der „Linksjugend ‚solid Oberland“. Sie wünscht sich mehr öffentliche Räume und mehr Vernetzung für ihresgleichen. „Bildet Banden“, appellierte sie an die friedlichen Demonstranten.
Sogar die CSD-Organisation Deutschland hatte einen Repräsentanten geschickt. Henryk Hoefener kritisierte, dass man die Straßen in der Loisachstadt während der knapp einstündigen Parade nicht komplett für den Verkehr gesperrt habe, und dass Bayern das einzige Bundesland ohne queeren Aktionsplan sei. Dennoch, so Hoefener, hoffe er auf „viele, viele weitere CSDs – auch in Wolfratshausen“, worauf die Menge mit Applaus und Jubel reagierte.