Seit 36 Jahren auf dem Ammersee: der Echinger Kapitän Helmut Diller
Helmut Diller aus Eching hat mehr als die Hälfte seines Lebens auf dem Ammersee verbracht: knapp 35 Jahre davon als Kapitän der weiß-blauen Flotte.
Ammersee - Manchmal, wenn Helmut Diller beim Abendessen sitzt, denkt er: „Jetzt könntest du stehenbleiben.“ Gemeint ist der Fußboden, der auch für den 62-jährigen Ammersee-Schifffahrtskapitän aus Eching nach einem Tag auf dem See noch schwankt. Aber nur an manchen Tagen, wenn starker Wellengang ist. Meistens ist für Diller an Land alles ruhig – nach den über 35 Jahren, die er schon mit der weiß-blauen Flotte über Bayerns drittgrößten See schippert.
Der Echinger Kapitän Helmut Diller: den Traumarbeitsplatz gefunden
Um circa halb elf legt der Schaufelraddampfer Herrsching in Stegen zur großen Rundfahrt ab. Aber Diller ist viel früher da – nicht in Kapitänsuniform, sondern in blauer Latzhose, die Füße barfuß in Sandalen. „Die Kapitäne, die ständig in Uniform sind, gibt es hier nicht. Wir sind kleine Trupps, pro Schiff zwei Kassierer und ein Kapitän – und der ist gleichzeitig auch Maschinist.“ Weshalb Diller auch alles rund um die Maschinen kontrolliert. „Das hat sich in den Jahren stark geändert. Früher hattest du deinen Keilriemen, heute Computer.“
Zum Maschinenraum geht es durch die Herrentoilette: Hinter der Tür, über der „privat“ steht wartet eine Schotte, zum „Schotten dicht“, falls das Schiff doch mal Wasser ziehen sollte. Diller greift zu den Kopfhörern, „da drinnen ist es laut.“ Alles läuft rund, ohrenbetäubend. Aber manch Panne hat der Kapitän bereits erlebt. Einmal war‘s ein Kolbenfresser, „damals noch ohne Handy und ohne Funk, da waren wir ganz auf uns gestellt.“
Neben dem Antriebsmotor ist im Maschinenraum auch einer der beiden Dieseltanks, zusammen fassen sie 7.000 Liter. „Das reicht für rund zehn Tage“, sagt Diller. Gegenüber dem Motorraum steht der Abwassertank für Toilette und Küche, acht Kubikmeter, „damit nichts in den See läuft“. Im Boden daneben ist eine kreisrunde Vertiefung: der PumpJet, mit dem das Schiff seitlich bewegt werden kann, zum An- und Ablegen. In einem anderen Raum ist der Trinkwassertank mit 3.000 Liter, „das reicht gerade mal einen Tag“. Und noch einen Raum gibt es, ganz vorne im Bug: für die Ankerkette.
Diller ist seit 1988 auf dem Ammersee. Damals war der gelernte Schmied noch Matrose. 1990 nahm er dann ‚Fahrstunden‘ – „Jedes der Schiffe, die Schaufelraddampfer Diessen und Herrsching sowie die Augsburg und die Utting, hat seine Eigenheiten“ – und absolvierte die Prüfung zum Schiffsführer. Eine Berufswahl fürs Leben: „Ich bin hier hängengeblieben. Aber es gibt sicher schlechtere Arbeitsplätze“, sagt Diller und lacht. Natürlich hat er auch ein Lieblingsschiff: die „alte Dame“, die Diessen. „Die passt besser zu meinem Charakter. Ich fahre lieber Käfer als Porsche.“
Die „Herrsching“ startet: „Leinen los!“
Der Tank ist voll, die Gäste strömen aufs Schiff, zwei ‚Stammfahrer‘ sichern sich die beiden Liegestühle, die es nur auf der Herrsching gibt. Diller und auch die beiden Kassierer, vorher mit Reinigen und Tanken beschäftigt, ziehen sich um: Aus Kassierern werden Matrosen, aus dem Maschinisten wird der Kapitän. Pünktlich um 10:25 Uhr zieht Diller im Steuerhaus an der Hupe und legt ab. Zum Steuern geht der Kapitän zur Steuerkonsole, die außerhalb des Steuerhauses steht: „Ich fahr lieber mit den Augen als mit den Kameras.“ Die gibt es natürlich auch, samt Bildschirmen. Dennoch, Erfahrung ist essenziell: Jeder Anlegepunkt hat Eigenheiten, die sich je nach Wetter und Pegelstand ändern. Dass die neue Herrsching – sie löste 2002 die alte ab, deren Rumpf fast komplett durchgerostet war – den Steg in Holzhausen rammte, lag aber nicht am Kapitän: Die Hydraulik war nicht die richtige, weshalb nach drei Jahren eine komplett neue in Deutschlands jüngsten Schaufelraddampfer eingebaut wurde.
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Was auch zur Aufgabe des Kapitäns gehört: Infos für die Gäste, wie die Schuhtiefe des Sees in altbayerischer Einheit – „256 Schuh“ –, über Sehenswürdigkeiten wie Andechs, Marienmünster oder das Radon: „Dort suchte man nach Stimmen von Außerirdischen – was nicht funktionierte, oder es gab Verständigungsprobleme. Denn seit einigen Jahren gibt es da Kornkreise.“ Auch über die Sage der feurigen Männlein im Ammermoos weiß Diller Bescheid, über die Geburtenstation in Wartaweil und den Grund, warum der Ort so heißt wie er heißt. Die Infos hat er sich selbst angeeignet – weil er auch mal gerne um den See radelt und sich alles anschaut.
Um zwei läuft die Herrsching wieder in Stegen ein. Pünktlich. Obwohl man das nie wissen kann, sagt Diller. Denn er als ‚Seefahrer‘ ‚hat Respekt vor dem Wasser: „Auf See und vor Gericht sind wir in Gottes Hand. Das war so, das ist so und das wird auch immer so bleiben.“