Durchbruch einer Studie: Struktur im Gehirn zeigt, ob sich eine Depression entwickelt

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Eine neue Studie enthüllt Veränderungen im Gehirn, die darüber Aufschluss geben könnten, ob sich eine Depression entwickelt. Der Schlüssel liegt in der Struktur eines Netzwerkes.

New York City – Depression ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit und stellt Forscher seit Jahrzehnten vor große Rätsel. Allein in Deutschland erkrankt jeder fünfte bis sechste Einwohner einmal in seinem Leben an Depression, häufig ist die Ursache jobbedingt.

Die 12. Monatsprävalenz – also der Anzahl der Erkrankten pro Jahr – liegt, laut Springer Medizin, hierzulande bei knapp 6 Millionen. Weltweit sind 322 Millionen Betroffene verzeichnet. Anzumerken ist, dass Frauen doppelt so häufig eine Depressionsdiagnose erhalten als Männer.

Studie zeigt Netzwerk im Gehirn, das auf Depressionen zurückzuführen ist

Eine neue Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature, bringt nun jedoch Licht ins Dunkel und könnte helfen, die Mechanismen besser zu verstehen, die dazu führen, dass sich eine Depression entwickelt. Ein internationales Forscherteam, darunter Wissenschaftler von Weill Cornell Medicine, hat herausgefunden, dass ein bestimmtes Netzwerk im Gehirn bei Menschen mit Depressionen deutlich vergrößert ist. Dies könnte der Schlüssel zu einem besseren Verständnis der Erkrankung sein und möglicherweise zukünftig präzisere Diagnosen und personalisierte Behandlungsansätze ermöglichen.

Neue Studie: Wissenschaftler entdecken ein doppelt so großes Gehirnnetzwerk bei Depressionspatienten © IMAGO / Cavan Images

Depression verstehen: Das frontostriatale Salienznetzwerk spielt zentrale Rolle im Gehirn

Die Studie konzentriert sich auf das sogenannte „frontostriatale Salienznetzwerk“, das eine entscheidende Rolle bei der Steuerung der Aufmerksamkeit auf Belohnungen und Bedrohungen spielt. Normalerweise arbeiten Gehirnnetzwerke effizient zusammen, um verschiedene Aufgaben zu bewältigen. In den Gehirnen von Menschen mit Depressionen jedoch ist dieses Netzwerk stark vergrößert, was zu einer Art „Kampf um Platz“ im Gehirn führt. Forscher beobachteten, dass benachbarte Netzwerke dadurch verkleinert werden, was vermutlich Auswirkungen auf andere mentale Funktionen hat.

Dieses Phänomen wurde durch eine neue Methode der Hirnforschung entdeckt: das „Precision Functional Mapping“. Dabei werden Hirnscans einzelner Personen in hoher Dichte und über längere Zeiträume hinweg analysiert. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das „frontostriatale Salienznetzwerk“ bei depressiven Menschen im Durchschnitt um 73 Prozent größer ist als bei gesunden Kontrollpersonen.

Ein 3D-Modell eines PET-Hirn-Scans.
Neue Erkenntnis: Scans zeigten, dass bei depressiven Personen das frontostriatale Salienznetzwerk im Durchschnitt um 73 % erweitert war. ©  Charles Lynch/Conor Liston/Weill Cornell Medicine

Volkskrankheit Depression: Wie das frontostriatale Salienznetzwerk unsere Psyche beeinflusst

Ein wichtiger Aspekt der Studie ist die Entdeckung, dass das vergrößerte Netzwerk bei den Betroffenen stabil bleibt – sich also nicht wieder zurückentwickelt und verkleinert. Unabhängig davon, ob sie sich in einer depressiven Phase oder in einer symptomfreien Phase befinden, blieb das Netzwerk in seiner erweiterten Form bestehen. Dies deutet darauf hin, dass es sich eher um einen strukturellen Risikofaktor handelt, der möglicherweise schon vor dem Auftreten der Krankheit vorhanden ist. Eine zusätzliche Untersuchung von Gehirnscans von Kindern, die später im Jugendalter Depressionen entwickelten, zeigte, dass das Netzwerk bereits Jahre vor dem Ausbruch der Symptome vergrößert war.

Dr. Charles Lynch, Mitautor der Studie, kommentierte gegenüber The Guardian, dass dieses Phänomen möglicherweise eine frühzeitige Identifizierung von Menschen ermöglicht, die ein höheres Risiko für die Entwicklung von Depressionen haben: „Das Netzwerk beansprucht mehr Raum auf der Gehirnoberfläche, als wir es bei gesunden Menschen beobachten.“ Diese Erkenntnis könnte ein wichtiger Schritt hin zu präventiven Maßnahmen sein, indem besonders gefährdete Personen frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Depression frühzeitig erkennen: Symptome und Netzwerkveränderungen

Die Forscher gingen, in der Studie, auch der Frage nach, wie sich dieses vergrößerte Netzwerk auf die Symptome von Depressionen auswirkt. Sie stellten fest, dass die Synchronisation der Signale innerhalb dieses Netzwerks abnimmt, wenn bestimmte depressive Symptome stärker werden. Insbesondere bei anhaltender Anhedonie, dem Verlust von Freude und Interesse an Aktivitäten, war dieser Effekt besonders ausgeprägt. Die Fähigkeit des Netzwerks, effizient zu arbeiten, scheint also direkt mit der Intensität und Art der Symptome verbunden zu sein.

Längsschnittanalysen zeigten zudem, dass die Veränderungen in der Vernetzung zwischen dem Striatum und anderen Bereichen des Salienznetzwerks, wie dem anteriore cinguläre Cortex und der anterioren Insula, ein Frühindikator für zukünftige Symptome sein können. Das bedeutet, dass die Analyse dieser Netzwerke helfen könnte, den Verlauf einer Depression vorherzusagen – ein potenzieller Meilenstein für die Entwicklung präziser Behandlungsmethoden.

Studie zu Depression verursachenden Hirnarealen: Ein Meilenstein in der Depressionsprävention

Professor Conor Liston erklärte gegenüber The Guardian, dass diese Erkenntnisse besonders für Betroffene ermutigend sein könnten. „Zu wissen, dass es eine identifizierbare Gehirnstruktur gibt, die mit ihrer Depression in Verbindung steht, könnte den Betroffenen ein Gefühl der Erleichterung verschaffen. Es zeigt, dass ihre Krankheit nicht nur ‚im Kopf‘ ist, sondern dass es physische Korrelate gibt.“

Obwohl die Studie revolutionäre Erkenntnisse liefert, bleiben noch viele Fragen offen. So ist beispielsweise unklar, ob das vergrößerte Netzwerk durch genetische Faktoren oder durch äußere Einflüsse wie Stress entsteht. Auch bleibt die Frage, ob es möglich ist, das Netzwerk durch therapeutische Interventionen wieder zu verkleinern. Die Forscher betonen jedoch, dass dies ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu maßgeschneiderten Behandlungen sein könnte. Auch Dr. Miriam Klein-Flügge von der Universität Oxford bezeichnete gegenüber The Guardian die Studie als „robust, wichtig und aufregend“ und lobte, dass sie das Potenzial habe, die Depressionsforschung entscheidend voranzubringen. (ls)

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