Bürgergeld nur noch auf Pump: Ausgerechnet zwei SPD-Genossen sind härter als die CDU

  • Im Video oben: SPD-Landräte wollen Bürgergeld für Flüchtlinge nur noch auf Pump

Es macht schon einen Unterschied, ob Bundespolitiker oder Kommunalpolitiker über das Bürgergeld sprechen. Die einen mögen genau wissen, was im Gesetz steht. Die anderen erleben im Alltag, wie sich diese Sozialleistung auf ihre Bezieher auswirkt.

In Berlin tut die SPD alles, um die im Koalitionsvertrag vereinbarte Umgestaltung des großzügigen Bürgergelds zu einer Grundsicherung nach dem Vorbild von Hartz IV zu torpedieren. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) scheint entschlossen, allenfalls eine Mini-Reform in die Wege zu leiten.

Das sehen zwei SPD-Genossen aus Thüringen ganz anders: die Landräte Matthias Jendricke (Nordhausen) und Marko Wolfram (Saalfeld-Rudolstadt). Sie erleben vor Ort, dass das derzeitige System eine schnelle Arbeitsaufnahme von Geflüchteten nicht gerade fördert. 

Bürgergeld auf Pump: Zwei SPD-Landrate und ihr revolutionärer Vorschlag

„Wir brauchen endlich wieder einen echten Reformwillen der Berliner Politik und kein Herumdoktern an einem zunehmend dysfunktionalen System“, sagte der Nordhäuser Landrat Jendricke dem „Stern". 

Deshalb machen die beiden SPD-Landräte einen geradezu revolutionären Vorschlag: „Wer in unser Land kommt und hier bisher nichts eingezahlt hat, darf Sozialleistungen nur noch als zinsloses Darlehen bekommen.“ Davon versprechen sie sich einen „positiven Anreiz, sich zügig zu integrieren".

Tatsächlich zeigen alle Untersuchungen, dass Zuwanderer sich umso schneller und besser integrieren, wenn sie einer geregelten Arbeit nachgehen. Das fördert auch die Sprachkenntnisse.

Konkret fordern die Kommunalpolitiker, Sozialleistungen für volljährige Asylbewerber, anerkannte Geflüchtete und Ausländer aus Nicht-EU-Ländern künftig nur noch als Darlehen auszuzahlen. Das beträfe auch die Geflüchteten aus der Ukraine. Von denen arbeiten in Deutschland viel weniger als in anderen EU-Ländern mit nicht so großzügigen Sozialleistungen.

Jobcenter
Andrang am Bürgergeld-Schalter im Jobcenter Gera Göran Schattauer

BAföG als Vorbild für „Bürgergeld auf Pump“ 

Als Vorbild für „Bürgergeld auf Pump“ dient Jendricke das Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) für Studierende. Sie erhalten BAföG zur Hälfte als Zuschuss, zur Hälfte als zinsloses Darlehen. 

Nach den Vorstellungen der Landräte müssten Geflüchtete, die rasch eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufnehmen, nur einen Teil der empfangenen Leistungen zurückzahlen. Zudem sollten bei raschen Rückzahlungen Abschläge gewährt werden.  

Laut Jendricke sollte Geflüchtete das Darlehen zur Hälfte erlassen werden, wenn sie innerhalb eines Jahres in Arbeit wechselten und eine Sprachprüfung absolvierten. Auch der erfolgreiche Schulabschluss von Kindern könnte mit einem Rückzahlungsbonus für die Eltern belohnt werden“.

Das klingt, wie einst bei der „Agenda 2010“ sehr nach „Fordern und Fördern“. Jendricke: „Wichtig ist, wir brauchen Druck im System“. Druck im System? Würde ein führender CDU-Politiker das so formulieren, riefe die SPD eine Koalitionskrise aus.

Keine Garantie, um die Kosten für das Bürgergeld zu senken

Ob sich die Kosten für das Bürgergeld – rund 47 Milliarden Euro im Jahr – auf die vorgeschlagene Weise deutlich senken lassen, ist schwer vorherzusagen. Auch sind nicht alle geförderten Studierende später bereit, das Darlehen zu tilgen. Überdies könnten Geflüchtete versuchen, der Rückzahlungspflicht durch Rückkehr in ihre Heimat zu entgehen.

Gleichwohl wäre von dem Darlehen-Modell ein wichtiger Impuls zu erwarten: Den Empfängern wäre klar, dass sie mit jedem Monat ohne Arbeit ihre Schulden erhöhen. Da würde sich mancher entscheiden, sich schnell um eine Arbeit zu bemühen und sich die notwendigen Sprachkenntnisse anzueignen. Und andere würden Deutschland wieder verlassen, wenn sie merken, dass Nicht-Arbeit sie teuer zu stehen kommen kann. 

Der Vorstoß der thüringischen SPD-Politiker kommt passend zur Debatte um Bürgergeldzahlungen an geflohene Ukrainer. Die CDU/CSU will diesen nur die niedrigeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewähren. Dagegen wird eingewendet, dass die Job-Center sich dann nicht mehr um die Vermittlung ukrainischer Flüchtlinge kümmerten. Das wäre bei dem Darlehen-Modell nicht der Fall. 

Gut möglich, dass der Vorstoß der SPD-Kommunalpolitiker der aktuellen Debatte eine neue Richtung gibt. Er hätte es verdient. Schließlich verbindet er staatliche Fürsorge mit dem Anreiz, vom betreuten zum selbständigen Bürger aufzusteigen. Die Union müsste ihn eigentlich übernehmen.