„Spaltung“ der Rentner: „Altersarmut darf nicht zum eigenen Versagen werden“

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Fast die Hälfte der Über-50-Jährigen kann sich Arbeit neben der Rente vorstellen. Nur bestimmte Gruppen machen das jedoch freiwillig. Der VdK kritisiert Ungleichheit.

Berlin – Das deutsche Rentensystem gerät wegen der alternden Gesellschaft immer mehr unter Druck. Die Politik arbeitet an Lösungen, doch überwiegend fordern Politiker und Ökonomen vor allem eines: einen späteren Renteneintritt. Die Erwerbstätigen sollen möglichst lange arbeiten. Fast die Hälfte der Menschen über 50 Jahre kann sich auch vorstellen, noch im Ruhestand zu arbeiten. Das geht aus einer Civey-Umfrage im Auftrag des Sozialverbands VdK hervor.

Insgesamt können sich 47,1 Prozent der Befragten grundsätzlich vorstellen, in ihrer Rente zu arbeiten. 7,8 Prozent machen das bereits, wobei die Zahl der erwerbstätigen Rentner weiter zunimmt. 38,3 Prozent können sich das nicht vorstellen. 7,8 Prozent wissen es nicht. Überwiegend ist dabei der Spaß an der Arbeit einer der Gründe für die Erwerbstätigkeit neben der Rente. Fast die Hälfte (46,9 Prozent) nennt jedoch das zusätzliche Geld als Motivation. Dabei tun sich jedoch große Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen auf.

Arbeit neben der Rente: VdK-Umfrage offenbart Ungleichheit

Überwiegend Akademiker, Selbstständige und Beamte, also Menschen mit einem tendenziell höheren Einkommen, geben Freude an der Arbeit als Grund für die Bereitschaft zur Erwerbstätigkeit in der Rente an. Für Arbeiter sind mehrheitlich eine nicht ausreichende Rente sowie das Bedürfnis, zusätzliches Geld zu verdienen, die wichtigste Motivation. Die VdK-Umfrage passt damit zu weiteren Befragungen, wonach das Vertrauen in die Rente zurückgeht.

Motivation für Arbeit neben der Rente
Arbeite gerne/es macht mir Spaß 62,3 Prozent
Zusätzliches Geld verdienen 46,9 Prozent
Rentenhöhe ist nicht ausreichend 30,5 Prozent
Andere Gründe 13,1 Prozent
Keine Angabe 1,4 Prozent

Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die Annahme des VdK, dass die Möglichkeit, neben der Rente zu arbeiten, ungleich verteilt sei, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Auf der einen Seite seien die, „die einen hohen Bildungsabschluss und eine Arbeit haben, die gut bezahlt und mit weniger körperlicher Belastung verbunden“ sei. Auf der anderen Seite seien Menschen, die „durch ihren niedrigen Abschluss keine gut bezahlten Jobs haben und auf das Weiterarbeiten nach der Rente angewiesen“ seien. „Verloren hat dann, wer das etwa wegen Krankheit, Pflege von Angehörigen oder körperlich schwerer Arbeit nicht kann“, sagte Bentele.

„Spaltung der älteren Menschen“ in der Rente: Fachkräfte haben Möglichkeit des Zuverdienstes

„Es zeichnet sich eine Spaltung der älteren Menschen ab in die gut qualifizierten und gesunden Fachkräfte, die weiterarbeiten können und die Rente als Zusatzeinkommen beziehen, und denjenigen, die das nicht schaffen oder können und auf eine niedrige Rente angewiesen bleiben“, erklärte Bentele. In der Debatte über ein höheres Rentenalter würden diejenigen vergessen, die nicht länger arbeiten können.

Wer Freude an der Arbeit als Motivation nennt
Akademiker 70,8 Prozent
Selbstständige 70,8 Prozent
Beamte 64,4 Prozent
Angestellte 60,5 Prozent
Leitende Angestellte 59,1 Prozent
Arbeiter 38,1 Prozent

Sozialverband VdK fordert Reform der Grundrente: „Armut darf nicht zum eigenen Versagen werden“

Der Sozialverband VdK fordert eine reformierte Grundrente, eine höhere Erwerbsminderungsrente und mehr Rente für pflegende Angehörige. „Die Regierung muss dafür sorgen, dass alle Menschen nach Eintritt in das Rentenalter eine gute und sichere Rente haben“, sagte Bentele. Weiterarbeiten sollten nur die, die es wollen. „Altersarmut darf nicht zum eigenen Versagen werden.“

Verena Bentele, Präsidentin vom VdK, hält eine Rede.
Verena Bentele warnt vor einer „Spaltung“ der älteren Menschen bei der Arbeit neben der Rente. (Archivfoto) © Christophe Gateau/dpa

VdK kritisiert doppelte Benachteiligung von Menschen, die neben der Rente nicht arbeiten können

Es gebe eine doppelte Benachteiligung von Menschen, die im Alter nicht arbeiten können, kritisiert der VdK in einer Mitteilung. Wegen des früheren Renteneintritts oder Erwerbsminderung würden sie Abschläge in Kauf nehmen. Zudem können sie Vergünstigungen von Rentenbezug und parallelem Erwerbseinkommen nicht in Anspruch nehmen. Wer länger arbeitet, sammelt weitere Rentenpunkte und kann die Leistungen dadurch erhöhen.

„Statt Rentnerinnen und Rentner mit hohen Abschlägen zu zwingen, länger zu arbeiten, sollten an erster Stelle Arbeitgeber überlegen, wie sie längeres Arbeiten ermöglichen können“, erklärte Bentele. Es brauche altersgerechte Arbeitsplätze, attraktive Arbeitszeitmodelle, guten Arbeitsschutz, betriebliche Gesundheitsförderung, gute Löhne und kontinuierliche Weiterbildungen.

Über die Umfrage

Vom 1. bis zum 7. August 2024 hat das Meinungsforschungsinstitut Civey 2510 Menschen ab 50 Jahren online befragt. Aufgrund von Quotierungen und Gewichtungen seien die Ergebnisse repräsentativ, teilte der Sozialverband VdK mit. Der statistische Fehler liege bei 3,4 Prozentpunkten.

Im Rahmen der sogenannten Wachstumsinitiative hat die Ampel-Koalition im Juli mehr Arbeitsanreize für Rentner angekündigt. Unter anderem sollen Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung direkt an die Beschäftigten fließen. Wer seinen Rentenbeginn verschiebt, soll eine Rentenaufschubprämie erhalten.

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