NATO schlägt Alarm – Russland-U-Boote könnten westliche Wirtschaft lähmen

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Experten warnen vor russischen Angriffen auf Tiefseekabel. Ohne sie wäre der internationale Informationsaustausch unmöglich. Schutz gibt es kaum.

Moskau – Zuletzt nahm die Debatte um die Nord-Stream-Pipelines noch einmal Fahrt auf. Neue Hinweise sollen die Täter mit der Ukraine in Verbindung bringen. In Russland sind einige Politiker davon überzeugt, der Westen sei mitschuldig – und darum sei ein Angriff auf westliche kritische Infrastruktur gerechtfertigt. Konkret geht es um Tiefseekabel.

Verwundbare Tiefseekabel – NATO spricht Warnung aus

Sowohl die NATO als auch westliche Wirtschaftsexperten warnen vermehrt vor einem russischen Angriff auf das europäische Internet. Was nach Sci-Fi-Thriller klingt, wäre in der Realität ganz einfach mit einer Attacke auf die im Atlantik liegenden Tiefseekabel möglich, die die USA und das europäische Festland verbinden. Laut dem Center for Strategic International Studies (CSIS) sind diese Kabel für fast alle Aspekte des Handels und der Geschäftsverbindungen von essenzieller Bedeutung. Wie das CSIS in einem kürzlich veröffentlichten Bericht mitteilt, verschiebt etwa eine der größeren internationalen Banken im Schnitt rund 3,9 Billionen US-Dollar durch diese Kabel – und das jeden Werktag.

Russisches U-Boot bei einer militärischen Übung.
Russisches U-Boot bei einer militärischen Übung (Symbolfoto). Experten warnen vor russischen Angriffen auf Tiefseekabel. Ohne sie wäre der internationale Informationsaustausch unmöglich. Schutz gibt es kaum. © IMAGO / ITAR-TASS/Yuri Smityuk

Nutzerdaten (darunter E-Mail, Cloud-Server oder App-Daten) sind in vielen Fällen in Datenzentren rund um die Welt verteilt; ohne die Tiefseekabel wäre ein Zugriff darauf nicht möglich. Die russische Bedrohung ist dem Westen bereits seit Jahren bekannt – schon 2018 berichtete zum Beispiel der Business-Insider ausführlich über vermehrte Warnungen von Verteidigungsexperten. Die Kabel seien nur schlecht geschützt, es gebe keine ausreichende rechtliche Handhabe bei einem Angriff. Damals hatte die russische Botschaft alibihaft eine Umfrage auf Twitter (heute X) durchgeführt, bei der die meisten Follower angaben, es gehe keine Gefahr von Russland für die Tiefseekabel aus. Im Sommer 2024 wendete sich das Blatt.

Rache für Nord Stream – Medwedew zieht Angriffe auf Tiefseekabel in Betracht

Konkret hatte Dmitrij Medwedew, russischer Politiker und Vertrauter des Präsidenten Wladimir Putin, angedeutet, die Nordstream-Explosionen seien die Mitschuld des Westens und Russland sei darum berechtigt, zurückzuschlagen – gegen die Unterwasserkabel. Es wäre keine absolute Neuheit. Im Oktober 2023 war ein Kabel, das auf dem Grund der Ostsee verläuft, beschädigt worden, ungefähr zur gleichen Zeit waren Schäden an einer finnisch-estnischen Gas-Pipeline aufgetreten. Eine Investigation hatte schließlich den Fokus auf zwei Schiffe gerichtet, von denen eins unter russischer Flagge gefahren war, das andere gehörte zu China. Beide hatten sich zur Zeit der mutmaßlichen Sabotage in der Gegend aufgehalten.

In jüngster Zeit hatten die westlichen Nachrichtendienste verdächtige Fahrtbewegungen russischer U-Boote entdeckt. Unter anderem hatten ein Spionageschiff und spezialisierte U-Boote sich westlichen Unterseekabeln genähert. Sie waren mit entsprechender Ausrüstung ausgestattet, um die Kabel entweder zu beschädigen oder sie gar anzuzapfen. Experten sehen darin eine klare Botschaft.

Auswirkungen beschädigter Tiefseekabel auf Russland

Dabei stellt sich die Frage: Würde Russland sich nicht selbst schaden, wenn es die Tiefseekabel angreift? Dem CSIS zufolge hat sich das Land strategisch eher auf die Konnektivität mit Europa und Asien ausgerichtet, Tiefseekabel braucht es dafür nicht. Wie das aussieht, zeigt eine Karte von TeleGeography. Während im Mittelmeer und im Atlantik eine Vielzahl von Tiefseekabeln liegen, führen aus Russland lediglich eine Handvoll hinaus. Beispiele für russische Kabel sind:

  • Das Georgia-Russia-Kabel (verbindet Georgien und Russland)
  • Kingisepp-Kaliningrad-System (zwischen Russland und der Exklave Kaliningrad)
  • Polar Express (verläuft entlang der Nordküste Russlands und bis Wladiwostock)
  • Petropavlovsk-Kamchatsky-Anadyr
  • Das Russland-Japan-Kabel

Deutschland dagegen ist mit einer Vielzahl der Ostsee-Staaten verbunden, außerdem führt das Atlantic-Crossing-1-Kabel von Sylt direkt herüber in die Vereinigten Staaten. Mehr als 20 Kabel, jedes einzelne hunderte von Kilometern lang, führen durch den Nordatlantik und verbinden den amerikanischen Kontinent mit Europa und Afrika. Besonders lang ist das Kabel North Fiber, das von Norwegen quer durch das Nordmeer, die Labradorsee und den arktischen Ozean verläuft, bis nach Japan.

Welche Auswirkungen hätten russische Angriffe auf Tiefseekabel?

Was ein Angriff russischer U-Boote auf die amerikanisch-europäischen Kabel haben könnte, zeigen beispielhaft verschiedene Angriffe auf die Kabel, die Taiwan mit Daten versorgen. Im April 2023 berichtete die Nachrichtenagentur AP News davon, dass die Bewohner der taiwanesischen Insel Matsu wochenlang vom Internet abgeschnitten waren, nachdem zwei Tiefseekabel gekappt worden waren. Die National Communications Commission (Taiwan) hatte China beschuldigt, weil chinesische Schiffe in der Nähe der Kabel gesichtet worden waren, aber es hätte keine Beweise gegeben. Tatsächlich werden jedes Jahr mehrere der Kabel durch Fischerei-Unfälle durchtrennt.

Die Auswirkungen: Bewohner konnten ihre Stromrechnungen nicht bezahlen, keine Arztbesuche abmachen, auch Paketlieferungen, Anrufe oder Videos liefen nur noch stockend. Jede Menge Touristen hatten ihre Buchungen storniert, weil es vor Ort keine Internetverbindung mehr gab. Tiefsee-Glasfaserkabel befördern heutzutage 95 Prozent der internationalen Daten. Dementsprechend wichtig sind sie im Machtkampf zwischen den USA, China und anderen staatlichen Akteuren wie eben Russland. Weltweit gibt es in etwa 600 solcher Kabel mit einer Gesamtlänge von etwa 1,2 Millionen Kilometer. Sie gelten als die „Informations-Highways“ unseres Planeten; sie unterstützen Cloud-Computing und 5G-Netzwerke. Im Zuge der aufsteigenden KI-Sparte nimmt die Bedeutung dieser Kabel nur weiter zu.

Diese Art von Kriegsführung befindet sich derzeit in einer Grauzone des internationalen Rechts. Dass Russland sich dafür nicht zu schade ist, zeigten im April 2024 Angriffe auf die GPS-Technologie estnischer Flugzeuge.

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