Irrwege auf 10.000 Quadratmetern: Ausstellung „Das Labyrinth – 100 Jahre Hitlers Festungshaft“ eröffnet

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Zur Eröffnung der Ausstellung sind rund 60 Personen gekommen. Wolfgang Hauck und Edith Raim führten durch das Labyrinth. © Schelle

Heuer jährt sich Hitlers Festungshaft in Landsberg zum 100. Mal. Bereits vor einigen Monaten gab es dazu eine Ausstellung im Foyer des Rathauses und auch das neue Stadtmuseum wird sich in der Dauerausstellung mit dem Thema beschäftigen. Seit vergangenem Freitag gibt es auf der Waitzinger Wiese eine besondere Installation zu diesem Jubiläum: „Das Labyrinth – 100 Jahre Hitlers Festungshaft“ beleuchtet den Zeitabschnitt von 1918 bis 1924 auf besondere Weise. Ein Spaziergang durch einen Irrgarten.

Landsberg – Schon seit Wochen sieht man verschiedenste Helfer auf der Waitzinger Wiese werkeln. Sie stellen Umzäunungen auf und befestigen riesige Plakate mit Kabelbindern daran. Betrachtet man die Anlage von außen, ist viel Farbe zu sehen. Die Plakatwände tragen Unterschriften wie „Babylon Berlin“ oder „Im Dickicht der Städte“. Und mittendrin steht geschrieben: „Es ist nicht alles schwarz und weiß“. Zwischen den vielen Bildern dürfte eines dem Zuschauer bekannt vorkommen. Es zeigt Hitler, in einer Zelle sitzend, mit der Unterschrift „Mein Kampf“ – ebenfalls in Farbe. Zeit, sich die Installation von innen anzusehen.

Ausstellung „Das Labyrinth – 100 Jahre Hitlers Festungshaft“ eröffnet - Eine Geschichte mit Irrweg

Betritt der gemeine Besucher das Labyrinth, wird er von den Initiatoren Edith Raim und Wolfgang Hauck empfangen. Zwar nicht live, aber auf einer Leinwand (wie die ganzen Bilder), auf der die Installation vorgestellt wird. So befindet sich der Besucher nur knapp 300 Meter von Hitlers einstiger Zelle entfernt. Die Vorgeschichte dieser Festungshaft stelle sich als Labyrinth dar, das der Besucher in der Ausstellung erfahren könne. Denn es seien keine geraden Wege gewesen, die zum Aufstieg des Nationalsozialismus und zum Zweiten Weltkrieg führten, sondern ein Labyrinth aus Irrwegen. Die Initiatoren rufen daher dazu auf, in dieser Ausstellung den eigenen Weg zu finden. Denn immerhin waren die Geschehnisse damals auch nicht vorherbestimmt, sondern wurden von Menschen so entschieden.

Das nächste Plakat präsentiert eine kurze Einführung in die damaligen Geschehnisse und den Ausgangspunkt der Ausstellung: Sie startet im Jahr 1918. Die Politik in Bayern und im Reich befanden sich in einer Krise. Die Ausstellung soll zeigen, wie die erste deutsche Republik entstand und warum sie scheiterte.

Ein möglicher Weg durchs Labyrinth führt nach rechts, immer eher am Rand der Ausstellung entlang. Es folgt das erste große Kapitel: Bayern und der Erste Weltkrieg. Wie sich im Laufe des Rundgangs herausstellen soll, wird ein großer Themenblock immer durch ein großes Bild und eine kurze Zusammenfassung angekündigt. Dann folgen, unter der gleichen Überschrift, genauere Informationen sowie Zitate von Personen aus dieser Zeit. Während einige Bilder auf den Plakaten original sind, sind die auf dem ‚Teaser‘ „KI“- und „Wolfgang Hauck“-generiert. Der Projektleiter kümmerte sich um die Darstellung der Informationen, die wiederum von Historikerin Dr. Edith Raim kamen.

Das Labyrinth Landsberg
Sieht im Modell doch ganz übersichtlich aus: Die Initiatoren Wolfgang Hauck und Edith Raim mit ihrem Mini-Labyrinth aus Lego-Steinen. © Kurz

Hauck nutzte originale Bilder und erschuf für die Titelbilder neue: In Farbe und mit Details aus den Originalen dieser Zeit. „Die Bilder von damals sind alle in schwarz-weiß“, erklärte Hauck bei der Eröffnung am vergangenen Freitag. Ganz im Gegensatz zum Barock oder der Renaissance, deren Bilder man nur in Farbe kenne. Um die damalige Zeit greifbarer zu machen, habe er den generierten Bildern Farbe verpasst.

Manchmal ist ein Teil der Bilder schwarz-weiß geblieben, wie bei dem nächstem Thema in der Ausstellung: Bayern und die Revolution. Kurt Eisner führte 1918 eine Revolution an, für die sich viele Menschen in München versammelten. Die Monarchie wurde gestürzt, Bayern zur Republik erklärt und die Herrschaft der Wittelsbacher endete. Hält sich der gemeine Besucher weiter rechts, kommt er zum „Antiparlamentarismus“. Hitler kritisierte Volksvertretungen und wollte sie durch eine Diktatur ersetzen, steht auf dem Plakat. Nach seiner Haft entschied er, die NSDAP legal in die Parlamente zu bringen, um sie von innen zu zerstören.

Keine Chronologie

Moment: Hitler ist schon wieder entlassen und will die Diktatur durchsetzen? Es ging doch gerade noch um Bayern als Republik. In diesem Labyrinth gibt es keine Chronologie. Etwas, das von manchen Besuchern bemängelt wird, wie auf einer Kommentar-Wand zu lesen ist. „Sehr gut gemacht, aber ein Wegweiser durch das Labyrinth wäre etwas erleichternd. Und vielleicht sinnvoll.“ Andere sind mit der Nicht-Chronologie fein. „Ich finde die Ausstellung sehr lehrreich.“ Hauck erklärte die Idee dahinter, nachdem er auch bei der Eröffnung gefragt wurde, in welche Richtung man durchs Labyrinth gehen solle. Jugendliche fänden Themen, die sie interessieren, zufällig im Internet und auf Social Media. Sie scrollen und bleiben bei ansprechenden Bildern hängen – und genau so soll es in der Ausstellung auch sein. Für diejenigen, die sich aber doch ein wenig Chronologie wünschen: In der BayernHistoryApp sind alle Geschehnisse, die in der Ausstellung behandelt werden, zeitlich geordnet.

Irgendwann ist in einem Labyrinth der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weitergeht. Das ist auch auf der Waitzinger Wiese so, die Raim und Hauck nicht zufällig für ihre Ausstellung gewählt haben. In einem Museum werde „Mein Kampf“ beispielsweise in einer Vitrine in Szene gesetzt, erklärt die Historikerin. Mit der 10.000 Quadratmeter großen Installation auf dem Parkplatz bringe man die Ausstellung aber auf die Straße, weil „das war Hitlers Element“ – zumindest am Anfang.

Außerdem wolle man Hitler nicht ästhetisieren, wie er es selbst beispielsweise bei seinen inszenierten Bildern tat. Ein Beispiel hierfür ist ebenfalls im Labyrinth zu finden. Das berühmte Bild Hitlers nach seiner vorzeitigen Entlassung aus dem Gefängnis. Das Bild ist original in schwarz-weiß zu sehen, allerdings steht in roter Schrift darüber geschrieben: Inszeniertes Propagandabild. Diese Ecke der Ausstellung ist es übrigens auch, in der der Besucher in eine Sackgasse und nicht mehr weiter kommt. Für Hitler hingegen gab es Wege.

Dass ein solcher Aufstieg für den Österreicher möglich war, habe nicht zuletzt an speziellen Bedingungen gelegen, die in Bayern vorherrschten, erklärte Raim. „Hitlers Aufstieg bis 1923 wäre an keinem anderen Ort möglich gewesen als in München.“ Denn als Reaktion auf die Münchner Räterepublik habe eine extrem autoritäre und restaurative Politik eingesetzt, die, anstatt Hitler mit Verboten zu entgegnen, ihm den Raum für seinen Radikalismus einräumte, erklärte sie bei der Eröffnung. So hätten einige Entscheidungen, oder Irrwege, Hitler in die Karten gespielt. Zum einen wurde er als Österreicher nicht aus Bayern ausgewiesen. Außerdem wurden weder die NSDAP noch die Parteizeitung „Völkischer Beobachter“ verboten. „Diesen politischen Irrwegen, der Keimzelle des Untergangs zu Anfang der 1920er Jahre, versuchen wir mit der Ausstellung nachzuspüren“, so Raim.

Ausstellungs-Parallelen

Die Ausstellung „Das Labyrinth – 100 Jahre Hitlers Festungshaft“ behandelt manche Themen, die bereits in Peter Fleischmanns Text-Ausstellung „Hitler als Gefangener in Landsberg am Lech (1923/24)“ im Rathausfoyer dargelegt wurden. Diese Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro der Stadt und dem Stadtmuseum initiiert. Die Stadt stellte für das Labyrinth die Waitzinger Wiese und die Plakatwerbeflächen kostenfrei zur Verfügung und scheint von dem Projekt angetan zu sein. „Es ist grundsätzlich begrüßenswert, wenn sich zivilgesellschaftliche Akteure in der Erinnerungsarbeit engagieren und einen Beitrag dazu leisten, historische Ereignisse aufzuarbeiten und verständlich zu machen“, so Pressesprecherin Angelika Urbach.

Eine Besucherin bei der Eröffnung der neuen Ausstellung, die noch bis zum 13. Oktober läuft, war Landtagsabgeordnete Gabriele Triebel (Grüne). Und die Präsidentin der Europäischen Holocaustgedenkstätte Stiftung hatte auch noch Neuigkeiten in Bezug auf eine mögliche Gedenkstätte bei Kaufering VII. Seit sechs Jahren führe man intensive Gespräche mit dem Freistaat Bayern, jetzt scheine es vorwärts zu gehen. Triebel ist zuversichtlich, dass im Laufe des Jahres eine Entscheidung falle, wie man den Ort in eine würdige Gedenkstätte verwandeln könne. Man befinde sich in „intensivem Austausch“.

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