„Ich würde vermitteln“: Brückenbauer Florian Gruber will in stürmischen Zeiten Frieden stiften

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In neuer Rolle: Normalerweise sitzt Pfarrer Florian Gruber nicht auf den Holzbänken in der evangelischen Kirche in Wolfratshausen, sondern steht vor dem Altar. Gruber ist der neue geschäftsführende Dekan Bad Tölz. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Der Streit war heftig: Der evangelische Dekan Heinrich Soffel wurde in den Wartestand versetzt. Florian Gruber, Chef der Wolfratshauser Gemeinde, übernimmt.

Schon lange hängt der Haussegen in der evangelischen Kirche ziemlich schief: Dekan Heinrich Soffel wurde wegen heftigen Streitigkeiten in den Wartestand versetzt. Der Wolfratshauser Florian Gruber soll Frieden stiften und das Dekanat in eine ruhigere Zeit führen. Brücken bauen und vermitteln: Das hielt der 62-jährige Chef der Wolfratshauser Kirchengemeinde auch bisher für seine Kernaufgabe. Denn schon vor dem Soffel-Eklat stand die evangelische Kirche vor existenziellen Fragen.

Herr Gruber, kamen Sie wie die Jungfrau zum Kinde oder hatten Sie schon länger den Wunsch, das Dekanat zu übernehmen?

Ich hatte schon immer gerne in meiner Laufbahn einmal ein Dekanat führen wollen. Aber das wichtigere Ziel war, dass ich nie wegwollte aus der Region und aus Wolfratshausen. Nach Franken zu ziehen, um ein Dekanat zu übernehmen, das wäre für mich nicht in Frage gekommen.

Mögen Sie Franken nicht?

Das hat damit nichts zu tun. Ich glaube, ich passe dort nicht hin. Ich fühle mich hier wohl, bin im Münchner Umland zuhause. Und natürlich spielen persönliche Beziehungen eine Rolle: Nach 28 Jahren in Wolfratshausen und dem Dekanat, da kenne ich die Menschen und habe Kontakt. Das wollte ich nie einfach liegen lassen. Ich bin ja schon länger da, als es das Dekanat überhaupt gibt. 1997 wurde das erst zusammengeführt. Ehrlicherweise bin ich auch inzwischen in einem Alter, in dem man nicht mehr unbedingt einen neuen Posten übernimmt.

Trotzdem sind Sie seit ein paar Tagen geschäftsführender Dekan. Sind Sie die Übergangslösung?

So würde ich das nicht nennen, aber es hat schon einen wahren Kern. Ich arbeite vielleicht noch vier oder fünf Jahre. Im Moment kann ich die Entscheidung aber gut verstehen: Es gibt bei Dekan Heinrich Soffel noch ein schwebendes, juristisches Verfahren. Deshalb bin ich auch nicht Dekan, sondern „geschäftsführender Dekan“. Es kann sein, dass sich herausstellt, dass Herr Soffel ein Rückkehrrecht hat. In einer solchen Situation wäre es vermessen, einen 40-jährigen Pfarrer von auswärts einzusetzen, der dann – sollte Heinrich Soffel zurückkommen – eine neue Stelle bräuchte. Ich hätte das Problem nicht: Meine Stelle in der Stadt Wolfratshausen könnte ich ohne Schwierigkeiten behalten.

Sie vertreten Dekan Heinrich Soffel seit Monaten. In Ihren Worten: Was ist denn passiert in Bad Tölz?

Es gab schwere Kommunikationsfehler zwischen Heiner Soffel und einigen anderen.

Kommunikationsfehler?

Ja.

So etwas müsste doch zu lösen sein.

Vielleicht wäre das möglich gewesen. Es steht mir aber nicht zu, darüber ein Urteil zu fällen. Das wird jetzt juristisch geregelt. Das ist auch besser als es so zu lösen, wie es kürzlich in einer Gemeindeversammlung in Bad Tölz vorgeschlagen wurde.

Wie lautete die Idee?

Man könne doch Heiner Soffel und seine Kontrahenten gegenüber setzen, jeder sagt, was er denkt und dann wird entschieden. Das wäre ein Plebiszit, und ich glaube, das wäre keine gute Idee. Das geht nicht bei Personalfragen.

Würde es dazu kommen: Wohin würden Sie sich setzen?

Ich würde mich auf gar keine Seite setzen. Ich habe mich da konsequent aus dem Streit herausgehalten. Aber bei Bedarf würde ich mir einen Stuhl dazu nehmen, um zu vermitteln. Ich habe kein Problem, mit Herrn Soffel zu sprechen und auch mit der anderen Seite rede ich gerne.

Wie ist die Stimmung in Bad Tölz?

Die Tölzer Kirchengemeinde muss sich im Moment von vielen Dingen erholen. Da gab es Verletzungen und Enttäuschung auf allen Seiten. Auch die Enttäuschung, dass man nicht genau weiß, was eigentlich die Hintergründe sind, ist bemerkbar.

Der Regionalbischof Thomas Prieto Peral hat Sie als Brückenbauer beschrieben. Schmeichelt Ihnen das oder hat er einfach recht?

Beides. Natürlich freut es mich, wenn meine Arbeit so ausgleichend gesehen wird. Ich begreife meine Arbeit und Aufgabe auch so, dass ich oft Vermittler bin. Das mache ich gerne.

Heißt das, dass jetzt auf einmal alles friedlich läuft im Dekanat?

Ich glaube, dass es immer Reibungen geben kann.

Woran kann man sich bei Ihnen denn reiben?

Vielleicht, dass ich nicht sofort bei jeder Meldung, dass etwas nicht passt, in Aktionismus komme. Es gibt bestimmt Menschen, die mir das negativ auslegen könnten. Das wurde auch schon mal ganz offen kritisiert. Es müsse jetzt mal Schluss sein mit diesem soften Umgang. Aber ich habe meine Art, ich bin überzeugt davon, dass es der einzige Weg in die Zukunft ist, Brücken zu bauen.

Der Konflikt in Bad Tölz wirkt sehr festgefahren. Woher nehmen Sie die unerschütterliche Überzeugung, dass man das zusammenführen kann?

Einführung

Florian Gruber wird am Sonntag, 23. Juni, feierlich in das neue Amt eingeführt. Dazu gibt es um 15 Uhr einen Festgottesdienst durch Regionalbischof Thomas Prieto Peral. Gottesdienst und anschließender Empfang finden in der Kirche St. Michael (Bahnhofstraße, Wolfratshausen) statt.

Mein Interesse für das Dekanat ist, dass möglichst viele Menschen sich wieder beteiligen und Vertrauen fassen, miteinander zu arbeiten. Bestimmt mag das für einige nicht gelten und es wird einige Menschen geben, die das nicht mehr möchten. Aber es ist meine Überzeugung, dass man es probieren muss. Auch in dieser unruhigen Zeit – in jederlei Hinsicht.

Wie meinen Sie das?

Politisch ist es unruhig, der Klimawandel droht, vieles grundlegend zu verändern. Die Spaltung der Gesellschaft nimmt immer weiter zu.

Können Sie sich an eine Zeit erinnern, in der die Kirche nicht in der Krise war?

Ich finde, dass wir in den vergangenen 30 Jahren sehr gute Zeiten erlebt haben. Die Kirche konnte viel machen, wir haben teilweise neue Gemeindehäuser oder Kirchen gebaut. Jetzt ist der Zeitpunkt, wo wir überlegen, welche Gebäude man abgeben kann.

Gerade in unruhigen Zeiten sehnen sich die Menschen nach einem Fixpunkt. Wieso finden sie nicht den Weg zurück zur Kirche?

Wir erleben ja selbst so eine unruhige Zeit. Zum Beispiel, was die Austritte aus der Kirche betrifft. Das macht mir selbst zu schaffen.

Tragen Konflikte wie der in Bad Tölz dazu bei, dass mehr Menschen die Kirche verlassen?

Ich fürchte, dass das so ist, aber ich weiß es nicht sicher. Die Zahlen kriegen wir immer erst deutlich später mitgeteilt. Aber die grundsätzliche Entwicklung kriegen wir natürlich mit: Die Dekanate werden immer kleiner. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass es in zehn Jahren das Dekanat Bad Tölz in seiner heutigen Form gar nicht mehr gibt.

Müssen Sie sich durch die neue Stelle von manchen Aufgaben verabschieden?

Leider gehört das dazu. Ich kann zum Beispiel die Konfirmandenkurse nicht mehr wie gewohnt leiten. 1400 Konfis habe ich in meiner Laufzeit betreut in Wolfratshausen. So viele zwischenmenschliche Kontakte sorgen natürlich auch dafür, dass man sich wohlfühlt. Und im Gegenzug melden sich viele Menschen mit Taufanfragen oder Hochzeiten direkt bei mir. Das sind dann frühere Schützlinge von mir. Das Menschliche hält diese Menschen in der Kirche.

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