Der Landkreis Oberallgäu steht beim Haushalt 2025 vor einem neuem Schuldenberg

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Der Kreishaushalt „beschert“ den Kommunen eine deutliche Erhöhung der Kreisumlage und kommt ohne Neuverschuldung nicht aus. © Panthermedia/salexander2

Nach mehreren Vorberatungsrunden in den vergangenen Wochen hat der der Kreistag des Landkreises Oberallgäu seinen Haushalt für das Jahr 2025 beschlossen. Ein Kraftakt für Kreiskämmerer Reinhard Reitzner und sein Team ebenso wie für die Mitglieder des Kreisausschusses, wie in den Statements der Fraktionssprecher zu entnehmen war.

Oberallgäu – Vor einer absehbaren Finanzlücke wurde sämtliche „Posten“ auf mögliches Sparpotenzial abgeklopft. Dennoch: ohne eine Neuverschuldung und einen Griff in die Rücklagen geht es nicht. Sparkurs wird weiterhin angesagt sein. Im Mai soll einen Klausur-Sitzung weiteres Sparpotenzial freilegen, um auf weitere schwierige Jahre vorbereitet zu sein. „Der Haushalt ist gerechnet. Der Haushalt steht“, stellte Kreiskämmerer Reinhard Reitzner an den Anfang seiner Erläuterung im Kreistag.

Reinhard
 Reitzner
Kreiskämmerer Reinhard Reitzner sorgt sich um die künftige Entwicklung. © Josef Gutsmiedl

Die Rahmenbedingungen hatte er in den vergangenen Sitzungen und Beratungen mehrfach skizziert. Zwar könne der Landkreis von höheren Schlüsselzuweisungen des Freistaats Bayern rechnen, an der seit langem schwächelnden Umlagekraft ändere das nichts. Seit Jahren ist das Oberallgäu Schlusslicht auf Platz zehn in Schwaben und liegt klar unter dem Durchschnitt für die Landkreise in Bayern und in Schwaben.

Große Deckungslücke im Kreishaushalt

In Schwaben bleibe es bei Rang 10, im Bayern-Ranking sei das Oberallgäu sogar weiter abgerutscht auf Rang 51 nach zuletzt 47 von 71 Landkreisen im Freistaat. „Es sieht dramatisch aus!“, folgert Reitzner. Und wenn der Kämmerer die „Schlussrechnung“ aufmacht kommt er zu dem Ergebnis: Es gibt eine Deckungslücke im Kreishaushalt von 7,3 Millionen Euro – bei unveränderte Kreisumlage von zuletzt 44,5 Prozentpunkten. Und umgelegt auf die von den Kommunen zu leistende Umlage bedeute das eine Erhöhung um 3,35 Prozentpunkte auf 47,85 Prozent um das Loch zu stopfen.

Auch die Landkreise in Schwaben werden über die Bezirksumlage „zur Kasse gebeten“. Nach einer Erhöhung um 3,8 Prozentpunkte werden die Landkreise mehr zahlen müssen; der Landkreis Oberallgäu mithin fast 55 Millionen Euro. Allerdings bestreitet der Bezirk Schwaben die Kosten für viele „sozialnahe Leistungen“, was eine erhebliche Belastung vom Landkreis nimmt. Zusammen mit den „Sozialen Leistungen“ (unter anderem Jugendhilfe mit einen Plus von 1,9 Millionen Euro) mit gut einem Drittel des Haushaltplanes (78 Millionen Euro) kommt die Planung unterm Strich auf 60 Prozent, also fast zwei Drittel des „Kuchens“ in der grafischen Darstellung des Etats.

Gestiegenen Personalkosten

Auch die Personalkosten sind gestiegen – etwa durch Lohnsteigerungen und Inflation. Eine sogenannte Wiederbesetzungssperre habe sich nicht als Allheilmittel erwiesen, erklärt Reitzner. „Eine Nichtbesetzung funktioniert nicht überall.“ Diesen negativen Effekt macht dabei auch Landrätin Indra Baier-Müller aus: Die Qualität der Verwaltung dürfe keinesfalls Schaden nehmen. Von Überbesetzung oder Unterforderung könne nicht die Rede sein.

Um die „Rechnung“ zu retten, hält Kreiskämmer Reitzner eine Erhöhung der Kreisumlage um 3,35 Prozentpunkte auf dann 47,85 Punkte für unausweichlich. Dann kommen 8 Millionen Euro mehr in die Kreiskasse – statt 97,5 Millionen wie im Vorjahr also 105 Millionen Euro.

Lange habe das Oberallgäu im Vergleich zu anderen Kreisen in Schwaben eine moderate Umlage erhoben, zuletzt 44,50 Prozentpunkte. Noch deutlicher sei der Abstand zu den Landkreisen in der oberbayerischen Alpenregion. Die „Abhilfe“ durch eine Erhöhung der Kreisumlage, sei jedoch kein Freibrief für einen maßlosen Griff in die Kassen der Kommunen, verweist Reitzner auf die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichts.

Die Prüfung in dieser Hinsicht habe „keinerlei Anzeichen“ dafür erkennen lassen, dass die Leistungsfähigkeit der Kommunen „strukturell und auf Dauer“ nicht gegeben sei. Vielmehr habe keine Gemeinde Bedarfszuweisungen oder Stabilisierungshilfen in Anspruch nehmen können. „Es kann also keinen Vorwurf geben, dass der Landkreis zügellos in die Kassen greife“, betonte Reitzner.

Deutlicher Anstieg der Verschuldung

Weitere große Belastungen sieht Reitzner auf den Landkreis zukommen, wenn es um die Maßnahmen für Sanierung oder Neubauten von Schulen in der Trägerschaft des Kreises geht. Die Verschuldung werde deutlich steigen nach einer Phase des Abbaus bis 2020 auf 8,7 Millionen und aktuell 12,3 Millionen Euro. Durch die „dicken Brocken“ rechnet der Kämmerer mit einem Anstieg auf rund 62 Millionen im Jahr 2028. Ähnlich düster sieht es bei den Rücklagen aus.

Nach der aktuellen Entnahme von knapp drei Millionen Euro für den 220-Millionen-Haushalt 2025 bleiben noch zwei Millionen „auf dem Konto“. Zugleich muss im selben Zug ein neuer Kredit von knapp vier Millionen eingebucht werden. Die Schulden werden „eine zeitlang auf hohem Niveau“ bleiben, ergänzte der Kämmerer. Eine Perspektive, die er schon wiederholt angedeutet hatte. Den Kopf in den Sand stecken angesichts solcher Aussichten will der Landkreis aber nicht.

Klausursitzung speziell zu Haushaltsthemen?

Auf Anregung der Fraktionen der CSU und der Jungen Liste Oberallgäu stellte Landrätin Indra Baier-Müller eine Klausur-Sitzung speziell zu Haushaltsthemen in Aussicht, möglichst noch im Mai diesen Jahres. Ziel soll es nicht zuletzt sein, weiteres „Sparpotenzial“ zu heben und die guten Ansätze dabei weiter zu verfolgen. Es gehe darum, Wege zu finden, um eine Wiederholung der schwierigen Haushaltsberatungen in den kommenden Jahren zu vermeiden und Perspektiven zu finden. In den Stellungnahmen der Fraktionen zum Haushalt 2025 lobten alle Fraktionen die intensive Aufbereitung und Darstellung.

Indra Baier Müller
Landrätin Indra Baier-Müller hofft auf gute Ergebnisse einer Haushaltsklausur, die schon im Mai stattfinden soll. © Josef Gutsmiedl.

„Das zeigt: wir gehen auf bittere Jahre zu“, so Joachim Konrad für die CSU. Die goldenen Jahre seien endgültig vorbei. Der Sozialstaat wachse allen Verantwortlichen über den Kopf. „Die Spirale bei den Sozialausgaben muss gestoppt werden.“ Eine Erhöhung der Kreisumlage um 3,35 Prozentpunkte halte die Fraktion für „durchaus gerechtfertigt“, so Konrad. Auch die Freien Wähler könnten den Haushaltsplan zustimmen, ergänzte Phillip Prestel. Man habe das Mögliche getan, ohne das Notwendige außer Acht zu lassen, beschrieb er den langwierigen Beratungsprozess.

Wenig Sparpotenzial erkennbar

Der Landkreis lebe keinesfalls über seine Verhältnisse; großes Sparpotenzial sei nicht zu erkennen. Launig fügte er an: Der Hebesatz von 47,85 erinnere ein wenig an den Duft von 4711, das bekannte Parfüm. Kritik gab es aus der Grünen-Fraktion. Man habe beim Punkt Sparpotenzial ein spartenübergreifendes Handeln verpasst, sagte Christina Mader und lenkte den Blick auf den Straßenbau: „Hier gibt es Potenzial!“

Die Grünen warnen zudem vor der Streichung der Fördermittel für kulturelle Einrichtungen; Ziele wie Klimaschutz und ÖPNV müssten unbedingt weiterverfolgt werden. Dennoch: Auch die Grünen stimmten dem Haushalt 2025 zu. Die Ausgaben beim Straßenbau – eingeplant sind 22,5 Millionen Euro, wobei allerdings auch Fördermittel in Höhe von 16 Millionen erwartet werden – kritisierte auch SPD-Kreisrat Markus Kubatschka.

Da sei eine Senkung möglich. Kein Potenzial erkenne die SPD aber bei Investitionen in Bildung und Jugendhilfe. Viel Geld, aber gut angelegtes Geld, finde seine Fraktion. „Wir sehen leider keine reelle Chance, dass wir auf Kreisebene beim sozialen Bereich sparen können.“ Es gehe hier um Menschen, die in der Regel besondere Unterstützungbrauchten und an denen man nicht sparen wolle. Michael Käser von der FDP lobte den Einsatz aller Fraktionen bei der Ausarbeitung von Sparpotenzialen. Der Auftrag an alle laute unverändert: Stets überlegen nach dem Motto „Braucht’s das wirklich?“

Kritik an der Deckungslücke und Vergabe von Fördermitteln gab’s von Hubert Seif (AfD). Ein regionaler Schlachthof sei wichtiger als fragwürdige Ökoprojekte, so sein Beispiel für eine „Steuerverschwendung für Ideologie“, wie er meinte. Quasi das Schlusswort der Haushaltsdebatte fasste Landrätin Indra-Baier-Müller (Freie Wähle) in ihrer Stellungnahme zusammen. „Die Ausgangslage für die Aufstellung des Kreishaushalts war keine gute.“ Die Rahmenbedingungen mit schlechter Einwicklung der Steuereinnahmen einerseits, sowie die Belastungen durch die Übernahme der weiterführenden Schulen andererseits, und letztlich die absehbare deutliche Erhöhung der Bezirksumlage, hätten die Beratungen geprägt.

Schwierige Rahmenbedingungen

Zudem seien die Ausgaben für soziale Bereiche weiter gestiegen. „Wir haben es in den letzten Jahren im Gegensatz zu vielen anderen Landkreise trotz steigender Kosten geschafft, die Ausgaben stabil zu halten“, bilanzierte die Landrätin. Andererseits müsse sie beklagen, dass es immer weitere Übertragung von Aufgaben und ausgeweitete Rechtsansprüche und Standards gebe, ohne die entsprechende Finanzierung zu sichern.

Indra Baier-Müller: „Wir benötigen als Landkreise und Städte eine auskömmliche Finanzierung für unsere Aufgaben. Dies ist nicht mehr gewährleistet.“ Die aktuelle ausgereichten sogenannten Fraktionsreserve solle man besser für die Finanzierung von Pflichtaufgaben einsetzten und nicht für Projekte. Mögliche Sparpotenziale seien ausgeschöpft worden, auch wenn nicht allesamt sofort wirksam würden.

Einsparungen im Personalwesen, etwa durch eine beschlossene Wiederbesetzungssperre für sechs Monate könnten zudem nicht beliebig angewendet werden, ohne die Leistungsfähigkeit der Kreisverwaltung zu verringern, gab die Landrätin zu bedenken. Hoffnung, weitere Ansätze für Sparpotenzial zu finden, verbinde sie mit der geplanten Klausur aller Fraktionen zum Thema der zukünftigen Haushaltplanung. „Lassen Sie uns streiten und diskutieren, um unterschiedliche Sichtweisen zusammenzuführen.“ Der Kreistag beschloss den Haushaltsentwurf 2025 und seine Satzungen einstimmig.

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