„Fast wie auf dem Mond“: Bergläufer aus Oberbayern Oberbayern erlebt spezielles EM-Abenteuer

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Berglauf/Trail-EM 2025 in Italien (Nicolosi); Josef Streicher (Peißenberg); Klasse M-55; Leichtathletik. © Eleonora Irene Magri

Die EM im Berg- und Traillauf fand heuer an speziellem Ort statt – gelaufen wurde am Ätna. Der Peißenberger Josef Streicher war dabei und auch erfolgreich.

Nicolosi – Josef Streicher kam sich „fast wie auf dem Mond“ vor. Die Bedingungen bei der jüngsten Europameisterschaft für Masters-Athleten im Berg- und Traillauf waren völlig anders, als sie der Peißenberger bislang bei seinen Wettkämpfen in dieser Spezialdisziplin gewohnt war.

Die EM fand heuer am Ätna statt, der mit gut 3400 Meter höchste aktive Vulkan Europas. Streicher zeigte bei den Rennen im Lavageröll und -sand starke Leistungen und übertraf sein Ergebnis von der Berglauf-WM 2024 deutlich. In Spanien standen seinerzeit ein siebter Platz (Uphill) und einmal Team-Silber zu Buche. Diesmal nahm der Peißenberger an allen drei Rennen binnen drei Tagen teil – und er holte in der M55-Klasse auch je eine Team-Medaille.

Josef Streicher holt EM-Medaillen im Berglauf

Die Bedingungen: Ausgangspunkt war das Städtchen Nicolosi. Die Strecken führten Streicher zufolge großteils durch Gelände mit scharfkantigem Lavageröll und über losen Lavasand. Die Anstiege waren bis zu 40 Prozent steil, die Downhills wiesen ein Gefälle bis zu 50 Prozent auf. Teilweise ging es „ohne erkennbaren Weg einfach auf gerader Linie am Ätna und dessen Seitenkrater hoch und runter“, so der Athlet des TSV Peißenberg.

Ab 1800 Metern kahle Landschaft

Ab circa 1800 Metern Höhe war die Landschaft kahl. „Keine Bäume, keine Büsche, nur Lavagestein und Lavasand so weit das Auge reicht“, berichtete Streicher. Die Strecken waren „zumindest grob markiert“. Das Laufen am Ätna ist dem Peißenberger zufolge „eigentlich eher wie beim Skitourengehen. Man kann eine bereits vorhandene Spur benutzen oder sich eine eigene Spur treten.“ Die Veranstalter hatten die Verwendung von Gamaschen empfohlen, ansonsten bestand die Gefahr, dass die Schuhe spätestens nach dem ersten Downhill vollständig mit Sand gefüllt sind. „Ich hatte bisher noch nie Gamaschen verwendet und musste mir erst welche kaufen“, sagte Streicher.

Die Europameisterschaft: Ausgerichtet vom Verband „European Masters Athletics“, beinhaltete die offizielle EM drei Rennen an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Ein Großteil der 582 Frauen und Männer absolvierte alle drei Wettkämpfe. Sieger wurden in den Altersklassen 35 bis 75 ermittelt. Am erfolgreichsten war Frankreich mit insgesamt 60 Medaillen, die meisten Titel (22) gingen an Italien. Deutschland belegte mit 33 Medaillen (10 Gold/13 Silber/10 Bronze) den vierten Platz unter 13 Nationen.

Classic Up & Down: Das Auftaktrennen, ein Trail, führte über 9 Kilometer mit 430 Höhenmetern. Direkt nach dem Startschuss „herrschte großes Gedränge“, so Josef Streicher. Zum Teil kam es zu Stürzen. Jeder wollte möglichst vorn dabei sein, da die Strecke nach rund zwei Kilometern in einen schmalen Singletrail mit steilen Anstiegen mündete, „bei dem Überholen kaum möglich war“, so der Peißenberger.

Berglauf/Trail-EM 2025 in Italien (Nicolosi); Josef Streicher (Peißenberg); Klasse M-55; Leichtathletik.
Laufen im Lavafeld: Josef Streicher im „Classic Up & Down“-Rennen, dem ersten Event der Europameisterschaft. © Giancarlo Bottari

Streicher kam am Start nicht optimal weg – die Folge: „Ich musste mich dann auf dem Sing㈠letrail in die Läuferschlange einreihen“. Mit der Zeit von 48:01 Minuten belegte der Peißenberger den 15. Platz in der M55. Mit Miguel Molero-Eichwein (3.) und Rene Leßmüller (18.) gab es für ihn in der Teamwertung Bronze hinter Italien und Frankreich.

Berglauf/Trail-EM 2025 in Italien (Nicolosi); Josef Streicher (Peißenberg); Klasse M-55; Leichtathletik.
Berglauf/Trail-EM 2025 in Italien (Nicolosi); Josef Streicher (Peißenberg); Klasse M-55; Leichtathletik. © Eleonora Irene Magri

Vertical: Ein klassischer Berglauf, bei dem auf vier Kilometern Länge satte 1000 Höhenmeter zu überwinden waren. Von der Seilbahn-Talstation ging es auf direktem Weg nach oben zum Ziel auf 2919 Metern Höhe. Dort herrschten starker Wind und Temperaturen um die drei Grad Celsius.

Berglauf/Trail-EM 2025 in Italien (Nicolosi); Josef Streicher (Peißenberg); Klasse M-55; Leichtathletik.
Direttissima nach oben: Das Foto zeigt Josef Streicher (vo.) beim Vertical-Rennen. Dabei waren auf vier Kilometern Distanz satte 1000 Höhenmeter zu überwinden. © Endupix

Im Vergleich zum Vortag „war Überholen hier kein Problem“, so Streicher. Der Korridor, in dem man laufen musste, war zwischen 30 und 50 Meter breit. Aufgrund des schwierigen und losen Untergrunds waren ausnahmsweise Stöcke erlaubt. Streicher verzichtete auf Stöcke; er versuchte „ähnlich wie auf Schnee in bereits vorhandenen Tritten von Läufern vor mir zu laufen, da dort der sandige Untergrund schon etwas fester war“.

Berglauf/Trail-EM 2025 in Italien (Nicolosi); Josef Streicher (Peißenberg); Klasse M-55; Leichtathletik.
Berglauf/Trail-EM 2025 in Italien (Nicolosi); Josef Streicher (Peißenberg); Klasse M-55; Leichtathletik. © Eleonora Irene Magri

Im letzten Steilstück machte er einige Ränge gut und schaffte es sogar noch, einen Schlusssprint durchzuziehen. Auf dem 13. Platz (57:13) kam er an. Mit Uli Morgen (5.) und Molero-Eichwein (6.) gewann er im Team Silber. Nur das französische M55-Team war besser.

Long Distance: Der sogenannte „Long Distance“-Run umfasste 29 Kilometer bergauf/bergab mit 1920 Höhenmetern, wobei der höchste Punkt auf knapp 2500 Metern lag. Die Streckensprecherin mahnte gegenseitige Rücksichtnahme am Start an. Stürze wie beim „Classic Up & Down“ wollten die Veranstalter vermeiden. Vor den Teilnehmern lägen ja 29 Kilometer „to express yourself“, wie die Sprecherin sagte. In dem Kontext ist wohl das deutsche Wort „austoben“ das für die Übersetzung treffendste. „Und ich habe mich ausgetobt“, berichtete Streicher. Er hatte bei diesem Lauf „Spaß und war am Ende fix und fertig, weil ich die extremen Verhältnisse etwas unterschätzt hatte“. Normalerweise könne er so eine Trailstrecke unter drei Stunden laufen, am Ätna benötigte er letztlich 3:48 Stunden. Damit belegte er in seiner Klasse den beachtlichen elften Rang.

Berglauf/Trail-EM 2025 in Italien (Nicolosi); Josef Streicher (Peißenberg); Klasse M-55; Leichtathletik.
Berglauf/Trail-EM 2025 in Italien (Nicolosi); Josef Streicher (Peißenberg); Klasse M-55; Leichtathletik. © Endupix

„Ich bin bewusst etwas langsamer angegangen und längere Zeit hinter einem Österreicher aus meiner Altersklasse gelaufen“, so Streicher. Der letzte längere Anstieg hatte rund 600 Höhenmeter und verlief nochmals von der Talstation der Ätna-Seilbahn zur Bergstation, diesmal aber – anders als beim Vertical – auf Serpentinen. Dort konnte Streicher seine Stärke ausspielen. Während andere gehen mussten, konnte er laufen und überholte eine Reihe von Läufern.

Oben angekommen, stand der Downhill direkt unter der Seilbahn an. „Ich fühlte mich wie beim Skifahren im Tiefschnee“, so der Peißenberger. Steil ging es im losen Sand in hohem Tempo nach unten. „Gefühlt kommt der ganze Hang in Bewegung, kein fester Boden mehr, links und rechts wird man von kleinen Sandlawinen überholt, die Füße nur kurz abwechselnd links und rechts auf dem Sand auftippen, um sich nicht zu tief einzugraben“, so schilderte Streicher das Laufen bergab. Er habe dabei „ein Dauergrinsen im Gesicht“ gehabt.

Schrecksekunde in Schlussphase

Danach ging es flacher bergab, unterbrochen von mehreren kleinen Anstiegen. „Hier merkte ich, dass meine Kräfte schon ziemlich aufgezehrt waren.“ Sechs Kilometer vor dem Ziel eine Schrecksekunde: Streicher knickte mit dem linken Fuß um. Zum Glück ließen die Schmerzen schnell nach. „Ich war bald wieder schmerzfrei, bin aber automatisch etwas vorsichtiger gelaufen, um nicht ein zweites Mal umzuknicken.“

Berglauf/Trail-EM 2025 in Italien (Nicolosi); Josef Streicher (Peißenberg); Klasse M-55; Leichtathletik.
Silbermedaille: Im abschließenden „Long Distance“-Rennen belegte Josef Streicher (stehend, links) mit dem deutschen M55-Team nochmals einen Podestrang. © Endupix

Die letzten drei Kilometer vor dem Ziel sah er weder vor noch hinter sich andere Athleten. 200 Meter vor der Finish-Linie nahm er dann jedoch Schritte hinter sich wahr. „Ich musste noch einmal alles geben“, so Streicher, um die Nase vorn zu haben. Mit drei Sekunden Vorsprung auf den Franzosen Robert Thevenon, tatsächlich auch ein M55-Athlet, ging er durchs Ziel.

Vulkanausbruch Ätna bei der Berglauf/Trail-EM 2025 in Italien (Nicolosi).
Naturgewalt: Am Tag nach der EM kam es zu einem größeren Ausbruch am Ätna. Gefahr für Siedlungen bestand keine. © Norbert Hodapp/privat

Mit Molero-Eichwein (4.) und Leßmüller (17.) durfte Streicher (11.) nochmals aufs Podest. 32 Punkte bedeuteten in der Teamwertung Rang zwei hinter Frankreich (13). Bronze ging an Rumänien (43).

Vulkanausbruch: Am Tag nach der EM kam es am Ätna am Vormittag zu einem Vulkanausbruch am Süd-Ost-Krater unweit des Ziels vom Vertical. Mehrere Gasexplosionen ließen einen Teil der Kraterwand einstürzen. „Die Einheimischen sahen das absolut entspannt“, berichtete Streicher. Es trat keine Lava aus, besiedeltes Gebiet war nicht in Gefahr. „Ich war froh, dieses Naturereignis aus sicherer Entfernung beobachten zu können“, so Streicher.

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