Sabotage gegen europäische Länder: Russland sucht mit seiner Schattenflotte die Destabilisierung

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Immer wieder beschädigen Schiffe europäische Unterseekabel. Die EU geht von russischer Sabotage aus. Jetzt schaltet sich die Nato ein.

Helsinki – Schon im Sommer hatten die Nato und westliche Wirtschaftsexperten zunehmend vor russischen Angriffen auf europäische Unterseekabel gewarnt. Sowohl Datenkabel, die zwischen den europäischen Ländern verlaufen, als auch solche, die die USA und Europa verbinden, seien in Gefahr. Offizielle Stellen sprechen nun von russischer Sabotage – und die Nato will die Ostsee stärker absichern.

Sabotage in der Ostsee – Finnland hat Putins Schattenflotte in Verdacht

Aktuell beschäftigt vor allem der Fall der Leitung Estlink 2 die Europäische Union. Finnische Fahnder haben nach der Beschädigung einer Unterwasserstromleitung in der Ostsee eine Schleifspur am Meeresboden gefunden. „Die Spur ist Dutzende Kilometer lang“, hatte der zuständige Ermittler Sami Paila am Sonntag (29. Dezember) gesagt. Allerdings hätten die Behörden noch keinen fehlenden Anker gefunden.

Der hochgenommene Tanker Eagle S in Porvoo.
Der hochgenommene Tanker Eagle S in Porvoo. Immer wieder beschädigen Schiffe europäische Unterseekabel. Die EU geht von russischer Sabotage aus. Jetzt schaltet sich die Nato ein. © IMAGO / Lehtikuva/Jussi Nukari

Wie der Spiegel berichtete, hatten finnische Behörden am Donnerstag (26. Dezember) einen Frachter festgesetzt, der russisches Öl transportiert hatte. Aktuell vermutet Finnland, dass dieser Frachter für den Ausfall von Estlink 2 verantwortlich sei und auch vier Ostsee-Datenkabel beschädigt hatte. Der „Eagle S“ genannte Tanker soll den Schaden verursacht haben, indem er einen Anker über den Meeresboden geschleift hatte.

Das Schiff ist auf den südpazifischen Cookinseln registriert und soll zur russischen Schattenflotte gehören, die Kreml-Diktator Wladimir Putin aufgebaut hatte, um westliche Sanktionen zu umgehen. Neben der Eagle S soll außerdem der Öltanker „Line“ (Guinea-Bissau) in der Nähe des Kabels Estlink 2 gesichtet worden sein. Laut der Schiffsverfolgungs-Website Vesselfinder soll Line sowohl am Wochenende vom 28. Dezember als auch am Montag (30. Dezember) zwischen Finnland und Estland unterwegs gewesen sein. Der letzte davor angefahrene Hafen war Ust-Luga in Russland, nicht weit von der estnischen Grenze.

„Sabotage in Europa“ – EU macht Russland für Angriffe auf Kabel verantwortlich

Mittlerweile hat sich auch die Europäische Union eingeschaltet. Kaja Kallas, die EU-Chefdiplomatin, hat nun erstmals Russland für diese Entwicklung verantwortlich gemacht. „Sabotage in Europa hat zugenommen, seitdem Russland seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat“, hatte sie gegenüber der Welt gesagt. Bei den Sabotageakten handele es sich keinesfalls um Einzelfälle – vielmehr sei von einem Muster koordinierter Aktionen auszugehen. Diese hätten das Ziel, europäische Infrastruktur zu destabilisieren. Kallas hatte ein stärkeres Vorgehen gegen die russischen Schiffe angekündigt.

Fälle dieser Art scheinen sich in den letzten Wochen und Monaten zu häufen. Erst im November hatte das chinesische Schiff Yi Peng 3 Aufmerksamkeit erregt, weil es in Verdacht gestanden hatte, absichtlich den Anker über den Meeresboden schleifen lassen zu haben und so mehrere Unterseekabel in der Ostsee beschädigte. Auch hier waren Ermittler von russischer Spionage ausgegangen. Die Yi Peng 3 war am Montag (30. Dezember) südlich von Spanien gesichtet worden, nachdem sie lange im Kattegat festgehalten worden war. Auch die Yi Peng 3 war von Ust-Luga aus losgefahren.

Die Schattenflotte kommt zunehmend für Spionageeinsätze zum Einsatz, glauben Geheimdienstmitarbeiter. Laut dem Spiegel verschafft sich Russland über seine Schattenflotte einen systematischen Überblick über Offshore-Windparks, Gaspipelines und Unterseekabel in der Nord- und Ostsee. Auch im Moment ist eine Vielzahl von Schiffen, die aus Ust-Lugau losgefahren sind, mit geringer Geschwindigkeit in der Ostsee unterwegs – in direkter Umgebung der „Line“. Eines davon, die „Eastern Glory“ unter der Flagge des zentralafrikanischen Lands Gabun, sollte von Ust-Lugau (Russland) nach Primorsk (auch Russland, nur ein Stück weiter nördlich) fahren, hat aber einen größeren Umweg gemacht und bewegt sich derzeit (30. Dezember) Richtung Süden auf Estland zu.

Medwedew will Kommunikation seiner „Feinde“ zerstören – Russlands Angriffe gegen Unterseekabel

Nach aktuellem Stand hat die Lage in der Ostsee halbwegs beruhigt. „Unsere Botschaft ist ganz klar: Wir haben die Lage unter Kontrolle“, hatte Alexander Stubb, Präsident von Finnland, am Freitag (27. Dezember) vor Journalisten gesagt. „Wir müssen weiterhin wachsam zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass unsere sensible Infrastruktur nicht von externen Akteuren beschädigt wird“, zitierte ihn die Nachrichtenagentur AFP.

Die Nato will nach diesen gehäuft aufgetretenen Vorfällen ihre militärische Präsenz in der Ostsee verstärken. Das hatte der Nato-Generalsekretär Mark Rutte erklärt.

Russland hatte bereits vor längerer Zeit angekündigt, die Unterseekabel ins Visier nehmen zu wollen. Dmitri Medwedew, einer der wichtigsten Putin-Verbündeten, hatte die Explosionen um die Nord-Stream-Pipelines zum Anlass genommen, um genau davor zu warnen. Nichts könne Russland mehr „daran hindern, die Tiefseekabel am Meeresgrund zu zerstören, die der Kommunikation unserer Feinde dienen“, hatte er bereits 2023 gesagt. Im Anschluss hatte der Thinktank Atlantic Council bereits gewarnt: Viele Unterseekabel seien unbewacht, ihre Positionen öffentlich einsehbar. Sie sind wichtige Bestandteile der globalen Unterwasser-Infrastruktur. Die Nato müsse neue Verteidigungsmaßnahmen für diese Kabel hochfahren.

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