Droht das Aus für Schottergärten-Verbote?

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Gleiche Gartengröße, unterschiedliche Gestaltung: Bei diesen Reihenhäusern in Baden-Württemberg hat sich eine Familie für einen Schottergarten und eine für die naturnahe Variante entschieden. © Felix Kästle/dpa

Die bayerische Staatsregierung möchte die Bürokratie verschlanken. Und dabei den Bürgern unter anderem auch mehr Freiheiten bei der Gartengestaltung geben. Verbote von Schottergärten, wie es beispielsweise eines in Peißenberg gibt, wäre dann aufgehoben.

Landkreis – Weniger Bürokratie, mehr Freiheiten: Mit dem Ersten Modernisierungsgesetz Bayern möchte die Staatsregierung Verbote aufheben und Verfahren beschleunigen. So soll Bayern „Vorreiter auf dem Weg zum modernen, schlanken und digitalen Staat“ werden, heißt es im Gesetzesentwurf, über den im Herbst der Landtag abstimmen soll. Änderungen – und eben Vereinfachungen – soll es unter anderem im öffentlichen Dienst, beim Ehrenamt, bei Vergaberichtlinien und auch im Baurecht geben. Doch das Vorhaben stößt auf Kritik. Denn Grüngestaltungssatzungen sind nach Vorstellung der Staatsregierung künftig nicht mehr zulässig. Damit würden beispielsweise Verbote von Schottergärten aufgehoben.

Privatgärten mit großer Bedeutung für die Artenvielfalt

„Den Kommunen wird ein wichtiges Instrument, auf die anstehenden Krisen zu reagieren, wieder genommen“, kommentiert die Kreisgruppe Weilheim-Schongau des Bund Naturschutz auf Nachfrage der Heimatzeitung das Vorhaben. Selbst Initiativen für ein kühles Stadtklima könnten gestoppt und Baumschutzverordnungen gekippt werden. „Wir stehen vor dem Klimawandel und haben ein gravierendes Artensterben, unsere Siedlungen heizen sich immer stärker auf und ein Großteil der Insekten ist in den letzten Jahrzehnten verschwunden.“ In der Folge gebe es auch weniger Vögel, Igel, Amphibien und Reptilien. „Schottergärten bieten diesen Arten keinen Lebensraum und beeinflussen das Stadtklima und den Wasserhaushalt negativ.“

Während Ministerpräsident Markus Söder und die Regierung den Menschen nicht mehr in die Gartenplanung reinreden möchte, betont der Bund Naturschutz die Bedeutung der privaten Erholungsflächen. Privatgärten hätten „zusammen genommen eine vergleichbare Fläche wie Naturschutzgebiete in Deutschland und können einen wichtigen Beitrag für die Artenvielfalt leisten, wenn sie naturnah gestaltet sind“. Beispielsweise die Ortsgruppe Weilheim macht sich deshalb mit dem Projekt „Lebendige Gärten“ stark für mehr Natur. Darin geht es nicht nur darum, auf versiegelte Flächen und Schotter zu verzichten. Komplett pflanzenlose Gärten seien nur die „Spitze des Eisbergs“, schildert die Kreisgruppe. Auch „aufgeräumte Gärten“ – mit kurz gemähten Rasenflächen und exotischen Pflanzen – „bieten nur wenig mehr Artenvielfalt“. Ein Naturgarten mit heimischen Gewächsen hingegen sei Heimat vieler Tiere und heize sich obendrein nicht so auf wie gepflasterte oder gekieste Flächen. Zudem trage er zu einem besseren Wasserhaushalt bei, weil Regenwasser direkt ins Grundwasser gelange und nicht aufgrund versiegelter Flächen in der Kanalisation lande.

Besser informieren und aufklären statt Verbote aussprechen

Auch dem Bund Naturschutz wäre es lieber, wenn all diese Vorteile den Gartenbesitzern durch Information und Aufklärung bewusst wären und man „keine Verbote bräuchte“. Das aber können „wir nicht alleine leisten, hier wäre die Politik gefragt, die Artenvielfalt noch besser zu schützen statt durch die geplante Deregulierung weiter zu gefährden“.

Bemühungen der Kommunen würden mit dem neuen Gesetz zunichte gemacht. In Penzberg setzt der Stadtrat seit 2022 auf einen Passus in der Ortsgestaltungssatzung. Die Marktgemeinde Peißenberg war sogar bayernweit nach Erlangen die zweite Kommune, die Schottergärten ganz bewusst verboten hat – und zwar bereits 2021 mit einer Freiflächengestaltungssatzung. Aus der Bevölkerung gab‘s keinen Gegenwind. „Von Seiten der Bauverwaltung werden mittlerweile – insbesondere in den vergangenen zwei Jahren – deutlich weniger Anfragen zur Anlage ,geschotterter Steingärten‘ registriert“, sagt Stefan Geisenhof von der Peißenberger Bauverwaltung. Auch Abweichungen von der Satzung seien nicht beantragt worden. Bisher wurden in der Marktgemeinde zudem keine Schotterflächen bekannt, die schwarz errichtet worden sind.

Auch unter dem Schotter gedeiht kein Leben

Laut Landratsamt gibt es zwar in anderen Kommunen kein generelles Verbot, geschotterte Flächen würden aber in einigen Bebauungsplänen ausgeschlossen – indem Regeln für Grünflächen eingepflegt werden. „In diesem Zusammenhang werden in der Regel Vorgaben über Art und Anzahl der zu pflanzenden Sträucher und Bäume gemacht“, teilt Erika Breu aus der Pressestelle mit. Auch in der Behörde sind keine Beschwerden oder Probleme hinsichtlich solcher Festlegungen bekannt.

Der Bund Naturschutz hofft deshalb noch auf ein Umdenken in der Staatsregierung – einige Verbände gaben bereits Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf ab, die im Ministerium geprüft werden. Die Kreisgruppe Weilheim-Schongau betont, dass unter Steinflächen häufig auch noch Folien, Gewebe oder dichte Vliese verlegt seien, um zu verhindern, dass Pflanzen hindurch wachsen. „Damit sind Regenwürmer und andere Lebewesen von Luft und Wasser abgetrennt“, schildert die Ortsgruppe. „Nicht nur an der Erdoberfläche sind Kies- und Schotterflächen trost- und leblos, sondern oft auch darunter.“

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