Warum der Kindergarten so wichtig ist
Seit 2018 gibt es an der Franz-Marc-Grundschule in Kochel einen Jugendsozialarbeiter, der sich um verhaltensauffällige und hilfsbedürftige Schüler kümmert. Diese Stelle ist heute so notwendig wie vor sechs Jahren.
Kochel am See – Dies machte Jugendsozialarbeiter Andreas Krämer in seinem Bericht im Kochler Gemeinderat deutlich. Damit eine Schule einen Sozialarbeiter bekommt, müssen gewisse Grundvoraussetzungen erfüllt sein. So muss unter anderem der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund über 20 Prozent liegen. Diesen Wert übertrifft die Franz-Marc-Grundschule mit 43,5 Prozent noch immer deutlich. „Das sind ähnliche Werte wie in Geretsried“, sagte Krämer. Er habe sich im vergangenen Schuljahr mit 23 Einzelfällen beschäftigt. 16 der 23 Fälle drehten sich um Kinder mit Migrationshintergrund, in acht Fällen ging es um Kinder alleinerziehender Eltern. Hinzu kämen „ganz viele“ kleinere Themen und Streit-Schlichtungen, die nicht in der Statistik auftauchen.
Kinder nimmt vieles mit
Entscheidend sei vor diesem Hintergrund, dass die Kinder die deutsche Sprache beherrschen: „Dafür ist es essenziell, dass die Kinder ab dem dritten Lebensjahr einen Kindergarten besuchen. Sonst kommt eine Lawine in Gang. Und wer muss sie aufhalten? Die Schule.“ Zugleich dürfe man sein Augenmerk nicht nur auf Migration richten, empfahl Krämer: „Schicksalsschläge, Tod, Krankheiten, Umzug, Scheidung oder Trennung der Eltern – all dies nimmt Kinder wahnsinnig mit.“
Erlernen der Sprache ist von großer Bedeutung
Markus Greiner merkte an: „Wenn man weiß, dass Sprache so eminent wichtig ist: Warum schleust man dann die Kinder in die Schule ein, wohlwissend, dass dann eine Lawine ins Rollen kommt? Warum ändert man da das System nicht?“ Krämer entgegnete: „Gute Frage.“ Für Kinder gebe es keine Sprachkurse, aber sie würden Deutsch „richtig, richtig schnell“ im Kindergarten lernen. Es sei fatal, wenn vor diesem Hintergrund für Kinder mit Migrationshintergrund kein Kindergartenplatz frei ist: „Dann besteht die Gefahr, dass Kinder mit normaler Intelligenz in einem Förderzentrum landen“, sagte Krämer. „Wollen wir das wirklich?“
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Gerade habe ihm eine Familienpatin einen bedrückenden Fall geschildert: „Die Frau möchte arbeiten. Aber das geht nicht, weil sie keinen Kindergartenplatz bekommt. Und einen Kindergartenplatz bekommt sie nicht, weil sie nicht arbeitet.“ Er selbst kenne Familien, in denen die Väter 60 bis 70 Stunden pro Woche arbeiten müssen und kaum Kontakt zu ihren Kindern haben. Man müsse sich also jeden Einzelfall „ganz genau anschauen“.
Stundenzahl reicht aus
Zweiter Bürgermeister Thomas Eberl wollte wissen, ob Krämers Stundenzahl ausreicht, um alle Aufgaben zu erfüllen. Der Jugendsozialarbeiter bejahte dies. „Die Franz-Marc-Schule ist so klein, dass ich fast alle Schüler mit Namen kenne. Das ist ein Luxus und wahnsinnig gut, so nahe dran zu sein.“ Seine Kollegen in Geretsried zum Beispiel müssten viel größere Schülerzahlen betreuen.
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Markus Greiner wollte wissen, wo Krämer Verbesserungsmöglichkeiten sieht. „Es gibt keine Formel dafür, die Fälle alle anders“, entgegnete der Jugendsozialarbeiter. Es gehe um Haltung und darum, in Kontakt zu kommen. „Und wie geht das? Über Räume, über Plätze und indem man aufeinander zugeht. Indem man zum Beispiel sagt: Komm zu uns in den Verein.“ Er habe eben erst mit einem Buben zu tun gehabt, der sich nichts sehnlicher wünschte, als in einem Verein Fußball spielen zu dürfen. Dieser Wunsch sei ihm erfüllt worden: „Und drei Wochen später war der Bub in der Schule ein ganz anderer Mensch – Wahnsinn.“