Solar-Boom: Teilweise müssen Anlagen abgeschaltet werden
Der Ausbau der erneuerbaren Energien im Landkreis Weilheim-Schongau nimmt noch weiter an Tempo zu. Binnen eines Jahres wurden rund 25 Prozent mehr Solarstrom produziert als zuvor. Das sorgt auch für Probleme.
Landkreis – „Da ist gerade reichlich Dynamik drin“, sagt Andreas Scharli, Energieberater bei der Energiewende Oberland, im Gespräch mit der Heimatzeitung. Allein 2024 seien 1100 PV-Anlagen im Landkreis Weilheim-Schongau neu ans Netz gegangen. Die tatsächliche Zahl dürfte wohl noch um einiges höher liegen, weil die Daten nur für die Anlagen, die einspeisen können, vorliegen – also für Dachanlagen oder Freiflächen-PV-Anlagen. Dazu kommen noch unzählige Balkonkraftwerke im Landkreis.
Kein Wunder, dass die „installierte Leistung“, also die Menge, die unter Idealbedingungen von allen PV-Anlagen erzeugt werden kann, drastisch angestiegen ist. Waren es 2023 noch rund 75 Megawatt (75 375 Kilowatt), verzeichnete man laut Scharli 2024 einen Anstieg um fast ein Viertel auf 92 Megawatt.
Preise sind stark gesunken, keine Mehrwertsteuer
Das liege an sich stetig verbessernden Voraussetzungen, so Scharli. Im Vergleich zu 2022/2023, als aufgrund der Energiekrise Lieferprobleme und extrem hohe Preise bei den Komponenten von PV-Anlagen zu verzeichnen waren, sind in diesem und dem vergangenen Jahr die Preise stark gefallen. Solarpaneele, Wechselrichter und Speicher sind deutlich günstiger zu bekommen als in den Vorjahren. Dazu kommt, dass diese Produkte nach wie vor von der Mehrwertsteuer befreit sind, so Scharli. Das motiviere viele, Anlagen neu zu bauen oder bestehende zu erweitern.
Wer sich mit dem Gedanken trägt, ein Balkonkraftwerk oder eine PV-Anlage zu installieren, dem rät Scharli, im ersten Schritt mithilfe des Solarkatasters unter www.solarkataster.weilheim-schongau.de zu prüfen, wie geeignet das Grundstück für die Erzeugung von Solarenergie ist. Das Kataster wurde gerade, wie das Landratsamt mitteilt, aktualisiert.
Landkreis aktualisiert das Solarkataster
„In diesem Jahr wurde die zugrundeliegende Datengrundlage umfassend aktualisiert“, heißt es in der Pressemitteilung. Ab sofort seien auch die Neubauten bis einschließlich 2022 im Kataster verzeichnet. In den Jahren 2021 und 2022 seien turnusmäßige Befliegungen des gesamten Landkreises erfolgt. Diese Daten seien nun ausgewertet und ins Kataster eingearbeitet. „Nun können Bürgerinnen und Bürger mit einem Neubau auch bis zum Jahr 2022 prüfen, ob und in welchem Maße sich ihr Dach für die Nutzung von Solarenergie eignet“, heißt es weiter. Das Angebot werde gut angenommen. Waren es in den vergangenen Jahren immer rund 2000 Nutzer, die sich auf der Seite informierten, wurden heuer bis Juni schon 1470 Zugriffe.
Gleichwohl bringt der sprunghafte Ausbau der Solarstromerzeugung im Landkreis auch Probleme mit sich, so Scharli. Denn die Netzkapazitäten wachsen nicht im gleichen Tempo an wie die Stromerzeugung. „Gerade an Sonntagen, wenn die Sonne scheint, kann es passieren, dass einige Freiflächen-PV-Anlagen im Landkreis abgeschaltet werden müssen“, so Scharli. Das liege daran, dass dann sehr viel produziert, aber deutlich weniger als an Wochentagen abgenommen wird, weil die meisten Betriebe nicht arbeiten.
Scharli plädiert deswegen für flexible Lösungen – im Großen wie im Kleinen. So müsse darüber nachgedacht werden, ob man direkt neben Umspannwerken Anlagen installiere, in denen durch Elektrolyse mit überschüssigem Solarstrom grüner Wasserstoff erzeugt werden kann. Zudem würden die Großbatteriespeicher derzeit wie Pilze aus dem Boden schießen und zu solchen Spitzenproduktionszeiten regional erzeugten Strom in der Region speichern.
Flexible Stromtarife und Eigenverbrauch
Auch Verbraucher und Privatleute hätten verschiedene Möglichkeiten, das Problem der Überkapazitäten zu lösen. „Jeder Energieanbieter ist verpflichtet, seit Anfang des Jahres mindestens einen flexiblen Stromtarif anzubieten“, so Scharli. Habe man einen solchen Tarif, sei – nicht nur, aber auch – gerade an besagten sonnigen Sonntagen der Strom extrem günstig. Und wenn man dann das Auto auflade, den Geschirrspüler und den Wäschetrockner einschalte, spare man nicht nur bares Geld, sondern helfe auch noch, die Strommengen abzunehmen.
Gleiches gelte auch für die Besitzer eigener PV-Anlagen. Alles, was man selbst verbrauche, schone den Geldbeutel und entlaste das Netz. Es geht also um intelligente Lösungen. Auch bei der Beratung der Energiewende Oberland. „Wir beantworten derzeit viele Fragen zur Kombination von PV-Anlagen mit E-Autos und/oder Wärmepumpen“, so Scharli.