Habecks Plan nach den Neuwahlen: Mehrere Optionen für die Grünen bieten sich
Mit dem Ende der Ampelkoalition stellt sich den Grünen die Frage nach den nächsten Schritten. Vizekanzler Habeck sieht Potenzial in einer neuen Allianz.
Berlin – Der endgültige Bruch der zerstrittenen Ampelkoalition am Mittwoch hat die politische Landschaft in Deutschland aufgerüttelt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entließ Finanzminister Christian Lindner (FDP) und brachte den Stein damit ins Rollen – im kommenden März könnte es dann vorgezogene Neuwahlen geben. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) dürfte in der aktuellen Situation mehrere Optionen für die Grünen und deren zukünftige politische Allianzen sehen.
Habecks Plan für Neuwahlen
Laut des Deutschlandtrends der ARD wünschten sich 54 Prozent der Deutschen Neuwahlen bereits Ende Oktober. Scholz selbst kündigte an, am 15. Januar die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Dies wäre der Schlüssel zu den Neuwahlen. Sollte er das Vertrauen des Parlaments nicht erhalten, könnte der Bundestag innerhalb von 21 Tagen aufgelöst werden, und eine Bundestagswahl könnte bis spätestens Ende März 2025 stattfinden.
Die Frage ist nun: Wer könnte der Gewinner des Ampel-Endes sein? Die derzeitige Umfragelage zeigt, dass eine Rückkehr zur Union unter Friedrich Merz als Kanzler mit 33 Prozent Unterstützung realistisch erscheint.

Söder und Kretschmer sehen „Schwarz-Grün“ kritisch
Tatsächlich: Die wahrscheinlichste Variante wäre wohl eine große Koalition zwischen Union und SPD, die insgesamt 49 Prozent der Stimmen aufbringen könnte (Stand 5. November, Forsa). Eine schwarz-grüne Koalition hingegen, die theoretisch laut Forsa 43 Prozent erreichen könnte, gilt als politisch, zumindest noch, unwahrscheinlich und wird insbesondere von Markus Söders (CSU), aber auch Sachsens Ministerpräsident Markus Kretschmer (CDU) bislang kritisch beäugt. Erst Mitte September bezeichnete Söder eine solche Zusammenarbeit auf Bundesebene als ein „No-Go“ und drohte jüngst sogar mit einem Veto.
Friedrich Merz (CDU) gab sich hingegen bislang weniger kategorisch, schränkte aber laut der Zeit ein: „Die Fragen, die Sie stellen, sind ja nicht falsch. Die Antworten sind auch zum Teil richtig. Aber der Weg dahin, der ist mit einer freiheitlichen Gesellschaft nicht zu machen.“
Auch die NRW-Grünen zeigten sich zuletzt eher optimistisch hinsichtlich einer schwarz-grünen Regierungskoalition. „In der Sicherheitspolitik sind CDU und Grüne standhafte Parteien, die Putin die Stirn bieten. Die SPD hingegen wackelt“, äußerte der NRW-Grünen-Chef Tim Achtermeyer und bezeichnete die analoge Zusammenarbeit auf Landesebene als erfolgreich.
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Robert Habeck möchte programmatische Schnittmengen suchen
Obwohl die Grünen, die 2021 noch auf 14,7 Prozent aller Wählerstimmen gekommen waren, nun an einem Scheideweg stehen, könnte das Ende der Ampelkoalition auch Chancen für sie bieten – oder zumindest eine bis zwei Chancen, das bleibt abzuwarten. Eine wäre eben die Kooperation mit der Union, falls diese als Sieger der Neuwahlen hervorgeht und diese auf eine Zusammenarbeit mit der SPD verzichten möchte.
Habeck, der nach dem angekündigten Rücktritt der beiden Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour, seine Partei noch stärker prägen dürfte, signalisierte, dass eine Zusammenarbeit mit der Union über programmatische Schnittmengen möglich wäre. „Ich würde mich darüber freuen und bin natürlich jederzeit bereit, dazu den Weg zu suchen“, sagte er laut n-tv.de und betonte gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Wir müssen nach der Bundestagswahl offen sein, natürlich kann man nichts ausschließen.“
Die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt verwies ferner erst kürzlich gegenüber der Osnabrücker Zeitung auf gemeinsame Landesregierungen (Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen) und betonte: „Und dann ist es doch völlig in Ordnung, darauf zu verweisen, dass Schwarz-Grün in den Ländern gut regieren kann.“
Wir müssen nach der Bundestagswahl offen sein, natürlich kann man nichts ausschließen.
Grüne und BSW?
In den Gesprächen um zukünftige Koalitionen betonen die Grünen, dass sie sich bei der Wahl der nächsten Partner an der politischen Haltung und der Ernsthaftigkeit der Partner orientieren wollen. Einen klaren, öffentlichen Ausschluss gab es dabei bislang einzig für die AfD.
Wie es indes mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf Bundesebene ausschaut, das bleibt vorerst abzuwarten. Robert Habeck zumindest bezeichnete diese, laut der Süddeutschen Zeitung, jüngst – mit Blick auf die Transparenz ihrer Geldeingänge – als korrupt beziehungsweise „komplett gekauft“. Eine Bezeichnung, die er zukünftig aber nach einer juristischen Auseinandersetzung mit der Partei Sahra Wagenknechts unterlassen muss.
Klar ist: Auf Landesebene waren die Grünen bislang offen in Sachen BSW. Noch-Vorsitzender Omid Nouripour erklärte gemäß deutschlandfunk.de: „Meine Leute entscheiden vor Ort über ihre Koalition, auch über die Frage, was man mit Frau Wagenknechts Partei machen soll.“ Auf Bundesebene dürfte die Sache mit Blick auf etwa das Verhältnis zu Russland schon etwas anders aussehen. Bleibt freilich ein Problem: Selbst wenn man sich für eine Zusammenarbeit mit BSW und SPD durchringen könnte, wäre eine Mehrheit für eine Regierungskoalition noch immer nicht gegeben.
NRW-Chef Wüst (CDU) empfiehlt Gespräche mit Grünen
Die CDU hat interne Debatten über eine mögliche Zusammenarbeit mit den Grünen begonnen. Während CSU-Chef Söder eine solche Option bisher ablehnt, zeigt sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wohl offen für Gespräche. „Die Union sei gut beraten, auf allen politischen Ebenen mit den demokratischen Parteien der Mitte gesprächs- und koalitionsfähig zu sein“, erklärt er gegenüber zdf.de. Generell könnte sich Friedrich Merz bei etwaigen Koalitionsverhandlungen wohl auf die Unterstützung mehrere Landesverbände verlassen.
Könnte also das Glück der Grünen nach dem Ampel-Aus tatsächlich in der ersten schwarz-grünen Bundesregierung – der in Anbetracht der aktuellen Umfragewerte vielleicht naheliegendsten Regierungsoption neben der großen Koalition – liegen? Oder vielleicht doch eher in der – zweiten realistischen Option Stand heute nach Neuwahlen – Oppositionsarbeit?
Erstmal heißt es abwarten. Abwarten, wie sich Grüne und SPD in der nun eingeläuteten Minderheitsregierung schlagen werden. Abwarten, wie sich die Wählermeinungen nach der Ampel-Scheidung entwickeln werden – und natürlich abwarten, wann die Neuwahlen denn eigentlich wirklich stattfinden werden. (chnnn)