Nach BASF-Rückzug aus Chinas Uiguren-Region Xinjiang: Nun wächst Druck auf VW

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Bundespolitiker begrüßen den Rückzug des Chemiekonzerns BASF aus Xinjiang. Zugleich fordern sie Volkswagen auf, der Uigurenregion in Nordwestchina ebenfalls den Rücken zu kehren.

Nach der ankündigten Abkehr des Chemiekonzerns BASF von der chinesischen Region Xinjiang haben mehrere Bundespolitiker an Volkswagen appelliert, diesem Beispiel zu folgen. Die BASF-Entscheidung zum kompletten-Rückzug aus Xinjiang leite eine Kehrtwende der Unternehmen ein, sagte Renata Alt, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag. „Die internationalen Firmen wollen nicht mehr mit ihrer Präsenz in Xinjiang zu unfreiwilligen Komplizen bei Chinas Menschenrechtsverletzungen werden, auch wenn es Mehrkosten bedeutet“, so die FDP-Politikerin zu IPPEN.MEDIA. „Es ist auch für VW an der Zeit, sich aus Xinjiang zurückzuziehen. Xinjiang muss endlich ein ‚No-Go‘ für westliche Unternehmen werden.“

Auch der Beauftragte der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe, forderte im Tagesspiegel alle deutschen Firmen auf, in Xinjiang keine weiteren Geschäfte zu machen. „Ganz grundsätzlich ist die Menschenrechtslage in Xinjiang so katastrophal und unübersichtlich, dass deutsche Unternehmen dort nicht tätig sein sollten“, sagte der SPD-Politiker. „Das gilt auch für VW.“

BASF verkauft alle Anteile an Xinjiang-Joint Ventures

BASF hatte am Freitag angekündigt, die eigenen Anteile an den beiden Joint Ventures BASF Markor Chemical Manufacturing und Markor Meiou Chemical in der Stadt Korla im Zentrum Xinjiangs zu veräußern. Man habe bereits im vierten Quartal 2023 den Verkaufsprozess eingeleitet. Diesen will man nun beschleunigen. BASF verwies in der Mitteilung auf Medienberichte über den lokalen Joint Venture-Partner Markor, die „schwerwiegende Vorwürfe“ enthielten, „die nicht mit den Werten von BASF vereinbar sind“. Markor wird vorgeworfen, sich aktiv an der Überwachung von Uiguren in der Region zu beteiligen. Mitarbeitende der Firma sollen nach Berichten von ZDF und Spiegel Uiguren ausspioniert haben.

BASF produziert mit Markor in China seit 2016 die Chemikalie Butandiol (BDO), ein Vorprodukt unter anderem für technische Kunststoffe, Polyurethan, Lösungsmittel und elastische Fasern. Markor sei einer der führenden Hersteller auf dem nachgelagerten BDO-Markt, teilte der Konzern bei der Eröffnung mit.

BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller hält eine Rede in China
BASF-Vorstandschef Brudermüller in China: Der fast fertige Verbundstandort in Guangdong ist das neueste Vorzeigeprojekt des Konzerns. Vom Joint Venture in Xinjiang hat sich BASF dagegen verabschiedet © Li Jiale/Xinhua/Imago

Xinjiang soll wegen Menschenrechtslage aus den Lieferketten verschwinden

Schon damals war die Lage in Xinjiang von Spannungen zwischen Uiguren und den regierenden Han-Chinesen geprägt. Doch die Werke von BASF und auch VW gerieten erst so richtig in die Kritik, als Berichte über das Lagersystem in Xinjiang aufkamen. Demnach saßen zeitweise Hunderttausende Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Minderheiten in Umerziehungslagern. Viele von ihnen wurden demnach zu Zwangsarbeit verpflichtet. Die Lage in Xinjiang war deshalb mehrfach Thema im UN-Menschenrechtsrat. Die chinesische Regierung aber bestreitet die Vorwürfe und bezeichnet die Lager als Ausbildungsstätten.

Im Westen gibt es zunehmende Bestrebungen, Xinjiang aus den globalen Lieferketten zu entfernen. So verbieten die USA bereits die Einfuhr von Produkten aus der Region – es sei denn, die Importeure können nachweisen, dass ihre Lieferkette frei von Zwangsarbeit ist. 30 Abgeordnete aus Europa, Kanada und Neuseeland, die sich in der „Interparlamentarischen Allianz für China“ zusammengeschlossen haben, forderten infolge der Berichte über Markor BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller in einem Brief zum Rückzug aus Xinjiang auf. BASF betonte nun in seiner Mitteilung, regelmäßige externe und interne Audits hätten „keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen in den beiden Joint Ventures ergeben“. Tatsächlich beziehen sich die neuen Vorwürfe auf Aktivitäten von Markor außerhalb der Kooperation. Doch das zeigt zugleich, wie schwierig es in Xinjiang ist, sich als Unternehmen von der Gesamtlage zu isolieren.

VW will nach positivem Audit vorerst in Xinjiang bleiben

VW will bislang trotzdem an der Fabrik seines Joint Ventures mit dem Staatskonzern Shanghai Automotive (SAIC) in Xinjiangs Hauptstadt Urumqi festhalten. Der Autokonzern hatte im Sommer ein Unternehmen beauftragt, die Arbeitsbedingungen in dem Werk auf Menschenrechtsverletzungen hin zu untersuchen. Die Prüfer teilten im Dezember mit, in dem Werk keine Hinweise auf oder Belege für Zwangsarbeit bei den Mitarbeitenden finden zu können. Investoren gaben sich damit zunächst zufrieden. So stufte die Fondsgesellschaft Union Investment die VW-Aktie im Dezember weiterhin als „investierbar“ für nachhaltige Geldanlagen ein.

Volkswagen betonte Anfang Februar, man halte sich eng an die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, auch in China. Trotzdem wächst der Druck auf den Autokonzern, der in der Volksrepublik viele Standorte mit mehreren Partnern betreibt – und das vergleichsweise kleine Xinjiang-Werk daher nicht dringend bräuchte. Auch der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre (DKA) fordert VW seit Monaten zu einer Abkehr von dem Standort auf.

BASF führt CO2-Fußabdruck als Grund für das Xinjiang-Aus an

BASF hat nun eine Entscheidung getroffen – aber möchte an allen anderen Aktivitäten in China festhalten. Und so steht der Chemiekonzern vor der Herausforderung, den Rückzug durchzuziehen, ohne die chinesische Regierung zu verärgern. Auf Firmenkritik an seiner Xinjiang-Politik reagierte Peking stets äußerst empfindlich. In seiner Mitteilung zum Xinjiang-Ausstieg verwies BASF zuallererst auf den hohen CO₂-Fußabdruck der Korla-Werke. „Dort wird Kohle als Rohstoff eingesetzt, und der Produktionsprozess ist energieintensiv.“ Angesichts von hohem Wettbewerbsdruck und globalen Überkapazitäten wolle BASF sein weltweites BDO-Portfolio anpassen, „um wettbewerbsfähige Angebote mit niedrigem CO₂-Fußabdruck zu machen.“

Tatsächlich hatte BASF den Verkauf bereits vor Monaten eingeleitet. Die vorsichtige Wortwahl aber zeigt, wie diffizil die Lage für das Unternehmen ist.

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