Friedrich Merz siegt bei Bundestagswahl wie ein Boxer mit zwei blauen Augen
Merz wird Kanzler, doch sein Sieg hat Risse. Die CDU nach der Bundestagswahl schwierige Entscheidungen treffen. Der Kommentar von Georg Anastasiadis.
München - Deutschlands Wählerinnen und Wähler haben ein historisches Missverständnis korrigiert. Es war ein Irrtum zu glauben, Olaf Scholz und seine Regierung könnten die Zeitenwende organisieren, die Wirtschaft beleben, das Land im Inneren befrieden und im Äußeren wappnen gegen die zerstörerischen Folgen von Putins Zivilisationsbruch.
Dazu fehlte der Ampel der nötige Grundvorrat an Gemeinsamkeit – und dem Kanzler der Wille, Deutschland und Europa mutig zu führen. So wie Scholz bis zuletzt seine Wiederwahl-Chance bei der Bundestagswahl auf fast schon gespenstische Weise vortäuschte, hat er auch den Zeitenwende-Kanzler nur gespielt.
Friedrich Merz muss Kanzler mit Haut und Haaren sein
Friedrich Merz, der zehnte Kanzler der Nachkriegszeit, aber muss es jetzt mit Haut und Haaren sein. Es liegt etwas Schicksalhaftes in dem Zufall, dass der 69-Jährige die Macht, auf die er drei Jahrzehnte lang trotz vieler Rückschläge unbeirrt hinarbeitete, just in dem Moment übernimmt, da Deutschland und Europa ihren Platz in der Welt verteidigen müssen gegen die Despotien Russland und China, aber auch gegen den verräterischen Freund, zu dem Trumps USA geworden sind.
Ampel-Regierung gescheitert: Wähler bestrafen Scholz und setzen auf politischen Neuanfang
Gewonnen hat die Demokratie, ablesbar an der enorm hohen Wahlbeteiligung. Merz hat in diesem Winterwahlkampf Anhänger und Gegner mobilisiert wie lange kein Kandidat mehr. Doch reichte es nach einem Wahlkampf mit harten Bandagen für ihn am Ende nur für einen Sieg mit zwei blauen Augen; der Schreck über eine womöglich nötig werdende Deutschland-Koalition mit SPD und FDP, oder, noch schlimmer, ein Kenia-Bündnis mit SPD und Grünen stand allen Unionspolitikern am Abend ins Gesicht geschrieben. Für ein besseres Ergebnis war der CDU-Chef zu wenig populär und das Land nach 16 Jahren Merkel-Gewurstel und drei Jahren Ampel-Chaos zu zerrissen.
Jeder dritte Bürger hat sein Wahlkreuz bei radikal Rechten und Linken gemacht. Die Methode Merkel, dem Groko-Partner SPD die Themen zu klauen und ihn so aufzureiben, hat beide Volksparteien entkernt. Die Methode Scholz, die eigene Koalition bis zur völligen Erschöpfung streiten zu lassen, erschütterte das Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der Demokratie. Das Ergebnis ist eine AfD, die inzwischen ein Fünftel der Wähler hinter ihren Ideen von Europaablehnung, Putin-Liebesdienerei und Ausländerfeindlichkeit vereint.
Merz zwischen Macht und Zerrissenheit: CDU-Chef braucht Partner für stabile Regierung nach der Wahl
Der neuen Regierung ist bei ihrem Projekt Politikwechsel deshalb Glück zu wünschen. Denn jedes der drei gewaltigen Probleme, die sie nun lösen muss, hat das Zeug, eine Koalition zu überwältigen: die Entschärfung der Zeitbombe Asyl, die Rettung der Wirtschaft und, vor allem, die Verteidigung Europas. Nach dem ungeheuerlichen Raubzug, den das Duo Putin/Trump gegen die Ukraine führt, um ihr Land und ihre Bodenschätze zu stehlen, blickt man in den EU-Hauptstädten gebannt auf Deutschland.
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Trotz des Krimis, den die Bundesbürger da zusammengewählt haben, darf Europas wichtigstes Land sich in der größten geopolitischen Krise seit Jahrzehnten keine endlose Hängepartie leisten. Bis Ostern muss die Regierung stehen. Bis dahin sollte ein Notkabinett unter Beteiligung von Merz über Parteigrenzen hinweg sicherstellen, dass Berlin jederzeit handlungsfähig bleibt. Die Geschichte wartet nicht auf Deutschland.