Eine neue Studie zum Stand des Sozialen Wohnungsbaus im Land hat die Bundesbauministerin wohl wenig gepasst. Bei Tagesschau24 behauptet sie also: Die Studie sei „hochgradig unseriös“.
Berlin – Am Dienstag (16. Januar) stellte das Bündnis „Sozialer Wohnungsbau“ seine neue Studie vor, so wie sie es seit Jahren jährlich tut. Die Ergebnisse stammen vom Pestel-Institut, ein renommiertes Forschungsinstitut mit mehr als 40 Jahren Erfahrung im Wohnungsmarktsektor. Doch die dramatischen Ergebnisse des Instituts will Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) einfach nicht wahrhaben. In der ARD nennt sie sie also „hochgradig unseriös“ und behauptet sogar: „Die Zahlen haben sich die Kollegen ausgedacht“.
Das Bündnis besteht aus mehreren großen Akteuren: der Deutsche Mieterbund (DMB), die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP), der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) sowie die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM).
Bündnis Sozialer Wohnungsbau empört: Geywitz versuche Studie zu untergraben
Und die reagieren empört auf die Aussagen von Geywitz. In einer noch am selben Abend verschickten Pressemitteilung schreibt das Bündnis: „Wir weisen die Vorwürfe der Bundesbauministerin auf das Schärfste zurück. Die Reaktion von Klara Geywitz auf die Wohnungsmarkt-Studie ist der untaugliche Versuch, mit dem Mittel der Unterstellung der Falschinformation die Studienergebnisse zu untergraben.“
Die Studie des Pestel-Instituts hatte festgestellt, dass in Deutschland 910.000 Sozialwohnungen fehlen. Bund und Länder hätten die Förderung von solchen Wohneinheiten massiv vernachlässigt, erklärte das Bündnis. Die Studie des Pestel-Instituts aus Hannover zeige, dass der Staat in besonders angespannten Wohnungsmärkten, in denen es an bezahlbaren Alternativen mangele, deutlich über dem Durchschnitt liegende Mieten bei der Übernahme der Kosten der Unterkunft zahle.
Das Bündnis „Soziales Wohnen“ bekräftigte seine Forderung nach einem 50-Milliarden-Euro-Paket von Bund und Ländern, mit dem sozialer Wohnraum gefördert werden solle. Nur so könne es gelingen, dem Ziel der Ampel-Koalition, 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr neu zu bauen, „wenigstens ein Stück“ näherzukommen.
Geywitz: Ampel investiert „Rekordsumme“ in sozialen Wohnungsbau
Geywitz räumte bei Tagesschau24 ein, dass es zu wenige Sozialwohnungen gebe. Dies sei die Folge von zwei Jahrzehnten fehlender Gelder für den sozialen Wohnungsbau. „Deshalb investiert der Bund seit Anfang der Legislaturperiode eine Rekordsumme in den sozialen Wohnungsbau, allein in diesem Jahr 3,15 Milliarden Euro und über 18 Milliarden insgesamt bis 2027.“ Auf einer Sonderbauministerkonferenz hätten sich die Länder vorige Woche dazu verpflichtet, ihren Eigenanteil an zusätzlichen Mitteln des sozialen Wohnungsbaus von 30 auf 40 Prozent zu steigern.
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Doch mit der Unterstellung, die Studie sei unseriös, verscherzt es sich die Bauministerin mit genau den Akteuren, die sie für den Wohnungsbau eigentlich braucht. „Es spricht für sich, wenn die Bundesministerin, die von dem Erreichen der selbst gesteckten Ziele meilenweit entfernt ist, unliebsame Wahrheiten bei nicht genehmen Studienergebnissen als ‚hochgradig unseriös‘ abqualifiziert“, so das Bündnis zu den Vorwürfen.
Thomas Reimann, Präsident des hessischen Baugewerbes, hält die Zahlen des Pestel-Instituts durchaus für möglich. „Ob es nun mehr als 900.000 Wohnungen sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber es ist doch logisch, dass bei wahrscheinlich mehr als 600.000 nicht gebauten Wohnungen von 2022 bis 2025 auch eine große Anzahl von Sozialwohnungen fehlen“, schreibt er in einer Nachricht an Ippen.Media. In seiner Karriere könne er sich „nicht daran erinnern, dass die Situation im Wohnungsbau in den letzten Jahrzehnten so prekär wie gegenwärtig war.“
Die Bauministerin sollte auf die Akteure im Wohnungsbau hören, anstatt sie zu diskreditieren, so Reimann weiter. „Viele gute Ideen haben die Branchenvertreter der Regierung bereits übermittelt, doch offensichtlich hört Berlin und auch die Bundesbauministerin nicht auf diese Ratschläge.“
Mit Material von Reuters