Zwischenfall mit zwei Toten: Konflikt zwischen China und Taiwan spitzt sich zu

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Nach dem Tod von zwei Fischern stehen die Zeichen zwischen China und Taiwan auf Konfrontation. Die USA rufen zu Zurückhaltung auf, doch Peking schafft Fakten.

Kinmen ist ein Kuriosum der Weltgeschichte: Die kleine Inselgruppe liegt unmittelbar vor Chinas Küste, vom Strand aus erkennt man mit bloßem Auge die Hochhausfassaden der chinesischen Millionenstadt Xiamen. Kontrolliert wird Kinmen allerdings von Taiwan, der demokratisch regierten Inselrepublik, die Peking für sich beansprucht. Noch bis Ende der 1970-er Jahre beschoss das kommunistische China die Insel fast täglich mit Granaten, Kinmen war Sperrgebiet. Heute ist die Insel ein beliebtes Touristenziel – und seit ein paar Tagen wieder Schauplatz von Spannungen zwischen Peking und Taipeh.

Es begann vor einer Woche. Am vergangenen Mittwoch war ein chinesisches Fischerboot laut taiwanischen Angaben illegal in die Gewässer vor der Insel eingedrungen und nach einer Verfolgungsjagd mit der Küstenwache gekentert. Vier Fischer gingen über Bord, zwei von ihnen starben wenig später in einem Krankenhaus. Peking sprach anschließend von einem „bösartigen Vorfall“ und machte Taiwans Regierungspartei dafür verantwortlich. Diese habe „verschiedene Vorwände benutzt, um Fischerboote des Festlandes gewaltsam zu beschlagnahmen und Fischer des Festlandes grob und gefährlich zu behandeln“, erklärte Chinas Büro für Taiwan-Angelegenheiten. Aus Taipeh hieß es, man bedauere den Vorfall zwar, habe aber in Übereinstimmung mit geltenden Gesetzen gehandelt.

China verschiebt die Realität an der Taiwanstraße immer mehr zu seinen eigenen Gunsten

An diesem Montag dann war es ein taiwanisches Boot, das ins Visier der chinesischen Behörden geriet. Kurz vor fünf Uhr nachmittags wurde der kleine Ausflugsdampfer „King Xia“ von zwei Schiffen der chinesischen Küstenwache unmittelbar vor der Küste von Kinmen abgefangen, nachdem er etwas von Kurs abgekommen war. Die elf Besatzungsmitglieder wurden von mehreren chinesischen Beamten rund eine halbe Stunde lang kontrolliert, anschließend wurde das Schiff zurück nach Kinmen eskortiert. Kuan Bi-ling, die Leiterin des taiwanischen Rates für Ozeanangelegenheiten, erklärte anschließend, Chinas Vorgehen habe „die Gefühle unseres Volkes verletzt und Panik ausgelöst“. Am Dienstag drang dann erneut ein chinesisches Küstenwachenschiff in die Gewässer rund um Kinmen ein.

Gefährlicher als die Vorfälle selbst dürfte etwas anderes sein: China verschiebt die Realität in der Taiwanstraße immer mehr zu seinen eigenen Gunsten. Zwar betrachtet China Kinmen, wie auch das übrige Taiwan, schon immer als Teil des eigenen Staatsgebiets und damit auch die Gewässer rund um die Inseln als eigene Hoheitsgewässer. Bislang hat Peking die faktische Grenze zwischen Kinmen und dem Festland aber respektiert. Das hat sich nun geändert. Am vergangenen Wochenende kündigte China regelmäßige Kontrollen rund um Kinmen an, zudem erklärte Peking, es habe „nie so etwas wie ‚verbotene‘ oder ‚eingeschränkte‘ Gewässer“ rund um die Insel gegeben. Der stillschweigende Konsens zwischen Peking und Taipeh ist damit Geschichte.

China versuche, „Taiwans Fähigkeit, diese Gewässer zu verwalten, zu untergraben und anzufechten“, zitiert CNN den Politikwissenschaftler Ian Chong von der National University in Singapur. Nationalistische chinesische Kommentatoren feiern die Vorgänge bereits als „Durchbruch“. China etabliere „einen neuen Normalzustand“, jubelte etwa der Pekinger Jura-Professor Tian Feilong.

Der befestigte Strand von Kinmen, eine vorgelagerte Insel – und dahinter die chinesische Stadt Xiamen.
Der befestigte Strand von Kinmen, eine vorgelagerte Insel – und dahinter die chinesische Stadt Xiamen. © Sam Yeh/AFP

Würden die USA für Kinmen in den Krieg ziehen?

Die sogenannte Medianlinie, die inoffizielle Grenze zwischen beiden Ländern, respektiert China bereits seit einigen Jahren nicht mehr. Fast täglich sendet Peking Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe in die Nähe von Taiwan, von denen einige immer wieder die Medianlinie überqueren. Zudem überfliegen seit einigen Wochen chinesische Beobachtungsballons regelmäßig die taiwanische Hauptinsel. Beobachter sprechen von sogenannten „Grauzonen-Aktivitäten“, also militärischen Manövern, die nicht ganz so weit gehen wie ein direkter Angriff.

Die USA riefen am Dienstag beide Seiten zu Zurückhaltung auf. Ohne direkt auf die Vorgänge rund um Kinmen einzugehen, sagte Joe Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan, die USA seien „gegen jede Art von Aktion, egal von welcher Seite, die den Frieden und die Stabilität untergräbt“.

Washington unterhält keine diplomatischen Beziehungen mit der taiwanischen Regierung, unterstützt den Inselstaat aber mit Waffenlieferungen. Zudem hat Präsident Biden mehrfach erklärt, sein Land werde Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch beistehen. Militärexperten bezweifeln allerdings, dass diese Zusage auch dann gilt, wenn China nicht die taiwanische Hauptinsel selbst angreift, sondern lediglich die kleinen vorgelagerten Inseln wie Kinmen. Einen Krieg mit China dürften die USA wegen dem kleinen Eiland mit seinen rund 120.000 Einwohnern jedenfalls kaum beginnen.

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