Wohnungsbau gegen Fachkräftemangel: Kooperation mit dem Landkreis „sehr gut denkbar“
Fachkräftemangel im Pflegebereich: Über dieses Thema tauschte sich der SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn mit Vertretern des Arbeiter-Samariter-Bunds in Wolfratshausen aus.
Wolfratshausen – Der Fachkräftemangel im Pflegebereich ist schon heute akut. Infolge der Alterung der Gesellschaft werden in Deutschland laut aktueller Prognose des Statistischen Bundesamts bis zum Jahr 2049 zwischen 280 000 und 690 000 Pflegekräfte fehlen. Vor diesem Hintergrund besuchten der SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn und der SPD-Kreisvorsitzende Klaus Barthel am Dienstag den Seniorenwohnpark Isar-Loisach des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) am Moosbauerweg. Auch dort sind sind unter anderem Stellen von Pflegehelfern vakant.
Der Verdienst ist nicht schlecht, sondern der Ruf
„Über die Pflege wird viel geredet“, stellte Lars-Ejnar Sterley, Landesgeschäftsführer des ASB Baden-Württemberg, fest. „Leider auch viel Blödsinn.“ Sterley räumte mit einem Vorurteil auf: „Die Mitarbeiter verdienen nicht schlecht.“ Es sei viel mehr der schlechte Ruf, unter dem die Branche leide, pflichtete ihm ASB-Regionalleiterin Susanne Lickert bei. Sie machte aber kein Hehl aus der hohen Belastung – Frühdienst, Spätdienst, Nachtdienst, Sonn- und Feiertagsdienst –, die potenzielle Auszubildende oder Arbeitssuchende abschrecken würden. Die Nachfrage nach Pflegeplätzen „ist nicht das Problem“, betonte Sterley. Alle ASB-Einrichtungen seien „zu 99 Prozent ausgelastet, wir könnten überall noch ein Stockwerk draufsetzen“. Aber: „Das Personal steht uns nicht zur Verfügung.“ Derzeit werde noch „ein großes Objekt“ gebaut, „dann nichts mehr, weil das Fachpersonal fehlt“.
Die erste Frage von Bewerbern lautet nicht „Wie viel verdiene ich?“, sondern „Bekomme ich eine Wohnung?“
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Die erste Frage von Bewerbern sei längst nicht mehr „Wie viel Geld verdiene ich?“. Viel wichtiger sei die Antwort auf die Frage: „Bekomme ich eine Wohnung?“ Der ASB habe zahlreiche Wohnungen gekauft beziehungsweise angemietet – „auch in der Region Wolfratshausen“. Wenn Grundstücke zur Verfügung stehen würden, sei auch der Bau von Wohnungen denkbar. Ob es vorstellbar sei, dass sich ASB und Landkreis „zusammentun“, wollte Barthel in seiner Funktion als Kreisrat wissen. Bekanntlich ist der Bau von Wohnungen für Mitarbeiter der Kreisklinik Wolfratshausen auf dem Klinikgelände am Moosbauerweg angedacht. „Doch passiert ist bislang nichts“, monierte Barthel, der einräumte, dass der Landkreis vor der hohen Investition zurückschrecke. „Das ist durchaus vorstellbar, das ist sehr gut denkbar“, sagte Sterley mit Blick auf eine Kooperation. Er halte das Modell, dass der ASB auf einem kreiseigenen Grundstück mit einem günstigen Erbpachtzins Wohnraum schafft, für diskussionsfähig.
Künstliche Intelligenz „ist eine Unterstützung, mehr nicht“
Der Pflegeberuf müsse attraktiver werden, appellierten Lickert und die Leiterin der Einrichtung in Wolfratshausen, Barbara Wild, an Landespolitiker von Brunn. Steuererleichterungen oder „Freibeträge“, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingeräumt würden, wären ein erster Schritt. Rekrutiert würden Pflegekräfte derzeit primär aus Tunesien und China, dabei trete ein weiteres Problem zu Tage: Der Prozess, bis „bereits in ihren Heimatländern ausgebildete Kräfte in Deutschland anerkannt werden“, dauere zehn bis zwölf Monate, kritisierte Lickert. Und: Die häufig propagierte Digitalisierung, künstliche Intelligenz und der Einsatz von Pflegerobotern seien ein zweischneidiges Schwert. „Das ist eine Unterstützung, mehr nicht. Wir arbeiten mit Menschen für Menschen.“
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„Wir steuern auf ein großes gesellschaftliches Problem zu“, warnte Sterley mit Nachdruck. „Das macht mir große Sorgen.“ Er wisse, dass das Thema bei Politikern unbeliebt sei, doch in seinen Augen müssten „Standards abgesenkt werden“. Um Missverständnissen vorzubeugen, ergänzte der ASB-Landesgeschäftsführer: „Das ist nicht gleichbedeutend mit schlechter Pflege oder schlechtem Essen.“ Auf der einen Seite Personalmangel, auf der anderen Seite immer höherer Kostendruck: „Die Luft wird immer dünner, das Korsett immer enger.“
Kaum noch Werbung in den Schulen möglich
„Wir investieren viel in die Ausbildung“, sagte Lickert. Der ASB biete unter anderem ein Freiwilliges Soziales Jahr an und sei auf Ausbildungsmessen vertreten. Mit mäßigem Erfolg. Leider würden Schulen dem ASB und Branchenkollegen nur noch sehr selten die Gelegenheit geben, in Abschlussklassen die Werbetrommel für Pflegeberufe zu rühren. „Wir brauchen mehr Köpfe“, es müsse „nicht jeder ein Akademiker sein“, gab Sterley in diesem Kontext zu bedenken. Nicht zuletzt deshalb sei es bedauerlich, so Lickert, dass die Politik die Aus- und Weiterbildungsförderung gestrichen habe. cce