Ex-Chef der Rentenversicherung kritisiert Rentenpolitik der letzten Jahre: „Sozialhilfe de Luxe“
Das deutsche Rentensystem steht vor einer gewaltigen Belastungsprobe. Der Chef des früheren Rentenversicherungs-Verbandes äußert heftige Kritik an der Politik der letzten Jahre.
Berlin – Das deutsche Rentensystem muss reformiert werden, da sind sich eigentlich alle Experten einig. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation sich in den kommenden Jahren in den Ruhestand verabschieden, kommen immer weniger Beitragzahlende auf immer mehr Rentebeziehende. Das bringt die Rentenkassen an die finanziellen Grenzen – was an sich keine Überraschung ist und schon seit Jahrzehnten vorhersehbar.
In einem Beitrag in der Fachzeitschrift „Deutsche Rentenversicherung“ rechnet nun Franz Ruland, Chef des früheren Rentenversicherungs-Verbandes von 1992 bis 2005, mit der Rentenpolitik der vergangenen Jahrzehnte ab. Er befürchtet, dass die Reserven der Rentenkassen nach 2027 aufgebraucht sein werden. Dann würden die Beitragssätze steigen und „die Politik wird keine neuen Wohltaten mehr verteilen können“, so Ruland.
Ruland zur Rente mit 63: „Völlig falsches Signal“
Besonders ärgert den Juristen die 2014 durch Andrea Nahles (SPD) eingeführte sogenannte „Rente mit 63“. Deshalb trat Ruland damals auch aus der SPD aus. „Die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren schloss keine Gerechtigkeitslücke, wie behauptet wurde, sondern schaffte nur neue Ungerechtigkeiten“, schreibt Ruland. Sie begünstige vor allem Männer sowie „privilegiert Versicherte mit höheren Renten“.
Zudem habe man mit der Rente mit 63 „ein völlig falsches Signal gesetzt“. Denn, so sein bitteres Fazit: „Eine verantwortungsvolle nachhaltige Rentenpolitik hätte wegen der auf die Rentenversicherung zukommenden demografischen Probleme darauf setzen müssen, die Lebensarbeitszeit zu verlängern, statt sie zu verkürzen.“
Grundrente als ‚Sozialhilfe de luxe‘?
Auch an neueren Rentenprojekten, wie der von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) 2021 eingeführten Grundrente lässt Ruland kein gutes Haar – er hat sogar juristische Bedenken. Mit der Grundrente gibt es einen Zuschlag für Menschen, die lange gearbeitet haben, aber trotzdem nur wenig Rente erhalten. Die Grundrente sei aber „keine ,Rente‘, sondern … eine ,Sozialhilfe de luxe‘”, schreibt der Jurist.
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Was ihn besonders stört: Damit würde es zu einer Ungleichbehandlung von Beschäftigten kommen. Laut Ruland könnten Versicherte, die 32 Jahre lang Vollzeit gearbeitet haben, eine niedrigere Rente bekommen „als Versicherte, die 35 Jahre nur halbtags gearbeitet und viel weniger Beiträge eingezahlt haben“. Seine Bilanz: „Die Grundrente begünstigt vor allem Personen, die teilzeitbeschäftigt waren.“ Diese Beschäftigten könnten dann insgesamt eine gleich hohe oder sogar höhere Rente erhalten als Menschen, die nur etwas kürzer vollzeitbeschäftigt waren, kritisiert der Jurist. Das sei jedoch „mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes unvereinbar“, beklagt Ruland.